- 21.05.2025, 08:03:47
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VSSTÖ boykottiert Jüdische Studierende: “Antisemitismus nicht im Griff”
Offener Brief der Jüdischen HochschülerInnen an den Verband Sozialistischer Student_innen in Österreich (VSSTÖ)
An den Verband Sozialistischer Student_innen in Österreich (VSSTÖ),
wir, die Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen (JöH), sind seit 1947 die demokratisch gewählte Vertretung jüdischer Studierender in Österreich. Als junge und starke jüdische Stimme in Österreich mussten wir uns über die Jahrzehnte hinweg gegenüber Bedrohungen behaupten, die den Wiederaufbau eines jüdischen Lebens nach dem Schrecken der Shoah erschwerten. Nach dem 7. Oktober 2023 kam es zu einem explosionsartigen Anstieg des Antisemitismus, insbesondere dort, wo wir eigentlich auf Solidarität hofften. Diese Entwicklung hat sich in den letzten Jahren, zu unserem Bedauern, ganz besonders beim VSSTÖ zugetragen und mit letzter Woche einen neuen, bisher unvorstellbaren Tiefpunkt erreicht. Wie der VSSTÖ uns nun schriftlich mitgeteilt hat, wird er von nun an die JöH und damit die demokratische Vertretung jüdischer Studierender in Österreich boykottieren.
Laut Entscheidung des Verbandes werden Stand jetzt keine Veranstaltungen der JöH mehr beworben und die Zusammenarbeit wird als Ganzes in Frage gestellt. Dies wurde uns ausgerechnet auf die Bitte hin mitgeteilt, die kommende Diskussionsveranstaltung der JöH mit dem palästinensischen Friedensaktivisten Hamza Howidy an der Universität Wien gemeinsam zu bewerben. Hamza, der aus Gaza City geflohen ist, nachdem er dort von der Hamas mehrfach inhaftiert und gefoltert wurde, setzt sich – wie auch die JöH – für einen differenzierten Diskurs, Frieden und eine gerechte Zweistaatenlösung ein.
Grundlage des VSSTÖ-Boykotts ist ein antisemitisches Hassposting der Instagram-Seite des “Intifada-Camps” am Campus der Uni Wien, welche die JöH bereits oft als Zielscheibe für ihren Antisemitismus gewählt hat. Im betreffenden Posting werden jüdische Studierende als “Genozidales Monster, das unter uns wandert” bezeichnet und als “Lobby der Zionistischen Entität” verunglimpft – beide Aussagen sind Lehrbuchfälle des Antisemitismus.
Im Posting sind “geleakte” Screenshots von Kommentaren zweier Personen aus einer offenen Studierenden-WhatsApp-Gruppe mit über 400 Mitgliedern zu sehen. Diese wurden von unserer JöH-Moderation entsprechend unseren antidiskriminatorischen Werten in Echtzeit sanktioniert bzw. gelöscht. Zudem wurden diese Inhalte von unseren Mitgliedern im Chat klar zurückgewiesen. Ziel des Boykotts gegen Jüdische Studierende seitens des VSSTÖ ist es, ein öffentliches Statement der JöH gegenüber dem antisemitischen Hassposting zu erzwingen, welches die JöH als “rassistische Organisation” diffamiert. Dieses Statement wird es nie geben: Die JöH und ihre FunktionärInnen haben sich verantwortungsbewusst und korrekt verhalten, wurden jedoch umgekehrt antisemitisch diffamiert. Anders als die Hass-Seiten, die uns antisemitisch attackieren, nehmen wir unsere Moderationsverantwortung und unsere Werte ernst.
Es ist schwer enttäuschend, dass die Spitzenfunktionäre des VSSTÖ dieses Hassposting gegen die JöH nicht selbstständig einordnen konnten, weshalb wir ihnen bereits vor über einer Woche in langen Gesprächen die Situation erklären mussten. Dass nun trotz alledem der VSSTÖ an der Universität Wien den Boykott gegen die einzige Vertretung jüdischer Studierender in Österreich ausgesprochen hat und sich zum willigen Erfüllungsgehilfen einer einschlägig bekannten, antisemitischen Gruppe macht, überschreitet jede Grenze.
Diese schockierende Entscheidung reiht sich in eine Serie von Vorfällen rund um den VSSTÖ ein: Kurz vor der ÖH-Wahl 2025 nahm dieselbe Vorsitzende, die uns per Nachricht den Boykott mitteilte, gemeinsam mit weiteren VSSTÖ-FunktionärInnen an einer Demonstration eben jener Intifada-Camp-Gruppe teil, die wiederholt Hasspostings gegen die JöH verbreitete. Zahlreiche Hamas-nahe Gruppen nahmen laut Bericht von Der Standard an dieser Demonstration teil, es wurde wiederholt zur Intifada aufgerufen und auf dem Frontbanner des Protestzuges stand die Forderung, Israel “niederzubrennen”.
Zudem wird nach unserem Wissensstand der Instagram-Account “thepeoplesafa_vie” von VSSTÖ-FunktionärInnen betrieben, auf dem erst vergangene Woche ein Posting veröffentlicht wurde, der auf perfide Weise die systematische sexualisierte Gewalt der Hamas am 7. Oktober 2023 leugnet. Die von der Seite veröffentlichten Inhalte werden von VSSTÖ-FunktionärInnen geliked – auch jene, die die JöH verunglimpfen.
Wo der VSSTÖ in Fragen Antisemitismusbekämpfung und Solidarität steht, hat sich überdies in der Wahl ihrer Bündnisse niedergeschlagen: Trotz langer, mehrmaliger Gespräche zwischen der JöH und dem VSSTÖ weigerte sich dieser, aus dem Bündnis “Offensive Gegen Rechts (OGR)” auszutreten. In der OGR sind die Hauptakteure des linken Antisemitismus in Österreich organisiert, die mitunter den 7. Oktober glorifizieren, weshalb dort kein Platz für jüdische AktivistInnen ist. Aus diesem Grund haben bereits alle namhaften antifaschistischen Gruppen sowie alle Studierendenfraktionen das problematische Bündnis verlassen – ausnehmlich dem VSSTÖ und dem neo-stalinistischen KSV-KJÖ.
Aufgrund der seit langem bekannten Probleme in den Reihen des VSSTÖ haben wir als JöH dem VSSTÖ bereits mehrfach unseren Peer-2-Peer-Antisemitismus-Workshop angeboten. Leider hat der Verband die Chance verpasst, mit uns über legitime und wichtige Kritik an der Politik in Israel zu sprechen und darüber, was keine Kritik ist, sondern vulgärer Antisemitismus.
Wir fordern den Verband Sozialistischer Student:innen in Österreich (VSSTÖ) auf, den Boykott der jüdischen Studierendenvertretung sofort zu beenden und sich öffentlich für diesen befremdlichen Schritt zu entschuldigen. Zudem soll sich der VSSTÖ von der Instagram-Seite “thepeoplesafa_vie” und dem Bündnis “Offensive gegen Rechts (OGR)” glaubwürdig distanzieren.
Alon Ishay, Präsident der Jüdischen österreichischen HochschülerInnen (JöH), zeigt sich schockiert: “Der Boykott jüdischer Studierender auf Grundlage nachweislich falscher und dem VSSTÖ bekannter antisemitischer Gerüchte an einer österreichischen Universität im Jahr 2025 ist ein Skandal. Wir beobachten bereits seit mehreren Jahren, wie das Klima für jüdische Studierende auch an österreichischen Universitäten immer feindseliger wird – der Boykott jüdischer Studierender seitens der aktuell größten ÖH-Partei ist jedoch ein präzedenzloser Tiefpunkt. Offenbar hat der VSSTÖ die universitären Probleme mit dem Antisemitismus nicht im Griff.
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