• 14.12.2023, 20:27:30
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Nationalrat: Geschäftsordnungsausschuss macht Weg für beide U-Ausschüsse frei

SPÖ und FPÖ wollen COFAG auf den Zahn fühlen, ÖVP-Abgeordnete etwaigen "rot-blauen Machtmissbrauch" untersuchen

Wien (PK) - 

Der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats hat heute sowohl für den von SPÖ und FPÖ verlangten COFAG-Untersuchungsausschuss als auch für den von der ÖVP initiierten Rot-Blauen Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss grünes Licht gegeben. Die Abgeordneten machten gegen die Untersuchungsgegenstände trotz teilweiser Vorbehalte der SPÖ letztlich keine Einwände geltend und fassten - zum einen einstimmig, zum anderen gegen die Stimmen der NEOS - entsprechende Beweisbeschlüsse. Damit können beide U-Ausschüsse bereits morgen formell starten. Einen Beschluss des Nationalrats braucht es dazu nicht, es reicht, dass die jeweiligen Berichte des Geschäftsordnungsausschusses vom Plenum in Verhandlung genommen werden. Sie werden aller Voraussicht nach als Punkt 25 und 26 auf die Tagesordnung der morgigen Nationalratssitzung kommen.

Auch auf den Arbeitsplan für die beiden U-Ausschüsse haben sich die Fraktionen bereits weitgehend verständigt. Demnach sollen sich die Ausschüsse am 11. Jänner 2024 konstituieren und formale Fragen klären. Als Befragungstage sind für den COFAG-Untersuchungsausschuss der 6. und 7. März sowie der 3., 4., 24. und 25. April in Aussicht genommen. Dazu kommt ein Reservetag am 25. Mai. Der Rot-Blaue Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss wird voraussichtlich am 13. und 14. März, am 10. und 11. April sowie am 7. und 8. Mai Auskunftspersonen befragen. Auch für ihn gibt es mit 23. Mai einen Reservetag. Pro Tag sind höchstens vier Befragungen - aufgeteilt auf zwei Befragungsblöcke - möglich. Am 1. Juli ist die Vorlage der Endberichte geplant.

Großteil der Beschlüsse einstimmig

Die meisten Beschlüsse im Geschäftsordnungsausschuss fielen einstimmig, wobei sowohl SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer als auch ÖVP-Abgeordneter Andreas Hanger ausdrücklich die konstruktiven Gespräche im Vorfeld der Ausschusssitzung hervorhoben.

In zwei Punkten gab es allerdings Unstimmigkeiten. So wollten SPÖ und FPÖ auch die ÖBAG, die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) samt ihrer ARE-Töchter, die Bundesbeschaffungs GmbH (BBG) und die ABBAG zur Lieferung von Akten und Unterlagen an den COFAG-Untersuchungsausschuss verpflichten. Diese ausgegliederten Einrichtungen seien wesentlich für die Abarbeitung des Untersuchungsgegenstands, schließlich habe es eine Reihe von Geschäften von René Benko mit der BIG und der ARE gegeben, betonte Kai-Jan Krainer.

FPÖ und SPÖ konnten für einen entsprechenden Antrag aber nur die NEOS gewinnen und blieben damit bei der Abstimmung in der Minderheit. In Folge lehnte NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak den von ÖVP und Grünen eingebrachten grundsätzlichen Beweisbeschluss zum COFAG-Untersuchungsausschuss ab. Konsens gab es hingegen darüber, auch den Insolvenzverwalter der Signa Holding, das Handelsgericht Wien und einzelne Bezirksgerichte, in deren Sprengel die Signa Holding und ihre Tochterunternehmen Tätigkeiten entfaltet haben, in die Aktenvorlagepflicht miteinzubeziehen.

SPÖ hält ÖVP-U-Ausschuss-Verlangen für unzulässig

Zum zweiten brachte die SPÖ einen Antrag ein, der darauf abzielte, das von der ÖVP vorgelegte Verlangen auf Einsetzung eines Rot-Blauen Machtmissbrauch-Untersuchungsausschusses zur Gänze als unzulässig zu erklären. Es gebe ernstzunehmende Zweifel daran, dass das Verlangen verfassungskonform sei, sagte Abgeordnete Eva-Maria Holzleitner im Ausschuss.

Beigefügt war dem Antrag eine fünfseitige Begründung, in der die SPÖ unter anderem geltend macht, dass die Vorgänge, die die ÖVP durchleuchten will, in keinem nachvollziehbaren inhaltlichen Zusammenhang stehen. Die verschiedenen Themenbereiche des Ausschusses seien lediglich dadurch verbunden, dass sie gemeinsam untersucht werden sollen. Das genügt der SPÖ zufolge den Vorgaben der Verfassung, wonach der Untersuchungsgegenstand "ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes" zu sein hat, nicht annähernd. Untersucht werden solle nicht ein bestimmter Vorgang, sondern eine Vielzahl von Vorgängen, die sich teilweise nicht einmal im Bereich der Vollziehung des Bundes befinden, heißt es in der Begründung. Auch eine ausreichende Bestimmtheit des Untersuchungsgegenstands vermisst die SPÖ, es gebe viele mehrdeutige Formulierungen, die unterschiedlich ausgelegt werden könnten. Schließlich fehlt ihrer Meinung nach die vom Verfassungsgerichtshof geforderte nachvollziehbare Begründung.

Der Antrag der SPÖ wurde allerdings nur von der FPÖ mitunterstützt und der grundsätzliche Beweisbeschluss zum Rot-Blauen Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss schließlich auf Basis eines Fünf-Parteien-Antrags einstimmig gefasst. Verfahrensrichterin in beiden U-Ausschüssen wird die OLG-Richterin Christa Edwards.

COFAG-Untersuchungsausschuss soll etwaige Bevorzugung von "Milliardären" prüfen

Mit dem COFAG-Untersuchungsausschuss (6/US) wollen SPÖ und FPÖ insbesondere prüfen, ob große Konzerne bzw. "Milliardäre", die Spenden an die ÖVP geleistet haben oder um deren Unterstützung die Volkspartei - etwa im Zuge des "Projekt Ballhausplatz" - geworben hat, vom Staat bevorzugt behandelt wurden. Dabei geht es um Förderungen, Steuernachlässe, beschleunigte Verfahren oder Informationsweitergaben ebenso wie um Aufsichtsratsposten und Auftragsvergaben. Außerdem soll geprüft werden, wie es zur Einrichtung der COFAG gekommen ist und wer für die Ausgestaltung der COFAG-Förderungen maßgeblich verantwortlich war. Auch etwaigen Interventionen in Zusammenhang mit Aufsichts- bzw. Strafverfahren sowie möglichen Schmiergeldflüssen soll nachgegangen werden. Der zu untersuchende Zeitraum erstreckt sich laut Verlangen vom 18. Dezember 2017 bis 23. November 2023.

Begründet wird das U-Ausschuss-Verlangen mit Zweifeln daran, dass der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung aller Staatsbürger:innen in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand Rechnung getragen wurde. So wird etwa auf "exklusive Tipps" für den Unternehmer René Benko und die Gewährung von Millionenförderungen verwiesen. Zudem halten es die beiden Initiatoren des Untersuchungsausschusses Kai Jan Krainer (SPÖ) und Christian Hafenecker (FPÖ) grundsätzlich für notwendig, Licht in die "Blackbox" COFAG zu bringen, die aus ihrer Sicht bewusst als solche konstruiert wurde und sich für eine Gruppe von Personen "als wahre Goldgrube" erwiesen habe. In diesem Zusammenhang wird auch auf Kritik des Rechnungshofs und auf das VfGH-Erkenntnis zur COFAG verwiesen. Die Aufklärung duldet nach Meinung von SPÖ und FPÖ jedenfalls keinen Aufschub, kaum etwas sei für die Demokratie gefährlicher als der Eindruck, "einige Wenige könnten es sich auf Kosten der Vielen richten", heißt es wörtlich im U-Ausschuss-Verlangen.

Auch Insolvenzverwalter der Signa Holding muss Akten liefern

Zu den Stellen, die dem Untersuchungsausschuss Akten und Unterlagen vorzulegen haben, gehören neben den Regierungsmitgliedern und der COFAG auch der Rechnungshof, die Oesterreichische Nationalbank, die Finanzmarktaufsicht, die Finanzprokuratur, der Dachverband der Sozialversicherungsträger, die Österreichische Gesundheitskasse, die Wirtschaftskammer, das Bundesverwaltungsgericht, das Bundesfinanzgericht, der Österreichische Integrationsfonds, der Österreichische Fonds zur Stärkung und Förderung von Frauen und Mädchen, das Umweltbundesamt, die Bundeswettbewerbsbehörde, der Nationalratspräsident, der Oberste Gerichtshof (OGH) und die Landesgerichte.

Darüber hinaus sind im Beweisbeschluss explizit auch der Insolvenzverwalter der Signa Holding sowie das Handelsgericht Wien, die Wiener Bezirksgerichte Innere Stadt und Josefstadt und das Bezirksgericht Innsbruck genannt, da sich in deren Sprengel Tätigkeiten der Signa Holding und ihrer Tochterunternehmen entfaltet haben, wie in der Begründung festgehalten wird. Beispielhaft werden in diesem Zusammenhang etwa im Firmenbuch vorzunehmende Einträge und Urkunden genannt.

Nicht durchsetzen konnten sich SPÖ und FPÖ mit ihrer Forderung, auch die ÖBAG, die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), die ARE Austrian Real Estate GmbH, die ARE Austrian Real Estate Development GmbH, die Bundesbeschaffungsagentur und die Abbaumanagementgesellschaft des Bundes (ABBAG) zu Aktenlieferungen zu verpflichten.

Achtwöchige Frist für Aktenlieferungen

Die Übermittlung der angeforderten Akten und Unterlagen hat laut grundsätzlichem Beweisbeschluss innerhalb von acht Wochen bzw. spätestens bis zum 9. Februar zu erfolgen und zwar in elektronischer Form, versehen mit einem Inhaltsverzeichnis und wenn möglich geordnet nach den jeweiligen Beweisthemen. Vertrauliche und geheime Akten dürfen allerdings ausschließlich in Papierform vorgelegt werden.

Unter dem Begriff "Akten und Unterlagen" sind nicht nur Akten in formellem Sinn zu verstehen, sondern auch andere einschlägige Dokumente, Berichte und Korrespondenzen aller Art inklusive E-Mails, Terminkalender, Weisungen, Sprechzettel und Sitzungsprotokolle. Außerdem wird im Beweisbeschluss ausdrücklich auf die Rechtsprechung des VfGH verwiesen, wonach auch Akten und Unterlagen umfasst sind, die "abstrakt für die Untersuchung von Relevanz sein könnten".

Dass die Stellen von Vornherein acht Wochen Zeit für die Aktenlieferungen bekommen, wird von den Fraktionen mit den dazwischenliegenden Feiertagen begründet.

ÖVP vermutet Machtmissbrauch in früheren "roten" bzw. "blauen" Ministerien

Mit dem Rot-Blauen Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss (8/US) will die Volkspartei die Regierungsbeteiligungen der SPÖ und der FPÖ in der Zeit von 2007 bis 2020 unter die Lupe nehmen, wobei es insbesondere um eine mögliche zweckwidrige Verwendung öffentlicher Gelder in von "roten" bzw. "blauen" Minister:innen geleiteten Ressorts geht. Konkret interessiert sich die ÖVP dabei für Inseratenschaltungen, Medienkooperationsvereinbarungen, Umfragen, Gutachten, Studien und andere Auftragsvergaben. Ebenso sind die Besetzung von Leitungspositionen in der Bundesverwaltung und bei ausgegliederten Rechtsträgern sowie etwaige staatsanwaltliche Ermittlungen Teil des - insgesamt sieben Beweisthemen umfassenden - Untersuchungsgegenstands.

In Zusammenhang mit der COVID-Finanzierungsagentur des Bundes (COFAG) will die ÖVP prüfen, ob der SPÖ oder der FPÖ nahestehende natürliche oder juristische Personen aus "unsachlichen Gründen" bevorzugt behandelt wurden. Insgesamt soll der Untersuchungsausschuss erheben, ob durch Handlungen gesetzliche Bestimmungen umgangen oder verletzt wurden sowie ob dem Bund oder anderen Rechtsträgern dadurch Schaden entstanden ist.

In der Begründung des U-Ausschuss-Verlangens verweist ÖVP-Abgeordneter Andreas Hanger unter anderem auf Aussagen der Marktforscherin Sabine Beinschab, die ihm zufolge nahelegen, dass SPÖ-Minister:innen in die Manipulation von Studien zugunsten ihrer Partei involviert waren. Außerdem besteht ihm zufolge der Verdacht, dass parteinahe Unternehmen und Personen bei Auftragsvergaben bevorzugt worden sind und die SPÖ von "Kickback-Zahlungen" profitiert hat. In Zusammenhang mit der FPÖ hinterfragt die ÖVP beispielsweise Inserate in den Medien "Wochenblick", "alles roger?" und "unzensuriert" sowie öffentliche Aufträge an die Werbeagentur "Ideen.schmiede" unter dem damaligen Innenminister Herbert Kickl. Auch hier steht ihr zufolge der Verdacht der illegalen Parteienfinanzierung im Raum. Ebenso wird auf "Berührungspunkte" etlicher ehemaliger Kabinettsmitarbeiter in FPÖ-Ressorts zum Rechtsextremismus verwiesen.

Aktenvorlagepflicht für KommAustria und UPTS

Für den von der ÖVP verlangten Untersuchungsausschuss sollen neben den Ministerien - samt Generalprokuratur und Staatsanwaltschaften - auch der Bundespräsident, der Nationalratspräsident, die COFAG, der Rechnungshof, der OGH, das Bundesverwaltungsgericht, das Bundesfinanzgericht, die Bundesdisziplinarbehörde, der Unabhängige Parteien-Transparenzsenat (UPTS), die Landesgerichte, das Handelsgericht Wien und die KommAustria Akten und Unterlagen liefern, und zwar ebenfalls mit einer Frist von acht Wochen bzw. bis zum 9. Februar 2024.

OLG-Richterin Christa Edwards wird in beiden U-Ausschüssen Verfahrensrichterin

Beide Untersuchungsausschüsse werden, abseits des Vorsitzenden, aus 13 Mitgliedern bestehen, wobei fünf Abgeordnete von der ÖVP, drei von der SPÖ, je zwei von der FPÖ und den Grünen sowie ein Mandatar bzw. eine Mandatarin von den NEOS zu nominieren sind. Die gleiche Verteilung gilt für die 13 Ersatzmitglieder.

Zur Verfahrensrichterin des COFAG-Untersuchungsausschusses haben die Ausschussmitglieder heute einstimmig Christa Edwards, Richterin am Oberlandesgericht Wien, gewählt. Sie ist unter anderem für die Erstbefragung der Auskunftspersonen und die Vorbereitung des Abschlussberichts des U-Ausschusses zuständig und wird bei Bedarf von der ehemaligen Jugendrichterin Beate Matschnig vertreten, die auch am Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien lehrt. Über die Einhaltung der Grund- und Persönlichkeitsrechte der Auskunftspersonen werden die Rechtsanwält:innen Michael Kasper als Verfahrensanwalt und Barbara Schütz als seine Stellvertreterin wachen.

Auch im Rot-Blauen Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss werden Christa Edwards als Verfahrensrichterin sowie Michael Kasper und Barbara Schütz als Verfahrensanwält:innen fungieren. Zum stellvertretenden Verfahrensrichter wurde der VwGH-Richter Wolfgang Köller bestimmt.

Den Vorsitz in beiden U-Ausschüssen hat gemäß der Verfahrensordnung Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka inne, wobei er sich von den beiden anderen Nationalratspräsident:innen vertreten lassen kann. Sind alle drei Präsident:innen verhindert, führt ein zuvor bestimmter Abgeordneter bzw. eine zuvor bestimmte Abgeordnete als Stellvertreter:in den Vorsitz.

28. und 29. Untersuchungsausschuss in der Zweiten Republik

Beim COFAG-Untersuchungsausschuss und beim Rot-Blauen-Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschuss handelt es sich um Nummer 28 und 29 in der Liste der Untersuchungsausschüsse in der Zweiten Republik. Nach der neuen - seit 2015 geltenden Verfahrensordnung - wurden bislang sechs U-Ausschüsse eingesetzt, davon fünf aufgrund eines Minderheitenverlangens, für das es zumindest die Unterstützung eines Viertels der Abgeordneten (46) braucht. Die Dauer von Untersuchungsausschüssen ist grundsätzlich auf 14 Monate begrenzt, im gegenständlichen Fall müssen die U-Ausschüsse aufgrund der Nationalratswahl 2024 aber spätestens Anfang Juli nächsten Jahres enden.

Der letzte Untersuchungsausschuss war der sogenannte ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss. Er beendete seine Arbeit im April 2023. Ebenfalls in dieser Legislaturperiode tagte außerdem der Ibiza-Untersuchungsausschuss. (Schluss) gs


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