• 16.08.2023, 22:00:02
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Tiroler Tageszeitung, Leitartikel vom 17. August 2023. Von Wolfgang Sablatnig: "Politische Beziehungsarbeit".

Wien (OTS) - 

Es gehört zum kleinen 1 x 1 der sozialen Netzwerke: Was privat bleiben soll, hat dort nichts verloren. Viele Jugendliche können ein Lied davon singen, wenn das Posting von gestern zum Problem von heute wird.
Vielleicht sollte SPÖ-Landeschef Georg Dornauer mit seiner neuen Partnerin Alessia Ambrosi das kleine 1 x 1 einmal besprechen. Sie postete auf Instagram Urlaubsbilder des Paares. Schon zuvor hatte die italienische Rechtspolitikerin selbst ihre Beziehung zum Tiroler Sozialdemokraten in einem Interview öffentlich gemacht. 
Und was macht Dornauer? Statt die Turtelfotos zu liken und Herzen zu posten, ist er „nicht glücklich“. Die Veröffentlichung habe er nicht gewollt. Überhaupt wolle er trennen: „Politik ist Politik und privat ist privat.“
Im Grundsatz hat Dornauer Recht. Politiker können selbst entscheiden, wie viel Privates an die Öffentlichkeit kommt. Das ist nicht überall so. In Österreich hingegen  funktioniert es meist. Zum Glück. 
Wir kennen die Frau und den Hund von Alexander Van der Bellen. Beide werden vom Team des Bundespräsidenten bewusst für die Inszenierung genutzt. 
Wir kannten einen Partner von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), weil sie sich mit ihm am roten Teppich in Salzburg gezeigt hat. Wir haben keine Ahnung von der Familie von FPÖ-Chef Herbert Kickl, weil er Frau und Sohn heraushält.
Wir kennen auch die Ehefrau von Bundeskanzler Karl Nehammer, die ihn zum Opernball begleitet. Wir kennen aber nicht die Kanzler-Söhne, sie gehen uns nichts an. 
Wir wissen, dass Nehammers feiern können. Und auch das ginge uns nichts an, wenn danach nicht Sicherheitsbeamte alkoholisiert einen Unfall gebaut hätten.
Wir wissen, dass Dornauers Jagdbüchse offen im Auto lag. Das Vergehen war privat. Von einem Politiker dürfen wir aber besondere Sorgfalt erwarten. 
Wir tratschten über die Frauen des damaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil. Er präsentierte öffentlich eine gute Ehe, als er schon längst ein Verhältnis pflegte.
Die Grenzen zwischen legitimem Informationsbedürfnis und billigem Voyeurismus sind bei einigem Nachdenken und gutem Willen zu ziehen. Manchmal freilich verschwimmen sie. 
Politiker legen selbst fest, wie viel Privatleben sie herzeigen. Ambrosi hat sich für ihren Instagram-Account entschieden – sehr bewusst, sehr inszeniert und sicher nicht zufällig. Nichts angehen würden uns die Fotos, wenn Paparazzi mit dem Teleobjektiv zugeschlagen hätten. Aber das ist offensichtlich nicht der Fall.
Privat ist privat? Die Grenzen muss jede und jeder selbst ziehen.

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