• 15.05.2025, 09:45:17
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Weniger Journalismus ist keine Lösung!

ORF-Redaktionsausschuss: Regierung soll Qualitätsmedien absichern und für den ORF die vom VfGH verlangte Bestands- und Finanzierungsgarantie umsetzen.

Wien (OTS) - 

Der ORF-Redaktionsausschuss, das sind die gewählten Redaktionssprecherinnen und -sprecher aus allen Bereichen (Radio, TV, Online, Teletext und Landesstudios) warnt vor einem Aushungern der Medienbranche im Allgemeinen, des ORF im Besonderen, sowie einer Verwässerung des Gebotes der Unabhängigkeit der ORF-Gremien. Daher wurde folgende Resolution einstimmig beschlossen:

Der Qualitätsjournalismus ist nicht nur in Österreich massiv unter Druck: die bewährten Finanzierungsmodelle brechen zusammen, weil bereits mehr als die Hälfte der heimischen Werbeausgaben an die großen Social-Media-Plattformen ins Ausland abfließt, ohne Wertschöpfung im journalistischen Bereich. Gleichzeitig ist die Bereitschaft des Publikums in der digitalen Welt für journalistische Inhalte zu bezahlen weit geringer, als das analog – etwa für Printprodukte – der Fall war. Produktion und Vertrieb sind für klassische Medien immens teuer geworden. Das alles führt dazu, dass die Budgets für die Redaktionen schrumpfen.

Dazu kommt steigender politischer Druck: populistische Parteien versuchen über eigene Netzwerke an sogenannten „alternativen Medien“ die etablierten Qualitätsmedien zu diffamieren und ihre Glaubwürdigkeit zu untergraben.

Politische Parteien erkaufen sich mit Steuergeld Reichweite in den Sozialen Netzwerken, um die Parteilinie an das Wahlvolk zu bringen. Kritische Fragen durch JournalistInnen werden damit ausgeschlossen. So erodiert das System der informierten Gesellschaft. Weil Propaganda und PR im Vordergrund stehen und nicht mehr die kritische Auseinandersetzung mit politischen Gegenpositionen.

Mit viel Steuergeld werden so Glaubwürdigkeit und finanzielle Basis von redaktionellem Journalismus durch Pseudo-Medien vernichtet.

Daher ist es dringend notwendig, Qualitätsmedien und professionellen Journalismus in Österreich mit den entsprechenden Rahmenbedingungen abzusichern. Weniger Journalismus ist jedenfalls keine Lösung!

Im Regierungsprogramm steht klar und deutlich: „Freie Medien, die unabhängig, objektiv und sachlich berichten, sind für unsere Demokratie unverzichtbar.“ (Seite 117)

Es finden sich im Regierungsprogramm zahlreiche Ankündigungen zur Stärkung des Medienstandortes Österreich und zum Erhalt der Medienvielfalt, die positiv zu bewerten sind. Auch zum ORF gibt es einige positive Punkte, die im Regierungsprogramm angekündigt werden. Allerdings nicht nur.

Beispiel Gremienreform und politische Unabhängigkeit: Nach der vom Verfassungsgerichtshof erzwungenen Novelle des ORF-Gesetzes ernennt die Bundesregierung für den neu zusammengesetzten Stiftungsrat sechs (statt bisher neun) Mitglieder. Der Publikumsrat entsendet neun (statt bisher sechs) Mitglieder. An der grundsätzlichen Kritik des VfGH an der zu großen Einflussmöglichkeit der Politik auf die ORF-Aufsichtsgremien ändert sich durch die Neubestellung aus unserer Sicht allerdings nichts. Auch renommierte Rundfunkrechtsexperten wie Hans Peter Lehofer sehen in dieser Novelle nur einen Minimalkompromiss der Regierungsparteien.

Zu befürchten ist eine (partei)politische Absicherung der Aufsichtsgremien des ORF, wenn sich die Parteien weiterhin die – laut Verfassung – unabhängigen und weisungsfreien Mandate untereinander aufteilen und ihre Mehrheiten absichern. Unser Appell an die Mitglieder der Aufsichtsgremien: Nehmen Sie die in der Verfassung verankerte Pflicht zur Unabhängigkeit ernst. Halten Sie sich nicht an parteipolitische Vorgaben und Absprachen – etwa welche Regierungspartei das „Recht“ auf den Vorsitz im Stiftungsrat für sich beansprucht. Nehmen Sie nicht an parteipolitischen „Freundeskreisen“ teil, die im Rundfunkgesetz nicht vorgesehen sind.

Beispiel Finanzierung: Der ORF fährt seit vielen Jahren einen Sparkurs mit einem deutlichen Abbau von MitarbeiterInnen. Mit dem aktuellen Gesetz wird die Finanzierung über sechs Jahre (!) eingefroren. Da in diesem Zeitraum mehr als 550 Millionen Euro eingespart werden müssen, ist ein massiver Kahlschlag bei Programm und Personal zu erwarten. Durch Programm-Kürzungen gehen qualitätsvolle Inhalte für das Publikum verloren.

Denn zu glauben, Qualität und Quantität des Programms können mit deutlich weniger Geld und Personal aufrecht erhalten bleiben, geht völlig an der Realität vorbei. Und es widerspricht den jüngsten Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes. Demnach müssen dem ORF ausreichend finanzielle Mittel zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrages zur Verfügung stehen. Radikale Kürzungen, wie sie das aktuelle Gesetz dem ORF auferlegt, sind mit diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht in Einklang zu bringen.

Der VfGH hat in seinen Erkenntnissen zur Finanzierung des ORF (vom 30.6.2022) und zur Reform der Aufsichtsgremien (vom 5.10.2023) eine Bestands- und Finanzierungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abgegeben. Eine erhebliche Reduktion des Programmauftrages wäre demnach verfassungswidrig.

Wir appellieren daher an die Regierungskoalition und den Medienminister, den angekündigten zweiten Schritt der ORF-Reform im Sinne des VfGH rasch umzusetzen und den ORF verfassungsrechtlich abzusichern.

Der Redaktionsrat
Dieter Bornemann, Simone Leonhartsberger, Peter Daser, Margit Schuschou

Rückfragen & Kontakt

Dieter Bornemann, M.A.
Vorsitzender des Redaktionsrates

E-Mail: dieter.bornemann@orf.at
Website: https://orf.at

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