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TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: "Tabubruch in Südtirol", von Peter Nindler

Ausgabe vom Dienstag, 9. Jänner 2024

Innsbruck (OTS) - 

Volkstumspolitisch ist eine Landesregierung mit den Postfaschisten in Südtirol eine Gratwanderung, eine Fünfer-Koalition ein Wagnis. Landeshauptmann Arno Kompatscher geht in seine letzte, aber deshalb wohl schwierigste Amtszeit.

   Inhaltlich steht der Koalitionspakt in Südtirol zwischen der Volkspartei (SVP), den postfaschistischen Fratelli, der rechten Lega, der Bürgerliste La Civica und den Freiheitlichen. Es ist jedoch ein Tabubruch, ein Bündnis mit Postfaschisten im Gegensatz zur bisherigen Regierung mit der Lega mehr als eine Zweckgemeinschaft. Denn im Faschismus sollte Südtirol nur noch italienisch sein, die Unterdrückung war totalitärer Alltag. 
   Die bei den Landtagswahlen im Oktober deutlich geschwächte Südtiroler Volkspartei hatte aber kaum Alternativen für die Regierungsbildung. Das Koalitionsprogramm selbst birgt keine Überraschungen oder Ausreißer. Die Präambel mit dem Bekenntnis zur Autonomie und zu Europa, zu Integration sowie der Absage an jede Form des Totalitarismus, Radikalismus bzw. Faschismus und Nationalsozialismus soll darüber hinaus die Mitte in der Koalition mit der extremen Rechten hervorstreichen. Doch das Unbehagen bleibt. Auch wie das mit fünf Parteien in der Landesregierung funktionieren kann.
   Landeshauptmann Arno Kompatscher steht in seiner dritten und letzten Amtszeit jedenfalls gehörig unter Druck: Zum einen macht es einen Unterschied, mit den Postfaschisten unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in Rom zusammenzuarbeiten oder mit ihnen in Südtirol zu regieren. Vor allem volkstumspolitisch. Außerdem benötigt die SVP, die stets ihren Alleinvertretungsanspruch für die deutsche Minderheit in Italien hervorstreicht, erstmals mit den Freiheitlichen einen deutschsprachigen Partner. 
   Letztlich muss Kompatscher auf die Geschlossenheit in den eigenen Reihen vertrauen, damit das in der Fünfer-Koalition überhaupt gelingt. Doch die SVP hat die Wahlschlappe noch nicht verdaut, Obmann Philipp Achammer wackelt. Zumindest ist es  dem liberalen Landeshauptmann zuzutrauen, den politischen Spagat gesichtswahrend nach innen und nach außen zu schaffen. Dass die Koalition auf den letzten Metern noch an personellen Fragen scheitert, ist nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. Neuwahlen wären ein Risiko. Und Kompatscher  müsste sich dann rechtfertigen, warum er keine Regierung zustande gebracht hat. 

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