Verteidigungsministerin Tanner stellt sich in Aktueller Aussprache Fragen über Beschaffungen, Forschung und Westbalkan
Im Zentrum des heutigen Landesverteidigungsausschusses standen der Jahresbericht 2021 der Parlamentarischen Bundesheerkommission (PBHK) und die dazugehörige Stellungnahme des Ressorts sowie der Bericht zu den militärischen Dienstleistungen von Frauen in den Jahren 2021 und 2022. Auch der Landesverteidigungsbericht 2022, der gemäß Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz (LV-FinG) erstmals vorliegt, stand auf der Tagesordnung. Sämtliche Berichte wurden einstimmig zur Kenntnis genommen.
Darauf folgte eine Aktuelle Aussprache mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, in der die Abgeordneten unter anderem Beschaffungen für das Bundesheer, den Auslandseinsatz am Westbalkan und Forschungsprojekte thematisierten.
Bericht der PBHK 2021 und Stellungnahme des Ressorts
Die PBHK als demokratisch legitimiertes Kontrollorgan des Nationalrats leitete im Jahr 2021 insgesamt 294 Beschwerdeverfahren ein, was einer Halbierung des Beschwerdeaufkommens im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Dies geht aus dem Jahresbericht 2021 der PBHK hervor, zu dem auch eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Landesverteidigung (BMLV) vorliegt (III-918 d.B). PBHK und BMLV gehen beispielhaft auf Beschwerdefälle und den Umgang des Ressorts mit diesen ein. Auch die Prüfbesuche der PBHK, etwa bei der Vega-Payer-Weyprecht Kaserne zur Überprüfung der Verpflegung im Bundesheer oder bei der Theresianischen Militärakademie, werden im Bericht behandelt. Als größte Herausforderung sei in vielen Bereichen - insbesondere bei der Miliz - die Personalgewinnung zu betrachten, wie die PBHK aufzeigt. Das BMLV verweist auf Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen, wie das konsequente Weiterführen der Beschaffungen für die Miliz.
Im Ausschuss erklärte Friedrich Ofenauer (ÖVP), Präsidiumsmitglied der PBHK, dass sich die Halbierung des Beschwerdeaufkommens insbesondere darauf zurückführen ließe, dass die im Rahmen des COVID-19-Assistenzeinsatzes seit März 2020 aufgetretenen Problematiken, betreffend die Einsatzbesoldung und die Dienst- bzw. Freizeitregelungen, einer für die Soldat:innen zufriedenstellenden Lösung zugeführt werden konnten. Ofenauer ging neben den Beschwerden auf die amtswegigen Prüfverfahren und Prüfbesuche ein und betonte, dass die PBHK auch als "Qualitätsmanagement-Tool" für die Kommandant:innen zu verstehen sei. Der amtsführende Vorsitzende der PBHK, Robert Laimer (SPÖ), hob die hohe internationale Anerkennung für die Kommission hervor, die ein "gutes Zeichen für Österreich in der Welt" darstelle.
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner fasste die Quintessenz des Berichts so zusammen, dass es über Jahrzehnte Versäumnisse gegeben habe - insbesondere bei Personal und Infrastruktur - die es nun aufzuholen gelte. Insgesamt betrachtete sie den Bericht aufgrund des Beschwerderückgangs als "erfreulich" und stimmt Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) zu, dass der PBHK-Bericht dem Parlament generell früher vorgelegt werden müsse.
Die prekäre Personalsituation wurde unter anderem von Robert Laimer (SPÖ), Volker Reifenberger (FPÖ), Manfred Litschauer (Grüne) und Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) angesprochen. So erklärte Laimer, dass man hinsichtlich der finanziellen Anreize "alles ausgereizt" habe und trotzdem keine Verbesserung eingetreten sei. Reifenberger berichtete, dass der Personalbedarf bei den Offizieren lediglich zu 55 % gedeckt sei und bei den Unteroffizieren gar nur zu 40 %. Hoyos-Trauttmansdorf sprach von einem "klaren Auftrag" an das BMLV, als Arbeitgeber attraktiver zu werden.
Die personelle Komponente werde parallel zum Aufbauplan des Bundesheeres stets mitbedacht, versicherte Tanner. 2022 habe eine umfassende Personaloffensive begonnen, die das gesamte Personal des Heeres umfasse. Hinsichtlich der Attraktivierung werde ein besonderer Fokus auf die Arbeitszeitflexibilisierung, den Bereich Ausbildung und Übungen sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gelegt. Auch hinsichtlich der Besoldung soll nachgebessert werden. Doch dahingehend gebe es im Gespräch mit dem Ministerium für den öffentlichen Dienst noch "einige offene Punkte", so Tanner. Generell sei der Personalproblematik nur mit einem Bündel an Maßnahmen zu begegnen, wobei der finanzielle Anreiz nur einen Teil darstelle. Auch die Integration der geistigen Landesverteidigung in die Lehrpläne könne bei der Stärkung des Bundesheeres einen Beitrag leisten.
In den Küchen des Bundesheeres schlage sich der Personalmangel ebenfalls nieder, gab Tanner Alois Kainz (FPÖ) und Manfred Litschauer (Grüne) Auskunft. Dort wo es möglich ist, soll laut Anweisung weiterhin in den Kasernen gekocht werden. Das System Cook & Chill sei zwar in mehrerlei Hinsicht nicht ideal, könne jedoch im Einsatzfall sehr nützlich sein. Von Manfred Hofinger (ÖVP) auf die Investitionen in die Infrastruktur angesprochen, verwies Tanner auf mehrere Projekte in ganz Österreich.
Austausch über die militärischen Dienstleistungen von Frauen
Seit dem im Jänner 1998 erstmals die gesetzliche Möglichkeit geschaffen wurde, Frauen den Zugang zum Österreichischen Bundesheer auf freiwilliger Basis zu eröffnen, seien Soldatinnen ein "gut integrierter und unverzichtbarer Bestandteil" des Heeres geworden. So bewertet Verteidigungsministerin Tanner die bisherige frauenpolitischen Entwicklung des Bundesheeres in ihrem Bericht zu den militärischen Dienstleistungen von Frauen in den Jahren 2021 und 2022 (III-914 d.B). Daraus geht hervor, dass die Gesamtzahl der Soldatinnen in den letzten zwei Jahrzehnten von 89 im Jahr 1999 auf 645 Ende 2022 gestiegen ist. Im Berichtszeitraum sei diese Anzahl allerdings pandemiebedingt stagniert. Tanner sei es ein "großes Anliegen" sowohl den Soldatinnenanteil im Bundesheer als auch die Attraktivität des Berufs Soldatin weiter zu steigern. Dafür werden im Bericht Maßnahmen wie ein Mentoring-Programm, die familienfreundlichere Gestaltung des Bereichs der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie ein "Girls' Day" angeführt.
Bei einem Frauenanteil von 4,3 % im Bundesheer und 3,7 % bei den Auslandseinsätzen bestehe noch "Luft nach oben", zeigten sich Abgeordnete aller Fraktionen einig - darunter Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne), Gerhard Kaniak (FPÖ), Petra Wimmer (SPÖ) und Douglas Hoyos-Trauttmansdorff. Romana Deckenbacher (ÖVP) fragte, warum lediglich ein Drittel von 632 freiwillig gemeldeten Frauen den Ausbildungsdienst tatsächlich auch angetreten hat. Tanner verwies darauf, dass viele erst bei näherer Information realisierten, dass die Ausbildung nicht ihren Vorstellungen entspreche und die Laufbahnschritte oftmals fern vom Wohnort absolviert werden müssten. Man begegne diesem Umstand mit frühzeitiger Information und Tutorials. Auch würden sich manche erst später bewusst, dass das Land im Ernstfall auch unter Lebensgefahr verteidigt werden müsse, so Tanner.
Verteidigungsministerin Tanner sah den Frauenanteil im Bundesheer ebenfalls als zu gering an. Diese Frage sei laut ihr jedoch nicht rein quantitativ zu betrachten. Sie zählte eine Reihe an höheren Position im Bundesheer auf, die nun von Frauen bekleidet werden. Tanner verwies auf Maßnahmen wie das Mentoring-Programm oder Werbekampagnen, die spezifisch auf Frauen abzielten, um diesen den laut ihr "männlichsten aller Berufe" näher zu bringen. Frauen könnten sich nun auch an den sechs Stellungsstraßen melden und müssten nicht erst beim Heerespersonalamt zur Eignungsprüfung antreten, was eine unnötige Hürde beseitige. Zudem werde der mit konkreten Zielen und Kennzahlen versehene Frauenförderungsplan regelmäßig evaluiert, so Tanner.
Aktuelle Aussprache unter anderem über Beschaffungen, Forschung und Auslandseinsätze
In der Aktuellen Aussprache erkundigte sich Irene Neumann-Hartberger (ÖVP) über die "beachtliche" Forschungsexpertise des Bundesheeres. Hier habe man tatsächlich Einiges vorzuweisen, führte Verteidigungsministerin Tanner aus. Der übergeordnete Fokus liege auf der Digitalisierung der Streitkräfte sowie der Steigerung von Autarkie und Resilienz. Weiters beteilige man sich an der Europäischen Weltraumstrategie und forsche im Bereich der Cyberverteidigung.
Von Robert Laimer (SPÖ) nach dem Stand der Erneuerung der Österreichischen Sicherheitsstrategie gefragt, berichtete Tanner von einer ersten Gesprächsrunde unter Führung des Bundeskanzleramtes. Es gehe darum ein umfassendes Dokument zu schaffen, das immer auf dem aktuellsten Stand gehalten werden müsse. Die ebenfalls von Laimer aufgeworfene geistige Landesverteidigung werde laut Tanner in die Lehrpläne integriert. In Salzburg gebe es dahingehend bereits eine gute Kooperation mit der Bildungsdirektion, doch abgesehen davon gebe es noch "Vieles zu tun".
Bei praktisch allen Beschaffungen für das Bundesheer befinde man sich im Zeitplan, antwortete Tanner FPÖ-Mandatar Gerhard Kaniak. Dies betreffe sowohl die Nachfolge der Hercules-Maschinen, die Nutzungsdauerverlängerungen der Ulan 2- und Leopard-Panzer, die Modernisierung des Sturmgewehres 77 sowie die Beschaffung von geländegängigen LKW. Beim Ersatz für die Saab 105 sei man in der Planungsphase jedoch "hinten nach". Kaniak sprach auch das im Innenausschuss beschlossenen Bundeskrisenlager für den Gesundheitsbereich an. Laut Tanner liege dieses nicht im Vollzugsbereich ihres Ressorts, doch habe das Bundesheer als strategische Reserve der Republik auch hier seinen Beitrag zu leisten.
Für die "volatile Situation" am Westbalkan interessierte sich Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne). Sie äußerte auch ihre Sorge über den ungarischen Vorsitz der dortigen Mission Eufor Althea, da Ungarn aufgrund einer "Achse" zu Serbien nicht neutral sei. Österreich werde auch in Zukunft ein "verlässlicher internationaler Partner" für den Westbalkan bleiben, alle Verpflichtungen erfüllen und die Beteiligung noch weiterentwickeln, antwortete Tanner. Da Auslandseinsätze im Österreichischen Bundesheer nicht verpflichtet seien, müsse der dortige Einsatz auch "sinnvoll aufgezogen" werden. Bezüglich dem ungarischen Kommando verwies Tanner darauf, dass dieses regelmäßig wechsle. Ein Experte des Ressorts hielt fest, dass die politische Dimension von der militärisch-operativen vor Ort getrennt werden müsse.
Landesverteidigungsbericht 2022
Ebenfalls auf der Tagesordnung stand der erstmals gemäß Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz (LV-FinG) vorliegende Landesverteidigungsbericht 2022, der einen ernüchternden Befund für die österreichische Verteidigungsfähigkeit ausstellt (III-924 d.B.). Die Debatte dazu hielt sich in Grenzen, da der Bericht bereits in der vorangegangenen Sitzung des Landesverteidigungsausschusses eingehend diskutiert wurde. Rudolf Silvan (SPÖ) erkundigte sich nach dem Stand der Entwicklungen bezüglich Cyber Defense. Verteidigungsministerin Tanner sprach von einem planmäßigen Kurs. Der personelle Aufwuchs brauche jedoch noch Zeit, da die dahingehende Ausbildung erst im letzten Jahr ins Leben gerufen worden sei. Bis 2025 soll die Cyberverteidigung stehen. Für die materielle Ausstattung würde auch mit Partnernationen kooperiert, wie ein Experte des Ressorts informierte. (Schluss Landesverteidigungsausschuss) wit
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