• 14.06.2024, 12:21:06
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Bierlein-Requiem: Schönborn ruft zu "Pakt der Mitmenschlichkeit" auf

Trauergottesdienst im Stephansdom für Österreichs erste Bundeskanzlerin - Kardinal Schönborn in Predigt: Über Brigitte Bierlein zu sprechen heißt, "über Recht, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit zu sprechen"

Utl.: Trauergottesdienst im Stephansdom für Österreichs erste
Bundeskanzlerin - Kardinal Schönborn in Predigt: Über Brigitte
Bierlein zu sprechen heißt, "über Recht, Gerechtigkeit und
Rechtsstaatlichkeit zu sprechen" =

Wien (KAP) - Zu einem "Pakt der Mitmenschlichkeit" für Österreich hat
Kardinal Christoph Schönborn aufgerufen. Der Wiener Erzbischof
leitete am Freitag im Wiener Stephansdom das Requiem für Brigitte
Bierlein, Österreichs erste Bundeskanzlerin, die am 3. Juni kurz vor
ihrem 75. Geburtstag verstorbenen ist.

In seiner Predigt würdigte Schönborn einmal mehr die Verdienste
Bierleins um Österreich. Über Brigitte Bierlein zu sprechen heiße,
"über Recht, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit zu sprechen". Sie
habe in herausragender Weise diese Worte verkörpert und
vergegenwärtigt, so der Kardinal. Ihr Dienst für und an Österreich
möge Vorbildcharakter für das politische Miteinander haben, so
Schönborn, auch in Anspielung auf den anstehenden Wahlkampf.

Der Kardinal sagte in seiner Predigt wörtlich: "Heute ist in gewisser
Weise Österreich um den Sarg seiner ersten Bundeskanzlerin
versammelt. Wäre es nicht der richtige Moment, dass wir alle von
hier, von diesem Dom, der doch in gewisser Weise das Herz unseres
Landes ist, mit dem festen Entschluss weggehen, in den kommenden
Monate bis zur Wahl und natürlich darüber hinaus, im Gedenken an
unserer eigenen Vorläufigkeit und Vergänglichkeit einander mit
Respekt und Achtung zu begegnen, auf Hasspostings, auf das
verächtlich Machen der anderen zu verzichten, kurz, einen Pakt der
Mitmenschlichkeit zu schließen?"

Brigitte Bierlein habe vorgelebt, "dass klare Positionen, eine
aufrechte Haltung, eine deutliche Sprache mit Wertschätzung anderer
Sichtweisen vereinbar ist".

Neben Kardinal Schönborn konzelebrierten u.a. der Salzburger
Erzbischof und Vorsitzende der Bischofskonferenz, Franz Lackner, und
der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler sowie die Mitglieder des
Wiener Domkapitels, darunter Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter
Schipka, Domkustos Michael Landau und Dompfarrer Toni Faber. Auch der
Apostolische Nuntius in Österreich, Erzbischof Pedro Lopez Quintana,
nahm am Requiem teil. Die Ökumene war an erster Stelle vom
armenisch-apostolischen Bischof und Vorsitzenden des Ökumenischen
Rates der Kirchen in Österreich, Tiran Petrosyan, vertreten. Weiters
waren etwa auch der evangelische Bischof Michael Chalupka, der
methodistische Superintendent Stefan Schröckenfuchs und der
rumänisch-orthodoxe Bischofsvikar Nicolae Dura gekommen.

Das offizielle Österreich wurde an erster Stelle von Bundespräsident
Alexander Van der Bellen und Gattin Doris Schmidauer, Bundeskanzler
Karl Nehammer und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka vertreten.
Gekommen war weiters Vizekanzler Werner Kogler, und zahlreiche
Ministerinnen und Minister, unter ihnen Susanne Raab, Alma Zadic,
Karoline Edtstadler, Leonore Gewessler, Norbert Toschnig, Johannes
Rauch, Alexander Schallenberg und auch Staatssekretärin Andrea Mayer
sowie Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und der
Wiener Bürgermeister Michael Ludwig. Auch Altbundespräsident Heinz
Fischer mit Gattin, die früheren Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und
Christian Kern, wie auch die frühere steirische Landeshauptfrau
Waltraud Klasnic erwiesen Brigitte Bierlein die letzte Ehre. Die
Justiz wurde an erster Stelle von Verfassungsgerichtshofpräsident
Christoph Grabenwarter vertreten.

"Politik ist immer ein Feld des Vorläufigen"

Statt Gerechtigkeit herrsche in der Welt immer wieder Unrecht,
Gewalt, Korruption und Machtmissbrauch, so Kardinal Schönborn weiter
in seiner Predigt. Doch die Sehnsucht nach Gerechtigkeit sei das
starke Zeugnis dafür, "dass in jedem Menschen der Sinn für und die
Sehnsucht nach Gerechtigkeit vorhanden ist und wohl nie ganz verloren
gehen kann", so der Kardinal.

Diesem Sinn für Gerechtigkeit habe Bierlein in den verschiedenen
Positionen ihrer beeindruckenden Laufbahn gedient, als
Staatsanwältin, im Verfassungsgerichtshof und schließlich in
Regierungsverantwortung. Schönborn: "Sie hat alle diese Tätigkeiten
als Dienst verstanden. Nur so kann man dem Recht gerecht werden."

Freilich: Alle irdischen Bemühungen um Gerechtigkeit seien immer nur
vorläufig und nie perfekt. "Die Politik ist immer ein Feld des
Vorläufigen. Das Wissen um die Vorläufigkeit alles Irdischen ist eine
Voraussetzung für gegenseitigen Respekt, Toleranz und die Fähigkeit,
verschiedene Sichtweisen nicht als Bedrohung, sondern als Ergänzung
zu sehen."

Das Christentum habe von Anfang an Gehorsam und Respekt vor den
weltlichen Autoritäten gelehrt, führte Schönborn in seiner Predigt
weiter aus. Das Christentum habe zugleich aber immer auch gelehrt,
dass man Gott mehr gehorchen muss als den Menschen. Franz
Jägerstätter und viele andere hätten gezeigt, "dass das Gewissen über
dem Staat steht". Keine staatliche Macht könne den Anspruch des
absoluten Gehorsams stellen. In dieser Spannung stehe die Demokratie.
Der demokratische Rechtsstaat lebe von Voraussetzungen, die er sich
selbst nicht geben könne, so Schönborn: "Der Staat genügt sich nicht
selbst. Er bedarf des Unbedingten, das nicht demokratisch entschieden
wird, sondern vorausgesetzt werden muss." Und dies sei die unbedingte
Würde jedes Menschen.

Der Trauergottesdienst wurde musikalisch von der Wiener Dommusik mit
dem Requiem in d-Moll von Wolfgang Amadeus Mozart gestaltet. Am Ende
der Trauerfeier waren Ansprachen von Bundespräsident Alexander Van
der Bellen, Bundeskanzler Karl Nehammer und
Verfassungsgerichtshofpräsident Christoph Grabenwarter geplant.

Ehrengrab am Zentralfriedhof

Das "staatliche Begräbnis mit militärischen Elementen" hat bereits um
6.45 Uhr begonnen, als die sterbliche Hülle begleitet von Dompfarrer
Toni Faber in die Kathedrale gebracht und aufgebahrt wurde. Das
Sargspalier ist laut Bundeskanzleramt paritätisch besetzt durch
Vertreterinnen und Vertreter zivilgesellschaftlicher und staatlicher
Organisationen, die das Leben von Bierlein geprägt haben: das
Gymnasium in der Kundmanngasse, das Juridicum der Universität Wien,
der Verfassungsgerichtshof, das Bundeskanzleramt, die Bundestheater
Holding und die Frauen Initiative LEA - Let's Empower Austria sowie
das Bundesheer und die Polizei.

Beigesetzt wird Brigitte Bierlein am Freitagnachmittag in einem
Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof. Der Trauerkondukt beginnt
um 14.45 Uhr. Die Beisetzungsfeier leitet der Pfarrer von Wien-Ober
St. Veit, Stefan Reuffurth, der Bierlein bis zuletzt geistlich
begleitet hatte.

((forts. mgl.)) GPU/GUT
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