- 20.06.2023, 15:57:03
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- OTS0205
Offener Brief zum Weltflüchtlingstag - Mangelhafte Umsetzung von Kinderrechten für geflüchtete Kinder
Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs fordern einen längst fälligen Paradigmenwechsel und eine dringende Anhebung der Tagsätze
Sehr geehrter Herr Innenminister Mag. Karner,
die Tragödie vor der Küste von Griechenland, mit hunderten Ertrunkenen, Kinder, Frauen, Familien, eingepfercht in einem schwimmenden Sarg, lässt niemanden unberührt. Sie zeigt zum wiederholten Male die Schiefheit und das Versagen in der Asylpolitik auf vielen Ebenen.
45 Millionen Kinder sind auf der Flucht, so viele wie noch nie, jedes einzelne Schicksal ist unvorstellbar, jedes einzelne Leben schützenswert: Und zwar sowohl durch humanitäre Hilfe vor Ort, als auch durch möglichst sichere Fluchtmöglichkeiten und erst recht durch Schutz und Beistand im Aufnahmeland. Und damit kommen wir nach Österreich. Auch das ist leider ein Trauerspiel in vielen Akten, von der fehlenden Obsorge bis hin zur mangelnden Berücksichtigung des Kindeswohls im Asylverfahren oder der unzureichenden Finanzierung der Betreuung in der Grundversorgung. Seit über sieben Jahren sind die ohnehin viel zu geringen Tagsätze unverändert! Es findet sich vielerorts kaum ein Träger, der zu diesen - bei weitem nicht den Bedarf abdeckenden – Beträgen, geflüchtete junge Menschen betreut. In manchen Bundesländern drohen Schließungen und damit Jugendlichen die Obdachlosigkeit mit allen Konsequenzen.
„Mit diesen Tagsätzen ist eine Betreuung nach sonst üblichen sozialpädagogischen Kriterien, gerade für diese oft schwer traumatisierte Gruppe junger Menschen, nicht möglich. Diese Ungleichbehandlung ist fachlich nicht vertretbar. Die Tagsätze müssen an die in der Kinder- und Jugendhilfe üblichen Tagsätze angeglichen werden,“ so die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs in ihrem Positionspapier von 2015! Sämtliche darin enthaltenen Forderungen sind leider nach wie vor aktuell.[1]
Die UN-Kinderrechtskonvention (KRK) hat dazu klare Worte: Kinder und Jugendliche auf der Flucht und zwar unabhängig davon, ob sie alleine oder sich in Begleitung ihrer Eltern oder einer anderen Person befinden, haben das Recht auf angemessenen Schutz und humanitäre Hilfe, inklusive einer Beistandspflicht bei der Wahrnehmung ihre Rechte, wie beispielsweise in der KRK oder anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen grundgelegt. Die Richtlinie des UN-Kinderrechte Ausschusses Nr. 6 (2005) normiert, „dass das Prinzip des Diskriminierungsverbots jegliche Benachteiligung eines [...] unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings untersagt“. Im Gegenteil, aufgrund ihrer erhöhten Schutzbedürftigkeit, haben sie sogar Anspruch auf verstärkte Hilfe und Beistand. Zudem wird darin festgehalten, dass sie in vollem Umfang Rechtsanspruch auf alle Menschenrechte, die einheimischen Kindern zustehen, haben. Konkret: „Können die Eltern oder andere Familienangehörige nicht ausfindig gemacht werden, so ist dem Kind (…) derselbe Schutz zu gewähren wie jedem anderen Kind, das aus irgendeinem Grund dauernd oder vorübergehend aus seiner familiären Umgebung herausgelöst ist.“ (Artikel 23 KRK).
Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs sind höchst besorgt über die Zukunft von Kindern und Jugendlichen auf bzw. nach der Flucht. Sie fordern zum wiederholten Mal den überfälligen Paradigmenwechsel, der die Gleichstellung von geflüchteten jungen Menschen in sämtlichen Lebensbereichen beinhaltet und das vielzitierte Kindeswohl vor Polemik und föderalistisches Hick-Hack stellt.
Wir ersuchen Sie daher mit Nachdruck, gemeinsam mit Ihren Kolleginnen und Kollegen im Sinne der völkerrechtlichen Verpflichtung eine Lösung zu finden und eine kinderrechtskonforme Obsorge und Betreuung sicherzustellen!
[1] https://www.ots.at/redirect/kija7
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Dr. Andrea Holz-Dahrenstaedt
kija@salzburg.gv.at
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