• 15.09.2023, 11:00:33
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  • OTS0086

Freizügiges Opferfoto verletzt Intimsphäre

Wien (OTS) - 

Nach Auffassung des Senats 3 verstoßen die Artikel „Pechsträhne im Casino war Todesurteil für Stefanie“, erschienen am 13.02.2023 auf „krone.at“, und „Schon vor Schneestangen-Bluttat Streit im Casino“, erschienen am 16.02.2023 auf „krone.at“, verstoßen gegen die Punkte 5 (Persönlichkeitsschutz) und 6 (Intimsphäre) des Ehrenkodex für die österreichische Presse.

In den Beiträgen wird über ein Tötungsdelikt in Oberösterreich berichtet; eine 19-jährige Frau sei von einem 18-Jährigen Mann mit einer Schneestange erschlagen worden. Während anfangs der Verdacht bestanden habe, dass es um unerwiderte Liebe oder Sex gegangen wäre, sei es nur der Frust nach einer Pechsträhne im Casino gewesen.

Beiden Beiträgen war ein Foto beigefügt, auf dem das Opfer in kurzem Rock vor einem Kamin posiert. Die Gesichtszüge der Abgebildeten waren verpixelt, als Fotocredit wurde „zVg“ (zur Verfügung gestellt; Anm.) angegeben; in der Zwischenzeit wurde das Foto entfernt.

Der WEISSE RING wandte sich an den Presserat und kritisierte u.a. die Veröffentlichung des oben beschriebenen Fotos, weil dieses vom Instagram-Account des Opfers stamme bzw. ohne Einwilligung der Hinterbliebenen übernommen worden sei.

In einer schriftlichen Stellungnahme führte die Chefredakteurin der „Kronen Zeitung Oberösterreich“ aus, dass sich die Redaktion zur Veröffentlichung entschlossen habe, weil das Bild als Zeitzeugnis interpretiert worden sei; es handle sich um das letzte Bild des Opfers, das wenige Stunden vor der Tat entstand. Mittlerweile sei das Foto jedoch auch auf Bitte der Hinterbliebenen hin entfernt und in allen Archiven gesperrt worden. Die Chefredakteurin räumte ein, dass man in diesem Fall zu leichtfertig mit der Veröffentlichung umgegangen sei und daraus für die künftige Berichterstattung lernen werde.

In der mündlichen Verhandlung brachte ein weiterer Redakteur des Mediums ergänzend vor, dass das Foto vom Opfer aus den sozialen Medien übernommen worden sei. Auf die Nachfrage des Senats, warum das Foto mit dem Zusatz „zVg“ versehen wurde, konnte er keine eindeutige Antwort geben.

Der Senat weist zunächst darauf hin, dass Berichte über Gewalttaten gegen Frauen von öffentlichem Interesse sind; dies gilt auch für den hier zu prüfenden Artikel zur Tötung einer 19-Jährigen. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass der Persönlichkeitsschutz des Opfers und seiner Hinterbliebenen missachtet werden darf (vgl. Punkt 5.4 des Ehrenkodex). Die Veröffentlichung von Portraitfotos eines (nicht prominenten) Femizidopfers sehen die Senate grundsätzlich nur dann als legitim an, wenn hierfür eine Einwilligung der Hinterbliebenen vorliegt oder zumindest die Gesichtszüge der Abgebildeten großflächig verpixelt werden. Dennoch kann auch die Veröffentlichung von verpixelten Opferfotos problematisch sein, wenn die Abgebildete darin etwa freizügig gezeigt bzw. in unangemessener Weise sexualisiert wird.

Im vorliegenden Fall bewertet der Senat die Veröffentlichung des Fotos trotz der Verpixelung als medienethisch unzulässig: Das Opfer wird in kurzem Rock und Overknee-Stiefeln vor einem Kamin posierend gezeigt; die junge Frau setzte sich für Instagram in Szene. Das Medium hätte sich bewusst sein müssen, dass das Bildmaterial einen gewissen sexualisierten Gehalt aufweist und im Kontext der brutalen Ermordung nicht veröffentlicht werden darf. Aus der Veröffentlichung auf Instagram lässt sich nicht ableiten, dass die Verstorbene auch mit der Veröffentlichung auf „krone.at“ einverstanden gewesen wäre, schon gar nicht im Zusammenhang mit einem Femizid. Ein besonderes Informationsinteresse am letzten Foto des Opfers erkennt der Senat im vorliegenden Fall nicht.

Durch den Zusatz „zVg“ beim Fotocredit wurde den Leserinnen und Lesern der falsche Eindruck vermittelt, dass für die Veröffentlichung des privaten Fotos die Zustimmung der Hinterbliebenen vorgelegen sei. Im Verfahren vor dem Presserat konnte das Medium keine stichhaltige Begründung für diesen schwerwiegenden Fehler vorbringen.

In Anbetracht dieser Umstände erkennt der Senat auf einen Eingriff in den Persönlichkeitsschutz und die Intimsphäre des Opfers (Punkte 5 und 6 des Ehrenkodex für die österreichische Presse). Überdies wurde durch die Bildveröffentlichung die Trauerarbeit der Hinterbliebenen beeinträchtigt und somit auch deren Persönlichkeitssphäre verletzt. Der Senat wertet es zwar als positiv, dass die Chefredakteurin im Verfahren das medienethische Fehlverhalten eingestand und das Foto mittlerweile von den Artikeln entfernt wurde (vgl. in dem Zusammenhang Punkt 2.4 des Ehrenkodex). Der schwerwiegende Eingriff in die Privatsphäre des Opfers und seiner Hinterbliebenen erlaubt es im vorliegenden Fall jedoch nicht, von einem Verstoß gegen den Ehrenkodex abzusehen. 

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG  

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der drei Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führte der Senat 3 des Presserats aufgrund einer Mitteilung einer Leserin ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin von „krone.at“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, Gebrauch gemacht. 

Die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt.

Rückfragen & Kontakt

Alexander Warzilek, Geschäftsführer, Tel.: +43-1-23 699 84-11

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