- 04.12.2023, 12:55:14
- /
- OTS0101
„Universum History“-Premiere für „Verbotenes Begehren – Meilensteine queerer Geschichte“
Zum Programmschwerpunkt „75 Jahre Erklärung der Menschenrechte“ am 5. Dezember nach der „ZIB 2 History“ in ORF 2
Utl.: Zum Programmschwerpunkt „75 Jahre Erklärung der
Menschenrechte“ am 5. Dezember nach der „ZIB 2 History“ in ORF
2 =
Wien (OTS) - Sigmund Freud und eine junge lesbische Wienerin, die
sich nicht verbiegen lassen will, stehen im Mittelpunkt einer neuen
„Universum History“-Doku zur schwul-lesbischen Geschichte: Wien 1919.
Die junge Bürgerstochter Margarethe Csonka (Christina Cervenka) ist
lesbisch und wird von ihren Eltern zu Sigmund Freud (Karl Markovics)
geschickt. Er soll sie von ihrem „verbotenen Begehren“ einer
skandalumwitterten Gräfin und Prostituierten „heilen“. Doch Gretl
kämpft um ihre Liebe und führt den Psychiater an der Nase herum.
Freud kommt zum Schluss, dass Homosexualität weder geheilt werden
kann – noch geheilt werden muss.
Im Rahmen des ORF-Programmschwerpunkts zu „75 Jahre Erklärung der
Menschenrechte“ (Details unter presse.ORF.at) zeigt die „Universum
History“-Neuproduktion „Verbotenes Begehren – Meilensteine queerer
Geschichte“ von Regisseur Fritz Kalteis am Dienstag, dem 5. Dezember
2023, um 23.05 Uhr in ORF 2, wie sich im Wien und Berlin der
Zwischenkriegszeit erstmals queeres Selbstbewusstsein entfaltet – nur
um bald darauf von den Nazis brutal zerstört zu werden. „Die queere
Kultur ist genau hier erfunden worden“, sagt Robert Beachy von der
Yonsei Universität Seoul, einer der hochkarätigen Experten des
Projekts, „aber hier gab es auch die bis heute schlimmsten
Verfolgungen.“
„Queere Geschichte ist Teil der österreichischen Geschichte. Sie ist
voll von hart erkämpften Errungenschaften und niederschmetternden
Rückschlägen. Ohne die Pionierinnen und Pioniere der ersten Stunde
wäre die gegenwärtige Gesellschaft eine andere – ‚Universum History‘
wirft mit dieser großangelegten Koproduktion ein Schlaglicht auf den
Mut jener Vorreiter:innen und ihren unermüdlichen Kampf für
Gerechtigkeit“, so Caroline Haidacher, ORF-Sendungsverantwortliche
„Universum History“.
100 Jahre queere Geschichte
Im Spannungsfeld von Repression und Aufbruchsstimmung kämpfen
Aktivistinnen und Aktivisten wie Magnus Hirschfeld Anfang des 20.
Jahrhunderts um Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt und gegen
Verbote gleichgeschlechtlicher Sexualität. Doch mit der
Machtübernahme Adolf Hitlers endet die Illusion der Freiheit. Der
NS-Staat verfolgt vor allem schwule Männer, aber auch lesbische
Frauen, steckt sie ins KZ, kastriert oder ermordet sie. Gretl Csonka
gelingt die Flucht – in ein Leben, in dem sie sich nie wieder die
Freiheit nehmen lassen wird zu lieben, wen sie will.
Verfolgung, Stigmatisierung und Aufbruch
Anfang des 20. Jahrhunderts droht homosexuellen Menschen in
Österreich bis zu fünf Jahre Kerker. Im Gegensatz zu Deutschland gilt
das für Frauen ebenso wie für Männer. Gretl Csonkas Familie ist
reich, es geht vor allem darum, einen Skandal zu vermeiden. „Wenn die
Homosexualität von Gretl öffentlich geworden wäre, hätte das
schwerwiegende soziale Folgen gehabt“, sagt Andreas Brunner von
QWIEN, dem Zentrum für queere Geschichte in Wien. Freud, dargestellt
von Karl Markovics, ist zunächst skeptisch. Für ihn ist
Homosexualität auch nur „ein Malheur wie jedes andere“. Doch die
Neugierde drängt ihn schließlich doch, sich des Falls der Gretl
Csonka anzunehmen.
In Berlin eröffnet im Juli 1919 der Arzt und Sexualforscher Magnus
Hirschfeld das Institut für Sexualwissenschaften. Es ist die erste
Beratungs- und Anlaufstelle für Menschen jeglicher sexueller
Orientierung und Geschlechtsidentität – aber auch eine bunte WG von
Homosexuellen und Transpersonen. Hirschfeld wird so zum Vorreiter:
„Das Spannende ist ja, dass nicht unsere Gegenwart in den letzten
fünf oder zehn Jahren eine Vielfalt an Geschlechtern und sexuellen
Orientierungen ‚erfunden‘ hat. Es gibt eine historische Phase vom
späten 19. Jahrhundert bis in die Zwanzigerjahre, in der neue
Begriffe und Blickwinkel was völlig Neues eröffnen gegenüber einer
simplen binären, also zweiteiligen geschlechtlichen Logik“, sagt die
österreichische Soziologin und Historikerin Hanna Hacker. Regisseur
Fritz Kalteis pflichtet bei: „Die Diskussion um Queerness und
Transidentität ist keineswegs die vermeintlich ‚woke Agenda‘, als die
sie gegenwärtig oft verunglimpft wird. Das Thema begleitet uns als
Menschen schon immer. Nicht zuletzt darauf wollen wir mit diesem Film
hinweisen.“
Die erste queere Hymne – neu interpretiert
Der Kinofilm „Anders als die Anderen“ des Wiener Regisseurs Richard
Oswald thematisiert schon 1919 erstmals Homosexualität ganz offen –
und wird prompt zum Skandal. Der Film inspiriert ein Lied, das zur
ersten Hymne der queeren Bewegung wird: Das „Lila Lied“. Mehr als 100
Jahre später nimmt es die bayrisch-österreichische Musikerin Ankathie
Koi für diese Dokumentation neu auf, denn der Song ist nicht nur für
sie relevant wie eh und je: „Im Refrain heißt es ja ,Wir sind, wir
sind nun einmal mal anders als die andern‘, und ich glaube, dass der
Song so vielen Menschen ein Zuhause gibt, die anders sind und diese
Andersartigkeit auch zelebrieren“, so Ankathie Koi, die die 100 Jahre
alte Melodie in einen modernen Dance-Track verwandelt hat.
Kurze Phase der Hoffnung auf mehr Freiheit und Toleranz für queere
Menschen endet abrupt mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten
Gretl Csonka kämpft um ihre Liebe zu Leonie von Puttkamer (gespielt
von Elena Wolff) – auch wenn das bedeutet, Sigmund Freud mit
erfundenen Traumgeschichten an der Nase herumzuführen. Mit Erfolg: In
der Konfrontation mit Gretl kommt Freud schließlich zum Schluss, dass
Homosexualität nicht geheilt werden kann und erst recht nicht geheilt
werden muss, ergänzt Daniela Finzi, wissenschaftliche Leiterin am
Sigmund-Freud-Museum in Wien: „Homosexualität ist keine Krankheit,
keine Pathologie für Freud. Es ist nur dann sinnvoll, sich analytisch
damit auseinanderzusetzen, wenn es einen Leidensdruck gibt.“ Die
kurze Phase der Hoffnung auf mehr Freiheit und Toleranz für alle
queeren Menschen endet abrupt mit der Machtübernahme der
Nationalsozialisten. 1934 lässt Adolf Hitler SA-Chef Ernst Röhm
ermorden – und damit den prominentesten homosexuellen Nazi. Es ist
ein Wendepunkt: Von nun an verfolgt der NS-Staat vor allem schwule
Männer, aber auch lesbische Frauen intensiver als je zuvor. Gretl
Csonka, selbst jüdisch-stämmig und lesbisch, gelingt im allerletzten
Moment die Flucht aus Wien – in ein Leben, in dem sie sich nie wieder
die Freiheit nehmen lassen wird, zu lieben, wen sie will.
„Verbotenes Begehren – Meilensteine queerer Geschichte“ entstand als
Koproduktion von Vienna Set und Feature Film mit ORF und ZDF/ARTE in
Zusammenarbeit mit ORF Enterprise, gefördert von Fernsehfonds
Austria, Filmfonds Wien und Kultur Niederösterreich.
Video(s) zu dieser Aussendung finden Sie im AOM / Originalvideo-Service
sowie im OTS-Videoarchiv unter http://video.ots.at
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NRF