- 16.11.2023, 09:20:02
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- OTS0044
Vorschläge zur ORF-Reform
Redaktionsausschuss: Neues ORF-Gesetz muss im Sinne des VfGH-Erkenntnisses rasch umgesetzt werden
Der ORF-Redaktionsausschuss, das sind die Redaktionssprecherinnen und -sprecher aus allen Bereichen (Radio, TV, Online, Teletext und Landesstudios), hat in seiner Herbsttagung am 15. November (einstimmig) folgende Resolution beschlossen:
Der Verfassungsgerichtshof hat Teile des ORF-Gesetzes als verfassungswidrig erkannt. Demnach entsprechen Bestellung und Zusammensetzung von ORF-Stiftungsrat und -Publikumsrat nicht der Verfassung. Konkret verstößt das ORF-Gesetz gegen das Gebot der Unabhängigkeit und die Aufsichtsgremien sind zu wenig pluralistisch zusammengesetzt.
Damit bestätigt der VfGH die langjährige Kritik der ORF-Redaktionsvertretung. Nämlich:
- dass die Regierung einen zu großen Einfluss auf die Zusammensetzung des Stiftungsrates hat.
- dass es der geforderten Unabhängigkeit des Gremiums widerspricht, wenn Bund und Länder die von ihnen entsandten Mitglieder des Stiftungsrates vorzeitig abberufen können.
- dass es im Stiftungsrat an Pluralismus mangelt.
- dass im Publikumsrat der Einfluss des Bundeskanzlers (bzw. der Medienministerin) bei der Auswahl der Mitglieder zu weitreichend ist und das Gremium daher nicht den gesetzlichen Forderungen nach Unabhängigkeit entspricht.
Dem Gesetzgeber wurde eine Frist zur Reparatur des ORF-Gesetzes bis zum 31. März 2025 eingeräumt. Doch seit der Veröffentlichung des VfGH-Erkenntnisses am 10. Oktober 2023 ist es sehr still um eine Reform des ORF-Gesetzes geworden.
Daher der Vorschlag der Redaktionsvertretung für eine nachhaltige Reform der Gremien: Das Einsetzen einer Gruppe von unabhängigen Medien-, Rechts- und Wirtschafts-Expertinnen und -Experten, die eine Grundlage für den Gesetzgeber ausarbeiten. Darin soll der Regierung vorgeschlagen werden, wie die ORF-Aufsichtsgremien in Zukunft unabhängig und pluralistisch ausgewählt werden sollen. In dieser Gruppe ist eine breite zivilgesellschaftliche Einbindung anzustreben. Zum Beispiel KommunikationswissenschafterInnen (auch aus anderen EU-Ländern), MedienexpertInnen der Akademie der Wissenschaften, ExpertInnen der Universitäten und Fachhochschulen, des Presseclub Concordia, unabhängige MedienjuristInnen, VerfassungsexpertInnen, VertreterInnen anderer öffentlich-rechtlicher Sender, …
Die ORF-Redaktionsvertretung bringt sich gerne ein, Reform-Vorschläge liegen auf dem Tisch:
- Es muss sichergestellt werden, dass der ORF von Aufsichtsgremien demokratisch kontrolliert wird. Die Regierungsparteien dürfen dabei aber nicht automatisch die Mehrheit in den Gremien haben, um die parteipolitische Einflussnahme bei der Bestellung von Managementpositionen im ORF zurückzudrängen.
- Unabhängige Expertinnen und Experten sollen in den Stiftungs- und Publikumsrat nominiert werden. Es soll nicht nach Parteinähe, sondern nach fachlichen Kriterien besetzt werden. Damit sichergestellt ist, dass sich in den Aufsichtsgremien eine breite Repräsentanz der Gesellschaft wiederfindet, nicht nur die politischen Parteien.
- Einen transparenten Prozess bei der Besetzung von Stiftungsrat und Publikumsrat: Institutionen, die Mandate besetzen, müssen das in ihrem Bereich öffentlich ausschreiben, Bewerbungen und öffentliche Hearings sollen den Zugang transparent machen. Entscheidungen müssen öffentlich begründet werden.
- Die Auflösung der partei-politischen Fraktionen („Freundeskreise“) in Stiftungsrat und Publikumsrat.
- Internationale Expertinnen und Experten sollen ebenfalls im Stiftungsrat vertreten sein. So könnten etwa VertreterInnen der Schweizer SRG oder von deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern in den Stiftungsrat einziehen und so die internationale Ausrichtung und Kooperation fördern.
- An der Spitze des Stiftungsrats muss eine fachlich unbestrittene Expertin oder ein Experte stehen, ohne politische Schlagseite und mit einem hohen Maß an Expertise in Medienfragen.
- Zur Sicherung und zum Ausbau der Mitwirkungsrechte der Redaktionen soll der Redaktionsrat eine Vertretung in den Stiftungsrat entsenden können.
- Abschaffung des anachronistischen Anhörungsrechtes der Länder (sprich: der Landeshauptleute) bei der Besetzung der ORF-Landesdirektionen.
- Abstimmungen sollen wieder geheim sein – um zu verhindern, dass geschlossen einer Parteilinie gefolgt wird.
Selbstverständlich sind die Parteien zentrale Träger unserer Demokratie. Wenn es aber beim größten Medium des Landes um Kontrolle und Einfluss geht, haben die Parteien einen offensichtlichen Interessenskonflikt. Daher sollen die Aufsichtsgremien des ORF so besetzt werden, dass es bei Entscheidungen in allererster Linie um die Interessen des Publikums und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geht, und nicht um jene von Parteien.
Gerade in Zeiten von Krisen und Unsicherheit ist ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk mit hoher Akzeptanz in der Bevölkerung wichtig für die Demokratie und den Zusammenhalt im Land.
Der ORF-Redaktionsrat
Dieter Bornemann, Simone Leonhartsberger, Peter Daser, Margit Schuschou
Rückfragen & Kontakt
ORF-Redaktionsrat
Dieter Bornemann, M.A.
Vorsitzender des Redaktionsrates
dieter.bornemann@orf.at
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