Nach Auffassung des Senats 1 verstößt der Artikel „Armin Wolf: ‚Dies ist definitiv das Ende seiner Karriere‘“, erschienen am 11.08.2023 auf „oe24.at“, gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex für die österreichische Presse (Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten).
Im Vorspann zu dem Beitrag heißt es, dass „Radio Mukteshwo“ das angebliche Karriere-Ende von Armin Wolf angekündigt habe und was wirklich dahinterstecke. Der Zusatz zur Überschrift lautet zudem wie folgt: „‘Radio‘ verbreitet angeblichen ORF-Hammer“.
„Er wusste nicht, dass es live war! Dies ist definitiv das Ende seiner Karriere!“, hätten die reißerischen Zeilen gelautet, die Facebook-Nutzer dazu verleiten sollten, auf den Link zu klicken. Doch dahinter stecke eine Betrugsmasche – aufgebaut auf einer frei erfundenen Geschichte.
Weiters heißt es, dass Internetbetrüger häufig prominente Persönlichkeiten gepaart mit reißerischen Schlagzeilen über angebliche Anschuldigungen, Festnahmen oder Ähnliches verwenden würden, um Menschen zu betrügen. Dem Artikel war auch ein Facebook-Screennshot von „Radio Mukteshwo“ beigefügt, auf dem ein Foto von Armin Wolf veröffentlicht wurde mit dem oben erwähnten Zitat.
Der Senat hat aus eigener Initiative ein Verfahren eingeleitet. Die Medieninhaberin von „oe24.at“ nahm daran teil. In einer schriftlichen Stellungnahme brachte ihr Rechtsanwalt u.a. vor, dass Überschriften von Artikeln nicht isoliert zu betrachten seien. Allerdings ergebe sich bereits aus dem Zusatz zur Überschrift, dass die von „Radio Mukteshwo“ verbreiteten Inhalte nicht der Wahrheit entsprechen würden. Darüber hinaus seien die im Artikel geschilderten Vorfälle wahr bzw. habe „Radio Mukteshwo“ ein entsprechendes Posting über Armin Wolf tatsächlich auf Facebook veröffentlicht, so der Rechtsanwalt.
Der Senat weist zunächst darauf hin, dass das Thema „Cyberkriminalität“ von Interesse für die Allgemeinheit ist (vgl. Punkt 10.1 des Ehrenkodex für die österreichische Presse). Es ist zudem die Aufgabe der Medien, etwaige Strategien und Techniken von Internetbetrügerinnen und -betrügern aufzuzeigen; hierdurch können auch andere potentielle Opfer davon abgehalten werden, auf ähnliche Betrugsmaschen hereinzufallen.
Dennoch bewertet der Senat im vorliegenden Fall die Schlagzeile als medienethisch problematisch: Durch das unter Anführungszeichen gesetzte Zitat („Dies ist definitiv das Ende seiner Karriere“) entsteht der Eindruck, ein Vorfall habe dazu geführt, dass das Ende von Armin Wolfs Karriere als Fernsehmoderator bevorstehe. Erst später wird im Artikel darüber aufgeklärt, dass das angebliche Zitat auf einer frei erfundenen Geschichte basiere bzw. es sich dabei um eine Betrugsmasche im Internet handle. Der Senat erkennt in der Formulierung der Schlagzeile somit eine Irreführung der Leserinnen und Leser.
Zwar stimmt der Senat mit dem Rechtsanwalt darin überein, dass Überschriften nicht isoliert zu betrachten bzw. Verkürzungen in Schlagzeilen durchaus zulässig sind, sofern über die genauen Umstände im dazugehörigen Artikel aufgeklärt wird (siehe bereits u.a. die Fälle 2012/22, 2014/108 und 2017/145). Aus medienethischer Sicht ist jedoch dort eine Grenze zu ziehen, wo die Überschrift – wie im vorliegenden Fall – falsche Vorstellungen von der Realität wecken soll (vgl. dazu etwa die Entscheidungen 2015/173, 2018/289, 2019/245 und 2022/393). Entgegen den Ausführungen des Rechtsanwalts geht auch weder aus dem Zusatz zur Überschrift noch aus dem Vorspann zum Artikel präzise hervor, dass es sich bei dem Zitat um eine Betrugsmeldung gehandelt hat; vielmehr wird suggeriert, dass ein Radiosender über ein mögliches Karriereende des ZIB2-Moderators berichtet hätte.
Nach Ansicht des Senats wurde die missverständliche Überschrift offenbar bewusst dazu eingesetzt, um in den sozialen Medien die Zugriffszahlen zu dem Artikel zu steigern („Clickbaiting“; siehe in dem Zusammenhang zuletzt die Stellungnahme 2023/S002-II). Letztendlich geht das Medium damit ähnlich vor wie die dann im Artikel erwähnten Betrüger – die Userinnen und User sollen mittels irreführender Schlagzeile zum Aufruf des Links bzw. Artikels verleitet werden. Der Senat sieht darin einen Verstoß gegen die journalistische Pflicht, Informationen gewissenhaft und korrekt wiederzugeben. Die Aufklärung über den wahren Sachverhalt im Artikel selbst hält der Senat für unzureichend. Jene Userinnen und User, die bloß die Überschrift des Artikels lesen, werden fälschlicherweise davon ausgehen, dass Armin Wolfs Karriere beendet ist.
Abschließend merkt der Senat auch noch kritisch an, dass der vorliegende Artikel nach wie vor unverändert abrufbar ist; im Sinne der vorliegenden Entscheidung empfiehlt er zumindest eine Anpassung der Überschrift (vgl. Punkt 2.4 des Ehrenkodex).
Der Senat stellt den Verstoß gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex fest und fordert die „oe24 GmbH“ auf, die Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen oder bekanntzugeben.
SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUS EIGENER WAHRNEHMUNG
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
Im vorliegenden Fall führte der Senat 1 des Presserats auf eigene Initiative ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aus eigener Wahrnehmung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob ein Artikel oder ein journalistisches Verhalten den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin von „oe24.at“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, Gebrauch gemacht. Die Medieninhaberin von „oe24.at“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats anerkannt.
Rückfragen & Kontakt
Tessa Prager, Sprecherin des Senats 1, Tel.: +43 - 1 - 23 699 84 - 11
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