• 20.12.2023, 22:00:32
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Tiroler Tageszeitung, Leitartikel vom 21. Dezember 2023. Von Gabriele Starck: "Asyl-Einigung nur symbolischer Akt".

Innsbruck (OTS) - 

Das jahrelange und großteils unwürdige Ringen um eine Asyl-Reform hat die EU in ihrer Außenwirkung geschwächt. Die nun erzielte Einigung soll das Bild zurechtrücken. Eine Lösung der Probleme ist sie aber nicht. 

Es darf applaudiert werden. Die EU-Staaten und das Europaparlament haben sich auf eine Asyl-Reform geeinigt. Angesichts des jahrelangen Ringens muss das als Erfolg gewertet werden. Damit hat es sich aber auch schon.
Die Neuregelung ist mehr als überfällig. Dass das Dublin-Verfahren, wonach Asylwerber dort zu registrieren sind, wo sie in die EU einreisen, nicht funktioniert, wurde spätestens 2015 klar, als mehr als eine Million Menschen nach und durch Europa zogen. Schon aus Solidarität mit den überforderten Staaten an den EU-Außengrenzen hätte diese Regelung sofort geändert gehört, faktisch war sie ohnehin tot. 
Eine Reform allerdings scheiterte an fehlender Solidarität innerhalb der EU. So schob man Verantwortlichkeit hin und her, nicht aber Asylwerber ohne Flüchtlingsstatus ab. Denn das erwies sich wegen der unterschiedlichen Asylgesetze und ohne das Wohlwollen von Drittstaaten als fast unmöglich. 
Statt daran zu arbeiten, ließ man sich von den Rechten treiben, die Angst schürten, aufwiegelten und so Wähler fischten. Unter dem Druck zum Teil antidemokratischer Kräfte verschärften die Staaten nach und nach die Gesetze, um es Migranten möglichst schwer zu machen, hier Fuß zu fassen. Das aktuellste Beispiel dafür ist Frankreich, wo Dienstag­abend ein äußerst restriktives Einwanderungsgesetz beschlossen wurde.
Den unregulierten Zuzug nach Europa unterbinden zu wollen, ist legitim. Es ist grundsätzlich auch nachvollziehbar, Menschen mit wenig Aussicht auf den Flüchtlingsstatus in Camps an den Außengrenzen ihr Asylverfahren abwarten zu lassen. Allerdings nur unter Einhaltung aller menschenrechtlichen Standards. Und das ist utopisch. 
Unrealistisch ist auch, dass Italien, Spanien oder Griechenland diese Auffanglager errichten wollen und werden. Oder dass die innereuropäische Solidarität wächst, nur weil es einen neu formulierten Mechanismus gibt, der für eine gerechte Verteilung der Schutzsuchenden bzw. Kosten sorgen soll. Vor allem aber ist die am Mittwoch verkündete Einigung keine Lösung, sondern nur ein symbolischer Akt. 
Die Asyl-Reform wird Menschen nicht davon abhalten, ihr Glück in Europa suchen zu wollen. Sie wird auch nicht davor abschrecken, den lebensgefährlichen Weg auf sich zu nehmen. Wer es trotz der Not in der Heimat, des Wegs durch die Wüste und/oder übers Meer und der Qualen unterwegs bis zum Auffanglager geschafft hat, wird auch davor nicht zurückschrecken. 
Die EU wird Lösungen in jenen Ländern suchen müssen, aus denen die Menschen fliehen. Stattdessen hat sie mit interner Uneinigkeit ihren Einfluss in der Welt immer weiter geschwächt.

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