- 16.09.2024, 09:15:17
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„Von der Schule zur Hochschule“
Handlungsempfehlungen zum Weg von Schnittstelle zu Nahtstelle. Positionspapier der Österreichischen Forschungsgemeinschaft
Universitäten beklagen, dass ein Teil der Studienanfänger:innen nicht über ausreichendes Vorwissen und Kompetenzen für viele Studienrichtungen verfügen. Das zuständige Ministerium kritisiert die lange Dauer von Studien, hohe Drop-out-Raten und geringe Studienaktivitäten. Es verhängt Geldeinbußen, falls die Universitäten diese Probleme nicht reduzieren. Dass auch die Studierenden mit dieser Situation unzufrieden sind, versteht sich von selbst. Denn die erfolgreich abgelegte (teilstandardisierte) Matura ist kein Garant für einen erfolgreichen Start ins Studium. Der Übergang von der Schule zur Hochschule ist somit eher eine Schnittstelle als eine Nahtstelle. Mit Blick auf die zentrale Bedeutung von (höherer) Bildung nicht nur für das einzelne Individuum, sondern auch für die Zukunft unserer gesamten Gesellschaft, ist diese Situation höchst unbefriedigend.
Vor diesem Hintergrund hat die Österreichische Forschungsgemeinschaft (ÖFG) ein Positionspapier zum Übergang von der Schule zur Hochschule erstellt. Das Positionspapier enthält Handlungsempfehlungen, die sich an die beteiligten Institutionen und Akteure inklusive Politik und Verwaltung richten.
Handlungsempfehlungen für alle beteiligten Akteure und Institutionen
- Den Übergang von der Schule zur Hochschule als wichtige Weichenstellung anerkennen, mögliche Benachteiligungen reflektieren und Mitverantwortung für einen erfolgreichen Übergang sowie die Beseitigung von Benachteiligungen übernehmen.
- Einen systematischen Austausch zwischen Schule und Hochschule (z.B. durch gemeinsame Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen, Kooperationen bei Projekten), Schüler:innen und Studierenden (z.B. mittels Mentoring) etablieren. Dadurch kann das wechselseitige Verständnis gefördert, Ressentiments abgebaut und realistischere Erwartungshaltungen entwickelt werden.
- In den Schulen erworbene und an den Hochschulen erwartete Kompetenzen abgleichen und abstimmen. Zumindest in einigen Bereichen (z.B. Mathematik, Digitalisierung) besteht ein Mismatch, das zu Unsicherheit und Unzufriedenheit auf beiden Seiten sowohl auf individueller als auch institutioneller Ebene führt.
- Gemeinsam reflektieren, welche Kompetenzen in welchem Ausmaß und wann in dem Zeitalter von Artifical Intelligence unter Berücksichtigung zukünftiger Anforderungen erworben werden sollten und die Curricula entsprechend ausrichten.
Handlungsempfehlungen mit Fokus Schule
- Flächendeckende und qualitätsvolle Beratung für Schüler:innen an Schulen zu Bildungs- und Berufsorientierung etablieren.
Eine derartige Beratung ist für alle Schulen vorgesehen, erfolgt jedoch nach Auskünften der Maturant:innen nicht flächendeckend und teilweise unzureichend und oberflächlich (häufige Studienwechsel können die Folge sein). Wichtig wäre es daher, sie qualitätsgesichert weiterzuentwickeln, d.h. bereits in der Sekundarstufe I zu beginnen und Bildungs- und Berufswahlprozesse in der Sekundarstufe II mit Fokus auf die Interessen der Schüler:innen professionell zu begleiten und für die Lehrpersonen entsprechende Weiterbildungen anzubieten.
- Elternberatungsgespräche bereits vor dem Übergang von der Sekundarstufe I zur Sekundarstufe II führen.
Dabei sollten unter Berücksichtigung der Kompetenzen und Potentiale der Schüler:innen auch Möglichkeiten und Chancen der Berufsbildung aufgezeigt werden mit dem Ziel reflektierte Bildungsentscheidungen zu ermöglichen und spätere Frustrationen zu vermeiden.
- Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Schüler:innen fördern und einfordern.
Mit zunehmendem Alter sollten die Schüler:innen Verantwortung für ihr Lernen und ihre Bildungskarriere übernehmen. Dadurch können sie Kompetenzen für die allgemeine Studierfähigkeit erwerben und ihre Interessen in Richtung Studienwahl vertiefen.
Handlungsempfehlungen mit Fokus Hochschule
- Unterstützung der Studieninteressierten bei der Entscheidungsfindung und dem Ankommen an der Hochschule als wichtige Aufgabe und Verpflichtung ansehen und umsetzen.
In Ergänzung zu den bereits etablieren Studienberatungen sollten vermehrt Self-Assessments zum Einsatz kommen mit darauf aufbauenden Empfehlungen für Studienrichtungen bzw. Fächergruppen. Die Unterstützungsangebote während der Einführungsphase sollten ausgebaut und ergänzt werden (z.B. durch Peer-Mentoring).
- Berücksichtigung der sozialen Dimension flächendeckend realisieren.
Die soziale Dimension und die Thematik First Generation Students sollte flächendeckend und systematisch aufgegriffen und adäquate Maßnahmen gesetzt werden (siehe internationale Vorbilder).
- Den Übergang von der Schule zur Hochschule als Forschungsthema explizit aufgreifen.
Handlungsempfehlungen mit Fokus auf Bildungspolitik und Bildungsverwaltung
Den Institutionen bei der Gestaltung und Weiterentwicklung des Übergangs von der Schule zur Hochschule einen Rahmen und Reflexionsraum geben, Maßnahmen zur Unterstützung setzen und nicht mit Bestrafung agieren.
Prozess-, Interventions- und Implementationsforschung zum Übergang von der Schule zur Hochschule gezielt fördern und finanzieren.
Dabei sollten alle drei Ebenen (Mikro = Studieninteressierte, Meso = Institutionen, Makro = Politik und Verwaltung) in den Blick genommen werden.
Bildungspolitische Verortung der Empfehlungen
Eine sachorientierte und nachhaltige Bildungspolitik - losgelöst von parteipolitischen Diskussionen und tagespolitischen Schauplätzen - wäre für eine konsequente Qualitätssicherung im Bildungssystem generell nötig und würde dabei helfen, Ungerechtigkeiten im Bildungssystem, die speziell bei Übergängen im Verlauf der gesamten Bildungskarriere zum Tragen kommen, systematisch und nachhaltig zu beseitigen und die notwendige Durchlässigkeit zu ermöglichen. Um dies zu erreichen, braucht es eine langfristige strategische Perspektive unter der Einbindung aller relevanten Akteure und eine profunde (Wirkungs-)Analyse der systemischen trade-offs von vorgeschlagenen Maßnahmen. Dabei sollte auch die Balance zwischen der Offenheit eines Bildungssystems und der Klarheit hinsichtlich der Profile und damit auch der Klarheit an den Übergängen und Nahtstellen reflektiert werden.
Das Positionspapier basiert auf einem Workshop der Österreichischen Forschungsgemeinschaft (Informationen dazu sowie die Präsentationen sind unter Von der Schule zur Hochschule: Von Schnittstelle zu Nahtstelle (oefg.at) zu finden). Das Positionspapier wurde von den Organisator:innen des Workshops, Christiane Spiel, Harald Kainz und Heinrich Schmidinger unter Mitarbeit der Referent:innen erstellt.
Rückfragen & Kontakt
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Katharina Koch-Trappel, MSc.
Generalsekretärin
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Telefon: +43 1 3195770-11
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