- 09.10.2023, 14:16:57
- /
- OTS0122
Elektroschocks verbieten und die Menschenrechte in der Psychiatrie
Die Bürgerkommission für Menschenrechte (CCHR) verlangt, dass die World Psychiatric Association (WPA) damit aufhört, Elektroschocks und andere Zwangspraktiken zu befürworten.

Am 30. September 2023 protestierten rund 300 engagierte Freiheitskämpfer aus neun europäischen Ländern vor dem Kongress des Weltverbandes der Psychiatrie (WPA) in Wien, der vom 28. Sept. bis 1. Oktober im Austria Center stattfand. Die WPA weiß und nimmt es hin, dass pro Jahr 1.4 Millionen Menschen Elektroschocks in der Psychiatrie unterzogen werden, viele von ihnen Frauen. Die Demonstration wurde von der Bürgerkommission für Menschenrechte (CCHR) organisiert, welche die Menschenrechte in der Psychiatrie schützt und deren Dachverband in den USAdafür gesorgt hat, dass Elektroschocks, auch bekannt als Elektrokrampftherapie (EKT) in Kalifornien bei Kindern unter 12 Jahren verboten wurde. Die CCHR stellt jedoch darüber hinaus fest, dass eine Praktik, bei der man das menschliche Gehirn mit hunderten Volt Elektrizität unter Strom setzt, um einen Krampfanfall auszulösen, derart drakonisch und barbarisch ist, dass die Elektrokrampftherapie (EKT) vollständig verboten werden sollte.
Die CCHR Vertreter/innen versammelten sich erst am Platz der Menschenrechte und demonstrierten dann über den Ring, vorbei am Parlament, umrundeten das Rathaus und kehrten über die Museumsstraße zurück zum Ausgangspunkt. Angeführt wurde der Marsch von „Dr. Pillenpush“ einem als Psychiater verkleideten Demonstranten in einem weißen Rolls Royce mit Chauffeur. Die Oldtimer-Limosine steht hier für Korruption und Protz, „Dr. Pillenpush“ hat im Auto einige seiner kleinen Patienten, die er mit „Psychodrogen“ ruhiggestellt hat. Sinnbildlich zeigt dies die fehlende Transparenz zwischen Psychiatrie und Pharmaindustrie und deren massiven finanziellen Interessenskonflikte, statt die ehrliche Absicht Patienten zu helfen. Auch der Weltkongress der Psychiatrie in Wien wurde u.a. von Pharmafirmen finanziert.
Dem Marsch folgte ein Spezial-LKW mit eingebauten LED-Wänden an seinen Seitenflächen, auf denen der Dokumentarfilm: „Therapie oder Folter – die Fakten über Elektroschocks“ zu sehen war. Darin berichten Experten und Überlebende über die Gefahren und die Zerstörung, die mit E-Schocks angerichtet wird.
Elektrokrampftherapie (EKT) verbieten
Nach einer Zwischenkundgebung mit Live-Musik am Platz der Menschenrechte, versammelten sich die Demonstranten am Platz der Vereinten Nationen und marschierten gemeinsam zum Austria Congress Center, vor den Haupteingang des Weltkongresses der Psychiatrie zu großen Abschlusskundgebungen und Protesten. Die Teilnehmer forderten im lautstarken Chor ein gesetzliches Verbot der Elektrokrampftherapie (EKT) sowie ein Ende von Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie. Mehrere Dutzend Kongressteilnehmer verfolgten das Geschehen sehr aufmerksam wie auch das folgende Bühnenprogram, bei dem CCHR-Vertreter aus verschiedenen europäischen Ländern ein Schlaglicht auf die Situation psychiatrischer Zwangsbehandlung in ihrem jeweiligen Land warfen. Viele Psychiater und andere Kongressteilnehmer filmten die Demonstration, wie auch die künstlerischen Einlagen der Musiker oder die Ansprachen; einige begannen sogar zu tanzen.
Der Forderung nach einer Abschaffung von E-Schocks wurde mittels einer Unterschriftssammlung auf einer von CCHR vorbereiteten Petition an das Europäische Parlament Nachdruck verliehen. Die CCHR Vertreter aus 12 europäischen Ländern unterzeichneten die Petition direkt vor Ort (Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Slovakei, Ungarn, Tschechien, Belgien, Niederlande, Mazedonien). Insgesamt haben rund 200 Personen die Petition unterschrieben, darunter auch Psychiater und andere Teilnehmer des internationalen Psychiatriekongresses.
Ebenfalls im Zentrum der Kritik steht die leichtfertige Stigmatisierung von Kindern und Jugendlichen mit fragwürdigen psychiatrischen Diagnosen wie ADHS und die vielfach daraus resultierende Verabreichung persönlichkeitsverändernder Psychopharmaka. Das Banner „ADHS: Milliardengeschäft der Psychiatrie – Keine Psychodrogen für unsere Kinder“ bringt es auf den Punkt. Mit Sprüchen wie „Love me, don´t drug me“, „Hey Hey WPA, how many kids did you shocked today?”, wiesen die Protestler darauf hin, dass Kindheit keine Krankheit ist und Kinder Liebe und Fürsorge benötigen, keine schädigende Psychodrogen mit gefährlichen Nebenwirkungen.
Internationale Ausstellung „Psychiatrie: Tod statt Hilfe“ vorm Psychiatriekongress
Flankiert wurde die Protestaktion von der erstmals Outdoor präsentierten internationalen Ausstellung „Psychiatrie – Tod statt Hilfe“. Sie war am 29.9 und 1.10.2023 direkt vorm Austria Center und am 30.9 am Platz der Menschenrechte in Wien zu sehen und traf auf großes Interesse der Bevölkerung sowie der Kongressteilnehmer. In drei Tagen hatte die Ausstellung über 1300 Besucher, welche schockiert und berührt die Timeline schädigender psychiatrischer Praktiken von ihren Ursprüngen bis zur Gegenwart auf den Stellwänden der Ausstellung studierten.
Bereits am 28. Und 29. September war die CCHR mit ihren Vertretern direkt vor dem Kongressgebäude und konnte mit Kongressteilnehmern einige sehr interessante und aufschlussreiche Gespräche führen. Die von der CCHR zur Verfügung gestellten Materialen und die gesamte Ausstellung wurden mit großem Interesse und sehr positiv aufgenommen.
Im September 2018 forderten die Mitglieder des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen, dass „alle psychiatrischen Behandlungen und Dienste" „auf der freien und informierten Zustimmung der betroffenen Person beruhen müssen" und erkannten EKT unter Zwang, neben anderen Praktiken als „Folter oder andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe und als Diskriminierung von Nutzern psychiatrischer Dienste, Personen mit psychischen Erkrankungen und mit psychosozialen Behinderungen", an. Der Weltverband der Psychiater (World Psychiatric Association) hat in seiner Positionserklärung 2020 psychiatrische Praktiken der Nötigung verurteilt und anerkannt, dass „Zwang in der Psychiatrie gegen die Rechte der Patienten verstößt, einschließlich der Freiheit von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung...“
Im Jahr 2022 erkannten die WHO und das Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR) die hirnschädigenden Auswirkungen der Elektroschocktherapie an, forderten ein gesetzliches Verbot ihrer Anwendung bei Kindern und beriefen sich auf das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD), das ihre gewaltsame Anwendung verbietet.
In einer im Februar 2023 in der Zeitschrift Acta Psychiatrica veröffentlichten Studie wurde festgestellt, dass Patienten, die eine EKT erhalten hatten, ein 44-mal höheres Risiko hatten, durch Selbstmord zu sterben als Menschen in der Allgemeinbevölkerung.
Dennoch werden pro Jahr weltweit 1,4 Millionen Menschen einer EKT unterzogen, darunter auch Kinder. Mehrere Gerichtsverfahren wegen EKT, die zu Hirnschäden, Gedächtnisverlust und/oder unrechtmäßigem Tod führen, haben zu Entschädigungszahlungen in Höhe von 1,35 Mio. $ (1,2 Mio. €) sowie zu ungenannten Vergleichssummen geführt.
CCHR überreicht offenen Brief an Präsidenten der World Psychiatric Association (WPA)
Dr. Danuta Wassermann, die neue Präsidentin des Weltverbands für Psychiatrie (WPA) signalisierte bei Erhalt des offenen Briefes gegenüber dem CCHR Vorstand am Ende der Psychiatriekonferenz im persönlichen Gespräch, dass sie sich in den kommenden drei Jahren ihrer Amtszeit für die Einhaltung der Menschenrechte und gegen Zwangsbehandlungen einsetzen werde.
Vertreter der CCHR beobachteten bei den Diskussionen des diesjährigen Psychiatriekongresses ein wachsendes Bewusstsein darüber, dass niemand gegen seinen Willen, unter Zwang, mit Fesselungen, Gewalt und Brutalität behandelt werden sollte. Doch es ist noch ein weiter Weg von Lippenbekenntnissen bis zur tatsächlichen Umsetzung in den psychiatrischen Anstalten, der von Menschenrechtsgruppen wie der CCHR weiterhin konsequent beobachtet, dokumentiert, eingefordert und durchgesetzt werden muss.
CCHR International, Los Angeles: www.cchr.org
Bürgerkommission für Menschenrechte Austria: www.cchr.at
KVPM Deutschland: www.cchr.de
Rückfragen & Kontakt
Bürgerkommission für Menschenrechte
Ansprechpartner: Pressestelle
E-Mail: info@cchr.at
Website: www.cchr.at
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NEF