Der Senat 3 hat bei den Artikeln „Gefährdungsanzeige! AKH-Primar schlägt Alarm“, erschienen am 05.10.2022 auf „krone.at“ und dessen Printversion „AKH-Primar schlägt Alarm“, erschienen in der Wien-Ausgabe der „Kronen Zeitung“ vom 06.10.2022 Verstöße gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse festgestellt.
In den Beiträgen wird über eine Gefährdungsanzeige des Primars der Urologie am Wiener AKH berichtet. Darin werde festgehalten, dass seit Jahren seitens der Universitätsklinik für Urologie auf den fortwährenden Ressourcenmangel hingewiesen und Lösungen vorgeschlagen worden seien, sich bis dato aber nichts geändert habe. Es gebe einen Versorgungskollaps, die Abteilung sei seit Februar mit Bettenkürzungen bis 71 Prozent konfrontiert. Abschließend wird ein Arzt und Betriebsrat damit zitiert, dass der Primar hunderte Mails geschrieben habe und nichts passiert sei; Gefährdungsanzeigen würden schubladisiert.
Der Wiener Gesundheitsverbund (WIGEV) wandte sich an den Presserat und kritisierte, dass keine Gefährdungsanzeige im Sinne der internen formalen Kriterien vorgelegen und die fristgerecht abgegebene Stellungnahme des WIGEV nicht in der Berichterstattung berücksichtigt worden sei.
Die Medieninhaberinnen der „Kronen Zeitung“ und von „krone.at“ haben von der Möglichkeit, am Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.
Beurteilung des Senats
Der Senat hält fest, dass im konkreten Fall der WIGEV als betroffene Institution zwar zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert und ihm dazu eine Frist von nicht ganz 21 Stunden eingeräumt, diese vom Medium selbst aber nicht eingehalten wurde. Die Online-Version des Artikels wurde bereits weniger als zwei Stunden nach der Anfrage um Stellungnahme und ohne, dass eine solche bis zu diesem Zeitpunkt eingegangen wäre, auf „krone.at“ veröffentlicht.
Aus dem Grundsatz der Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten ergibt sich (Punkt 2.1 des Ehrenkodex), dass ein Medium eine Frist zu Stellungnahme, die es einer Institution eingeräumt hat, abwarten muss. Die Online-Version des Artikels verstößt somit gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex. Auch in der Printversion des Artikels wurde die fristgerecht eingelangte Stellungnahme des WIGEV nicht eingearbeitet. Daher verstößt auch diese gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex.
Zur Kritik des WIGEV, dass keine Gefährdungsanzeigen im formellen Sinn vorliegen würden, ist Folgendes festzuhalten: Diese Kritik bezieht sich offensichtlich auf die im Artikel zitierten Aussagen eines Arztes und Betriebsrates, der von hunderten kritischen Mails und Gefährdungsanzeigen gesprochen hat. Die Journalistin durfte auf diese Angaben vertrauen. Ob die Gefährdungsanzeigen den internen formalen Kriterien des AKH entsprechen, spielt aus medienethischer Perspektive keine Rolle. Die Journalistin war nicht dazu verpflichtet, die Stichhaltigkeit der Zitate genauer zu überprüfen, da keine gravierenden Zweifel an deren Richtigkeit vorlagen (siehe Punkt 3.2 des Ehrenkodex). Außerdem betont der Senat, dass ein als „Gefährdungsanzeige“ bezeichnetes Dokument des Leiters der Klinik über die prekäre Situation der Journalistin offensichtlich auch vorlag. Der Senat vertritt die Ansicht, dass an Berichten über etwaige Missstände im Spitalsbereich ein besonderes öffentliches Interesse besteht (siehe Punkt 10 des Ehrenkodex). Ein Recherchefehler oder eine für die Leserinnen und Leser relevante Falschinformation liegt hier nicht vor
Der Senat stellte die Ethikverstöße im Hinblick auf die Stellungnahmefrist fest und forderte die Medieninhaberinnen auf, die Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen oder bekanntzugeben.
SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINER BETROFFENEN INSTITUTION
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
Im vorliegenden Fall führt der Senat 3 des Presserats aufgrund einer Mitteilung einer betroffenen Institution ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob ein Artikel oder ein journalistisches Verhalten den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberinnen von „krone.at“ und der „Kronen Zeitung“ haben von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.
Die Medieninhaberinnen der „Kronen Zeitung“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt.
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