• 03.03.2025, 10:08:17
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80 70 30: EU-Datenbank, Feuerwehrkomitee und Plenardebatten

Daten, Fakten und Zahlen zur Mitwirkung des österreichischen Parlaments an der EU-Gesetzgebung - Teil 2

Wien (PK) - 

Anlässlich "30 Jahre EU-Beitritt Österreichs" hat die Parlamentskorrespondenz auch einen genaueren Blick darauf geworfen, wie das Parlament seine Mitwirkungsrechte an der EU-Gesetzgebung in der Praxis wahrnimmt. Während es im ersten Teil des Beitrags vorrangig um die rechtlichen Grundlagen und die Arbeit der EU-Ausschüsse des Nationalrats und des Bundesrats ging (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 0087/2025), stehen nun im zweiten Teil unter anderem Plenaraktivitäten wie Aktuelle Europastunden, die Informationspflichten der Regierung, die Einbindung der Fachausschüsse und der ESM-Unterausschuss im Fokus. Außerdem haben wir uns angeschaut, wie oft das sogenannte "Feuerwehrkomitee" in den vergangenen 30 Jahren tagte.

950.000 Dokumente in der EU-Datenbank

Damit das Parlament seine Mitwirkungsrechte an der EU-Gesetzgebung adäquat wahrnehmen kann, sind die Regierungsmitglieder verfassungsgesetzlich dazu verpflichtet, den Nationalrat und den Bundesrat umfassend und unverzüglich über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union zu unterrichten und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Näheres dazu und zu weiteren Informationspflichten wird im EU-Informationsgesetz geregelt.

Sämtliche EU-Dokumente - auch jene, die direkt von EU-Organen wie der EU-Kommission kommen - werden in der EU-Datenbank des Parlaments erfasst. Sie ist somit ein wichtiges Informations- und Arbeitsinstrument, und zwar nicht nur für Abgeordnete und Bundesrät:innen, sondern auch für die Öffentlichkeit. Bis Ende 2024 standen exakt 947.528 Dokumente in der Datenbank zur Verfügung.

Zur Information der Abgeordneten und Bundesrät:innen dienen außerdem die sogenannten EU-Jahresvorschauen. In ihnen legen die einzelnen Regierungsmitglieder dem Nationalrat und dem Bundesrat - bezogen auf ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich - dar, worüber gerade auf EU-Ebene verhandelt wird, wie die Position Österreichs zu den einzelnen Vorhaben ausschaut und welche weiteren europäischen Initiativen im laufenden Jahr zu erwarten sind. Da die Berichte den Fachausschüssen zugewiesen werden, bieten sie eine gute Gelegenheit für einen Austausch zwischen der zuständigen Ministerin bzw. dem zuständigen Minister und den jeweiligen Fachexpert:innen der Fraktionen. In allen Ausschüssen des Nationalrats und im EU-Ausschuss des Bundesrats können außerdem Aktuelle EU-Aussprachen abgehalten werden, an denen auch die österreichischen Mitglieder des Europaparlaments mit beratender Stimme teilnehmen können.

Das Feuerwehrkomitee

Eine Sonderstellung bei der Mitwirkung des Parlaments an der EU-Gesetzgebung nimmt das sogenannte "Feuerwehrkomitee" ein, das in §31e des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrats geregelt ist. Es soll gewährleisten, dass das zuständige Regierungsmitglied während laufender Verhandlungen in Brüssel rasch Rücksprache mit dem Nationalrat halten kann, besonders wenn es aus zwingenden integrations- und außenpolitischen Gründen erwägt, von einer ihm vorgegebenen Verhandlungsposition abzuweichen. Da dem Komitee ein Vertreter bzw. eine Vertreterin jedes Parlamentsklubs angehören muss, kann die Ministerin bzw. der Minister rasch ausloten, ob ein auf EU-Ebene verhandelter Kompromiss für die Abgeordneten mehrheitlich tragbar wäre. Beschlüsse kann das Feuerwehrkomitee allerdings keine fassen.

Eingerichtet wurde das Feuerwehrkomitee bisher siebenmal, erstmals am 1. Dezember 2000 vor dem Europäischen Rat von Nizza. Damit reagierten die Abgeordneten nicht zuletzt auf Probleme, die zuvor bei der Abstimmung der Positionen von Parlament und Regierung aufgetreten waren, wie die Parlamentskorrespondenz damals berichtete. Regierungsmitglieder hatten demnach mehrfach beklagt, dass sie aufgrund enger Vorgaben des Nationalrats bei Ratsverhandlungen in Brüssel zu wenig Verhandlungsspielraum gehabt hätten.

Auch die weiteren sechs Einberufungen des Feuerwehrkomitees erfolgten im Vorfeld von EU-Gipfeln. Dabei ging es etwa um geplante Änderungen der EU-Verträge und den mehrjährigen Finanzrahmen. Aber auch um die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, wobei sich in diesem Fall die damaligen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ nicht auf einen gemeinsamen Standpunkt einigen konnten. Da auch keine andere Mehrheit im EU-Hauptausschuss für eine bindende Stellungnahme zustande kam, flog Bundeskanzler Wolfgang Schüssel im Dezember 2004 ohne parlamentarische Vorgaben nach Brüssel. Das bislang letzte Mal wurde im März 2011 ein Feuerwehrkomitee eingerichtet, als die Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zur Debatte stand.

Besondere Verfahrensbestimmungen für EU-Ausschüsse

Für die Arbeit der EU-Ausschüsse (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 0087/2025) gelten besondere Verfahrensbestimmungen. So kann etwa die Opposition oder ein einzelnes Ausschussmitglied unter bestimmten Voraussetzungen die Einberufung eines Ausschusses innerhalb einer bestimmten Frist erzwingen. Zuletzt hatte das etwa die SPÖ in Zusammenhang mit dem von Finanzminister Gunter Mayr nach Brüssel gemeldeten Sparplänen verlangt. Auch die zuständige Ministerin bzw. der zuständige Minister kann auf eine Sitzung pochen.

Kommt ein aktuelles EU-Vorhaben auf die Tagesordnung einer Sitzung der EU-Ausschüsse, ist das zuständige Regierungsmitglied verpflichtet, dazu eine schriftliche Information zu übermitteln, aus der unter anderem der aktuelle Verhandlungsstand inklusive der Positionierung Österreichs hervorgehen soll. Darüber hinaus haben die Fraktionen das Recht, solche Informationen auch zu weiteren EU-Vorhaben einzufordern, wobei es dafür zahlenmäßige Beschränkungen gibt.

EU-weiter Austausch und Kooperationen

In den vergangenen Jahren hat sich außerdem die Praxis etabliert, den Botschafter bzw. die Botschafterin des jeweiligen EU-Ratsvorsitzlandes in den EU-Ausschuss des Bundesrats bzw. den EU-Unterausschuss des Nationalrats einzuladen, um aus erster Hand Informationen über die Schwerpunktsetzungen des aktuellen Ratsvorsitzes zu erlangen. Ebenso haben jährliche Aussprachen zwischen den Mitgliedern des EU-Ausschusses des Bundesrats und der österreichischen Vertreterin bzw. dem österreichischen Vertreter im EU-Rechnungshof bereits Tradition. Auch mit hochrangigen EU-Politiker:innen wie den früheren Präsidenten des Europäischen Parlaments Martin Schulz und Jerzy Buzek sowie einzelnen Mitgliedern der EU-Kommission fanden Ausschussdebatten statt.

Mit den EU-Ausschüssen der anderen nationalen Parlamente sind die österreichischen EU-Ausschüsse über die COSAC vernetzt, die regelmäßig Treffen abhält. Zudem gibt es immer wieder Ausschussbesuche bei EU-Institutionen in Brüssel, Luxemburg und Den Haag sowie bilaterale Kontakte. Unterstützt werden alle Aktivitäten durch ein Verbindungsbüro des österreichischen Parlaments in Brüssel.

11 Berichte an das Plenum

Die EU-Ausschüsse können auch Berichte an das Plenum erstatten, um dort eine Debatte zu besonders wichtigen EU-Vorhaben zu ermöglichen. Viermal hat dies der EU-Unterausschuss des Nationalrats und sieben Mal der EU-Ausschuss des Bundesrats bisher getan.

Erstmals eingesetzt wurde der EU-Unterausschuss des Nationalrats übrigens erst nach den Wahlen 1999, also in der 21. Gesetzgebungsperiode. Davor nahm der Hauptausschuss alleine die EU-Mitwirkungsrechte des Nationalrats in EU-Angelegenheiten wahr, wobei in der 19. und 20. Gesetzgebungsperiode noch nicht zwischen "normalen" Sitzungen des Hauptausschusses und Sitzungen des Hauptausschusses in EU-Angelegenheiten unterschieden wurde. Das heißt, es gab immer wieder gemischte Tagesordnungen mit klassischen HA-Vorlagen und EU-Dokumenten.

ESM-Unterausschuss des Budgetausschusses

Der Ständige Unterausschuss des Budgetausschusses in ESM-Angelegenheiten (siehe dazu ebenfalls Parlamentskorrespondenz Nr. 0087/2025) trat bisher zu rund einem Dutzend Sitzungen zusammen, und zwar zwischen Oktober 2012 und Jänner 2022. In drei Fällen hat er dabei dem Nationalrat die Entscheidung übertragen. Dieser genehmigte etwa im April 2013 Stabilitätshilfen für Zypern. Aufgrund der Stabilisierung der Euro-Länder spielen die ESM-Mitwirkungsrechte aktuell allerdings keine besondere Rolle mehr. Im Fall des Falles könnte der Ständige Unterausschuss des Budgetausschusses aber nach wie vor jederzeit zusammentreten.

54 Aktuelle Stunden und 11 EU-Erklärungen der Regierung

Das Plenum des Nationalrats setzt sich insbesondere in Form von Aktuellen Europastunden mit EU-Themen auseinander. Sie wurden im Jahr 2010 eingeführt und sind laut Geschäftsordnung viermal im Jahr anzuberaumen, wobei die Themenauswahl wie bei der Aktuellen Stunde immer einer Fraktion - in der Reihenfolge der Mandatsstärke - zukommt. 54 solcher Europastunden hat es bisher gegeben. Dazu kommen 11 EU-Erklärungen von Mitgliedern der Bundesregierung, die dazu gedacht sind, die Abgeordneten in zeitlicher Nähe zu EU-Gipfeln oder Ratstagungen über aktuelle Entwicklungen auf EU-Ebene zu informieren. Laut Geschäftsordnung sollte es eigentlich zwei solcher EU-Erklärungen pro Jahr geben, nicht immer wird diese Vorgabe jedoch eingehalten.

Sowohl für Aktuelle Europastunden als auch für EU-Erklärungen gilt, dass daran auch österreichische Europaabgeordnete teilnehmen können, sofern sie von ihrem Klub namhaft gemacht wurden. Eingeführt wurde dieses Recht im August 2015, seither wird es regelmäßig in Anspruch genommen.

Im Bundesrat gibt es die Möglichkeit, Aktuelle Stunden bestimmten EU-Themen zu widmen und dazu auch österreichische Europaabgeordnete einzuladen. Solche gemeinsamen Debatten fanden bisher allerdings nur zweimal - im Juli 2015 und im Dezember 2022 - statt. Eine weitere Aktuelle Europastunde war 2017 dem Brexit und der Migrationskrise gewidmet. Häufiger diskutiert der Bundesrat auf Basis von EU-Jahresvorschauen über aktuelle EU-Themen: sie kommen - anders als im Nationalrat - regelmäßig ins Plenum. Zudem können mit Zweidrittelmehrheit bestimmte EU-Vorhaben auch ohne Ausschussvorberatungen ad hoc auf die Tagesordnung gesetzt werden.

Plenardebatten mit Persönlichkeiten der EU-Politik

Dreimal hat der Bundesrat bisher von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Persönlichkeiten der EU-Politik zur Abgabe einer Erklärung in eine Plenarsitzung einzuladen. So war im April 2013 der damalige Präsident des Ausschusses der Regionen (AdR) Ramón Luis Valcárcel Siso in der Länderkammer zu Gast. Im Oktober 2016 diskutierte AdR-Vizepräsident Karl-Heinz Lambertz mit den Bundesrät:innen. Dazwischen gab im Dezember 2014 der damalige österreichische EU-Kommissar Johannes Hahn eine Erklärung zu seinem neuen Aufgabenbereich ab.

Im Nationalrat hielt die Präsidentin des Europäischen Parlaments Roberta Metsola im Mai 2023 eine Rede und sprach sich dabei für ein "Europa der Erneuerung" aus.

Mitwirkung bei der Änderung der EU-Verträge

Besondere Mitwirkungsrechte hat das österreichische Parlament - wie auch die anderen nationalen Parlamente - im Falle einer geplanten Änderung der EU-Verträge, wobei zwischen ordentlichen und vereinfachten Vertragsänderungsverfahren zu unterscheiden ist. Beide Verfahren haben gemein, dass Vertragsänderungen letztlich nicht nur der Zustimmung aller Staats- und Regierungschefs der EU-Länder und des Europäischen Parlaments bedürfen, sondern grundsätzlich auch von allen nationalen Parlamenten zu billigen sind, zumeist in Form einer ausdrücklichen Genehmigung, zum Teil aber auch in Form eines Ablehnungsrechts. Wobei das österreichische Parlament auch hier besondere Rechte gegenüber der eigenen Regierung hat. Die letzte größere Änderung der EU-Verträge liegt - mit dem 2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon - allerdings schon eine Weile zurück. Davor hatte Österreich als EU-Mitglied noch den 1997 unterzeichneten Vertrag von Amsterdam und den 2021 unterzeichneten Vertrag von Nizza mitverhandelt.

Mitwirkungsrechte hat der Nationalrat schließlich auch bei der Besetzung von EU-Spitzenpositionen: Für die Nominierung des österreichischen EU-Kommissars bzw. der österreichischen EU-Kommissarin benötigt die Regierung demnach ebenso die ausdrückliche Zustimmung des Hauptausschusses wie für die Nominierung der österreichischen Vertreter:innen im Europäischen Gerichtshof (EuGH), im Europäischen Rechnungshof, im Verwaltungsrat der Europäischen Investitionsbank und im Europäischen Gericht erster Instanz.

In weiteren Beiträgen wird sich die Parlamentskorrespondenz u.a. mit der Mitwirkung der Bundesländer an der EU-Gesetzgebung und den europäischen Fiskalregeln befassen. Außerdem ist in Zusammenhang mit der Arbeit der EU-Ausschüsse ein Blick hinter die Kulissen geplant. Bereits erschienen sind eine Rückschau auf die intensiven parlamentarischen Verhandlungen über den EU-Beitrittsvertrag und das EU-Beitritts-BVG sowie ein Beitrag über die Verankerung der EU-Mitwirkungsrechte des Parlaments in der Verfassung. (Schluss) gs

HINWEIS: Das Parlament beleuchtet 2025 drei Meilensteine der Demokratiegeschichte. Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg, vor 70 Jahren wurde der Staatsvertrag unterzeichnet und vor 30 Jahren trat Österreich der EU bei. Mehr Informationen zum Jahresschwerpunkt 2025 finden Sie unter www.parlament.gv.at/kriegsende-staatsvertrag-eu-beitritt .

Fotos von Sitzungen der EU-Ausschüsse und von Plenardebatten mit EU-Spitzenpolitiker:innen finden Sie im Webportal des Parlaments.


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