- 23.04.2025, 17:24:17
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- OTS0214
68. Wiener Gemeinderat (8)
Dringliche Anfrage
Um 16 Uhr wurde Sitzung für eine Dringliche Anfrage der Grünen an Gesundheitsstadtrat Peter Hacker zum Thema „Unsichere und lange OP-Wartezeiten in Wiens Spitälern: Ungelöster Personalnotstand, teure leerstehende Infrastruktur und mangelnde Zukunftsstrategien, um die operative Versorgung in den Spitälern des Wiener Gesundheitsverbunds wieder rasch zu gewährleisten“ unterbrochen.
GRin Mag. Barbara Huemer (GRÜNE) begründete die Dringliche Anfrage mit dem „kritischen Zustand“ im Wiener Gesundheitswesen. Es habe sich, so Huemer, auch nach fünf Jahren keine spürbare Verbesserung abgezeichnet. Der Zustand in den Spitälern sei in ihren Worten „alarmierend“. Als exemplarisch nannte die grüne Abgeordnete die langen Wartezeiten bei planbaren Operationen. Termine würden laut Huemer immer wieder kurzfristig verschoben – dies sei keine Übertreibung, sondern für viele Patient*innen schmerzhafte Realität. Der damit verbundene seelische und körperliche Druck sei erheblich; viele Menschen müssten mit starken Schmerzmitteln ausharren. „Diese Situation darf keinesfalls verharmlost werden“, sagte Huemer. Auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zeichne sich laut Huemer ein beunruhigendes Bild ab. Erkrankte Kinder würden zunehmend allein gelassen, ihre Lage verschlechtere sich kontinuierlich. Deshalb war die Abgeordnete der Stadt Wien vor, nicht mit strukturellen Reformen oder mehr Personal auf die Probleme zu reagieren, sondern lediglich „Pflasterlösungen“ anzubieten. Die geplante Auslagerung von Operationen in Privatspitäler sei für sie keine nachhaltige Strategie. Sie kritisierte, dass die Kooperation mit diesen Einrichtungen viele „Fragen aufwerfe“ und „widersprüchlich“ sei. So sei unklar, warum einerseits im Wiener Gesundheitsverbund (WIGEV) Personalmangel herrsche, aber andererseits gerade dieses Personal für externe Operationen zur Verfügung stehen solle. Ebenso bleibe unverständlich, warum hunderte Betten leer stünden und OP-Säle Kapazitäten hätten, gleichzeitig aber auf Auslagerungen zurückgegriffen werde. Huemer vermutete hinter diesen Entwicklungen „Missmanagement und mangelnde Planung“. Verantwortung werde aus ihrer Sicht ausgelagert, vermutete Huemer. Auch die Folgen der Corona-Pandemie seien laut Huemer noch nicht bewältigt. Vieles dauere länger, die Qualität nehme ab, während die Politik die Probleme „kleinrede“. Aus einem einstigen Notbehelf sei mittlerweile eine Dauerlösung geworden, was sie als Anzeichen für einen „Systemwandel“ wertete. Das Rückgrat des Wiener Gesundheitssystems habe laut ihrer Einschätzung „mehrere Bandscheibenvorfälle“, so Huemer zugespitzt. Mit gezielten Fragen an den zuständigen Stadtrat wolle ihre Fraktion unter anderem Klarheit über Kostentransparenz, Personalstand, Haftung und Nachbetreuung schaffen. Man wolle wissen, wie eine „zumutbare Wartezeit“ definiert werde und welche langfristigen Ziele verfolgt würden, so Huemer weiter. Die derzeit geplante Kooperation betreffe rund 500 Operationen – dies sei aus ihrer Sicht bei weitem nicht ausreichend zur Lösung der Probleme. Es fehle an einer langfristigen Strategie, kritisierte Huemer. Abschließend appellierte sie an die Stadtregierung, den Sorgen der Bevölkerung Rechnung zu tragen. Rund die Hälfte der Patient*innen beklage eine mangelhafte Betreuung. Huemer forderte einen „gesundheitspolitischen Kassensturz“ und stellte klar: „Gesundheit darf keine Ware sein.“ Es gelte, den Verdacht der schleichenden Privatisierung entschieden auszuräumen, forderte Huemer abschließend.
Anschließend nahm Gesundheitsstadtrat Peter Hacker ausführlich Stellung zu Wartezeiten bei planbaren Operationen, Personalbedarf und -stand sowie Strategien im Wiener Gesundheitsverbund (WIGEV). In seiner Anfrage-Beantwortung bezeichnete Hacker das Gesundheitssystem der Stadt als „reformbereit und vorausschauend“, welches unter schwierigen Rahmenbedingungen – vor allem durch den Fachkräftemangel – dennoch kontinuierlich Fortschritte erzielt habe. Der Gesundheitsstadtrat verwies auf das bereits während der COVID-Pandemie bewährte Kooperationsmodell mit privaten Krankenanstalten, das derzeit wieder zur Anwendung komme. Dieses ermögliche es, planbare Operationen temporär in Privatkliniken durchführen zu lassen und so Kapazitäten in den öffentlichen Spitälern freizumachen. Die Finanzierung erfolge laut Hacker vollständig über die leistungsbezogene Krankenhausfinanzierung (LKF-System) durch den Landesgesundheitsfonds, analog zur Abrechnung interner Leistungen im WIGEV. Die Abwicklung erfolge ohne Zuschläge oder Sondermittel. Konkrete Kosten könnten laut Hacker derzeit nicht genannt werden, da diese stark von der tatsächlichen Inanspruchnahme abhingen. Die Stadt Wien erwarte jedenfalls keine Zusatzkosten im Budget, so Hacker.
Zur Entschärfung der Wartezeitproblematik verwies der Gesundheitsstadtrat auf Maßnahmen, die der WIGEV in mehreren Wellen umgesetzt habe. Als Beispiele nannte er die Personaloffensive insbesondere die seit Mai 2024 laufende Recruiting-Kampagne „Teil von etwas Großem“, die neue Mitarbeiter*innen gewinnen und bestehende durch Anwerbungsboni motivieren solle. Ergänzend dazu seien, so Hacker weiter, Fortbildungsbudgets aufgestockt, Dienstposten erweitert, Fortbildungstage erhöht und kurzfristige Einspringzulagen eingeführt worden. Einen besonderen Schwerpunkt legte Hacker in seiner Ausführung auf die Ausbildungsoffensive: Auszubildende im Pflegebereich sowie in medizinisch-technischen Diensten würden bereits während ihrer Ausbildung angestellt. Das bezeichnete Hacker als Erfolg. Im ärztlichen Bereich seien über 100 zusätzliche Dienstposten geschaffen worden. Damit wolle man nicht nur Ausbildungsplätze sichern, sondern auch frühzeitig personelle Bindung erzielen. Zusätzlich gebe es spezifische Qualifizierungsmaßnahmen für OP-Assistenzpersonal und Pflegefachkräfte.
Ein weiteres Herzstück der Reformen sei die neue Transparenzplattform zu OP-Wartezeiten. Diese ermögliche Patient*innen einen einfachen Zugriff auf aktuelle Durchschnittswerte zu Wartezeiten bestimmter Eingriffe etwa Bandscheiben-OPs oder Hüftgelenksersatz. Die Plattform verfüge laut Hacker über einen Link zur Website kliniksuche.at, wo auch Fallzahlen je Klinik ersichtlich seien. Monatliche Aktualisierungen und laienverständliche Darstellung sollen für Vertrauen sorgen und gleichzeitig zur datenbasierten Steuerung des Systems beitragen, sagte Hacker weiter. Die Effektivität dieser Maßnahmen belegte der Stadtrat anschließend mit Zahlen: So sei etwa die durchschnittliche Wartezeit auf Bandscheibenoperationen in der Klinik Penzing von 11 auf 7 Wochen (1. Quartal 2025) zurückgegangen, für Katarakt-OPs in Donaustadt von 23 auf 18 Wochen und für Hüftgelenksersatz in Floridsdorf von 20 auf 18 Wochen (1. Quartal 2025). Diese Fortschritte seien laut Hacker klare Hinweise darauf, dass die gesetzten Schritte Wirkung zeigten. „Man muss anerkennen, dass derartige Prozesse Zeit benötigten und keine sofortige flächendeckende Entlastung möglich ist“, betonte Hacker. Es sei daher „unrichtig“ von einer „Unwirksamkeit“ zu sprechen, wies Hacker die Vorwürfe zurück. Man erwarte durch die Kooperation mit Privatkliniken noch weitere Entlastung, so Hacker weiter.
Die Auslagerung von Operationen an private Kliniken sei vor diesem Hintergrund als temporäre Maßnahme mit entsprechenden Kündigungsfristen zu verstehen. Eine Zwangsverlagerung finde laut Hacker nicht statt. Der WIGEV sei stets in der Lage, die OP-Wartelisten „eigenständig abzuarbeiten“, sagte Hacker. Die Kooperation diene vor allem der Verkürzung der Wartezeiten. Dabei spiele es auch keine Rolle, ob jemand privatversichert sei oder nicht. Der WIGEV bleibe für die postoperative Visite und etwaige Nachsorge verantwortlich. Komplikationen würden wie bisher auch in WIGEV-Häusern behandelt, erklärte Hacker. Für die ausgelagerten OPs komme ärztliches Personal des WIGEV zum Einsatz, das restliche Personal käme von den Kooperationspartner – ohne Übernahme dieser Personalkosten durch die Stadt Wien. Die WIGEV-Ärzt*innen würden entweder im Rahmen ihres regulären Dienstverhältnisses mitwirken, Dies geschehe ohne zusätzliche Vergütung. Die operative Infrastruktur und Pflege sei Aufgabe der Partnerkliniken. Wichtig sei, dass der Einsatz der WIGEV-Ärzt*innen nicht zu Einschränkungen im öffentlichen Regelbetrieb führe. Erste statistische Auswertungen zur Anzahl der eingesetzten Ärzt*innen und zu Auswirkungen auf Wartezeiten würden im Herbst 2025 erwartet. Es gebe, so Hacker, keine Mindestzahl an Operationen, stellte Hacker klar. Dem Wunsch von Patient*innen, die weiterhin in WIGEV-Spitälern operiert werden wollen, werde entsprochen.
Hacker betonte, dass es sich nicht um einen Einstieg in eine systematische Privatisierung handle. Der abgeschlossene Vertrag sei jederzeit monatlich kündbar, es gebe keine Mindestzahlen an Operationen, keine Exklusivverpflichtung und keine Übernahme von Personalkosten durch die Stadt Wien. Die medizinische Ergebnisqualität unterliege denselben Standards wie im öffentlichen Bereich. Die Kooperation solle lediglich eine punktuelle Entlastung bewirken. Parallel dazu arbeite der WIGEV an einem neuen Konzept für ein tagesambulantes Zentrum für sogenannte „kleine chirurgische Eingriffe“. Dieses solle an ein bestehendes Spital angedockt werden und Eingriffe bündeln, die aktuell in Hightech-OP-Sälen durchgeführt würden. Die Konzeptionsphase sei abgeschlossen, der Projektstart für 2026, die Fertigstellung für 2028 angedacht.
Hacker unterstrich auch die Langfriststrategien zur Personalgewinnung und -bindung. Seit 2004 kooperiere der WIGEV mit dem Wiener Arbeitnehmerinnenförderungsfonds (waff), um geeignete Ausbildungsinteressierte zu gewinnen. Durch Verpflichtungsverträge werde sichergestellt, dass Absolvent*innen nach ihrer Ausbildung im WIGEV bleiben. Ein weiteres wichtiges Standbein sei die Kooperation mit Fachhochschulen insbesondere mit der FH Campus Wien. Seit 2015 werde dazu ein eigener Bachelorstudiengang im Pflegebereich betrieben. Zur Abfederung der Pensionierungswelle der Babyboomer-Generation sei seit 2018 eine eigene Szenarioplanung etabliert worden, auf deren Basis eine umfassende Ausbildungsoffensive entwickelt worden sei. Hacker sagte: „Derzeit stehen rund 4.400 Ausbildungsplätze im Pflegebereich in Wien zur Verfügung“. Gleichzeitig würden gezielt neue Berufsgruppen wie unter anderem Operationstechnische Assistent*innen ausgebildet. Die ersten Jahrgänge sollen 2026 zur Verfügung stehen, kündigte der Gesundheitsstadtrat an. Durch die Anstellung ab dem zweiten Ausbildungsjahr sowie Verpflichtungsverträge werde eine hohe Verbleibsquote gesichert, so der Plan.
Das internationale Fachkräfteprogramm „#Nurses4Vienna“ ist für Hacker ein Erfolgsprojekt: „Ende 2024 kamen die ersten 19 Fachkräfte aus Drittstaaten an und sind in Qualifizierungsmaßnahmen eingestiegen“, führte Hacker aus. Für Mai 2025 werde eine weitere Gruppe von etwa 70 Personen erwartet. Diese angesprochenen Maßnahmen sowie Kommunikationskampagnen zur Attraktivierung der Gesundheitsberufe und Anpassungen der Gehaltsschemata hätten bereits erste Früchte getragen: Die Zahl der Pflegekräfte im WIGEV sei gestiegen. „Es gibt aktuell einen Personalhochstand“, zeigte sich der Stadtrat zufrieden. Konkret gebe es 12.559 Vollzeitäquivalente im Pflegebereich sowie 1.850 Ärzt*innen.
Zur Auslastung der OP-Säle und Stationen erklärte Hacker, dass derzeit 130 OP-Säle zur Verfügung stünden. „Wir haben eine Auslastung von 70–80 Prozent“, sagte Hacker. Dabei gebe es, wie üblich, Leerlaufzeiten für Reinigung, Wartung und die Vorhaltung von Notfallkapazitäten. Die durchschnittliche Bettenauslastung sei von 79,3 % (2023) auf 79,8 % (2024) gestiegen. 885 Betten seien aufgrund von Personal-, Bau- oder Medizintechnikgründen aktuell nicht verfügbar. 1.147 der aktivierten Betten am Stichtag Mitte April wären jedoch auch nicht belegt gewesen, so die Erklärung.
Abschließend betonte Hacker, dass der WIGEV die Akutversorgung der Wiener Bevölkerung „fast zu 100 Prozent“ trage. Rund 244.000 Patient*innen würden pro Jahr stationär versorgt, etwa 5,2 Mio. Patient*innen ambulant. Auch im nationalen Vergleich bei OP-Wartezeiten stehe man gut da, sagte der Gesundheitsstadtrat. „Die Versorgung ist schneller als im Bundesdurchschnitt, insbesondere bei Katarakt-, Hüft-, Knie- und Schilddrüsenoperationen sowie in der Onkologie.“ Die Wartezeiten auf Tumoroperationen seien im österreichweiten Vergleich unterdurchschnittlich, was ein Ausdruck „gezielter Ressourcenzuteilung“ sei. Der WIGEV führe jährlich über 140.000 Operationen durch – davon rund 56 % elektiv (Anm. ausgewählt) – und sei laut Hacker damit der bei weitem größte Leistungsträger der Spitalsversorgung in Wien. Darüber hinaus wurden im Vorjahr auch 209.485 Rettungsanfahrten abgewickelt.
Hacker schloss seine Stellungnahme mit einem ausdrücklichen Dank an die Mitarbeiter*innen seines Büros sowie des WIGEV, die mit hoher Professionalität und starkem Engagement im Wiener Gesundheitswesen tätig seien. Für Hacker sei klar: „Wien verfügt über ein starkes, krisenresistentes und lernfähiges Gesundheitssystem, das sich mit Weitblick und Augenmaß weiterentwickle. Im Interesse aller Wienerinnen und Wiener“, schloss er. (Forts.) kri
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