• 18.04.2023, 22:00:02
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Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 19. April 2023. Von NINA WERLBERGER. "Der Geist ist aus der Flasche".

Innsbruck (OTS) - 

Job-Killer, Propaganda-Werkzeug, Fake-News-Schleuder: Die Warnungen vor der Künstlichen Intelligenz werden immer lauter. Selbst die Erfinder der mächtigen Technologie sind alarmiert. Die Verantwortung müssen sie übernehmen.

Können Sie eine Sprache sprechen, die Sie nie gelernt haben? Nein? Die Künstliche Intelligenz von Google kann das. Warum? Das weiß niemand. Nicht einmal der Chef des Suchmaschinen-Giganten, Sundar Pichai, kann sich erklären, warum sein Chat-Programm „Bard“ plötzlich Bengalisch spricht. Auf diese Sprache, die in Indien und Bangladesch verbreitet ist, wurde es nie trainiert. Trotzdem parlierte „Bard“ in einem Dialog plötzlich fließend in dieser Sprache. Die Google-Leute verstehen selbst nicht vollständig, wie der Chat-Bot zu seinen Antworten kommt, räumte Sundar Pichai in einem Interview ein. Das ist ebenso bemerkenswert wie alarmierend. 
Die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz ist ein Experiment – in Echtzeit, mit unvorhersehbaren Folgen. Nach dem überwältigenden Erfolg des KI-Programms ChatGPT kamen Google und Co. unter Zugzwang, ihre über Jahre entwickelten Künstlichen Intelligenzen schneller als ge­plant in die Öffentlichkeit zu bringen. Seither kommen in rasantem Tempo immer neue KI-Anwendungen auf den Markt, die ganze Branchen, die Arbeitswelt, die Bildung, Sicherheit, Mobilität und Medizin umkrempeln. Das alles passiert – jetzt. Nur etwas Entscheidendes fehlt: Regeln.  
Die Entwickler haben den Geist der Künstlichen Intelligenz aus der Flasche gelassen. Nun versuchen sie halbherzig, ihn wieder einzufangen. In einem offenen Brief rief die Branche nach einem halben Jahr Pause bei der Entwicklung neuer Werkzeuge. Elon Musk, ein Investor der ersten Stunde, sagte zu den Gefahren der Künstlichen Intelligenz: „Sie hat das Potenzial zur Zerstörung der Zivilisation.“ Gleichzeitig bastelt er an einer neuen KI, die „maximal nach Wahrheit suchen soll“. Wen es jetzt noch nicht gruselt, überlege sich Folgendes:    
Die Technologie-Riesen können die Risiken ihrer Erfindungen aktuell nicht beherrschen. „Wir verstehen es selbst nicht ganz, so ist der Stand der Technik“ – sagt der Google-Chef ganz offen. Da macht er es sich zu leicht. Denn wer trägt am Ende die Verantwortung, wenn eine KI wieder einmal etwas halluziniert und Menschen deswegen zu Schaden kommen? Das muss klar geregelt werden. Ihrer Verantwortung müssen sich die Firmen stellen. Notwendig sind außerdem verbindliche, globale Regeln für die Technologie. Der Künstlichen Intelligenz müssen Grenzen gesetzt werden, damit sie eben nicht die Welt mit Desinformation flutet und Kriminellen zur Hand geht. Die Entwicklung muss nachvollziehbar werden. In einem Satz: Tadera niyantrana kara abasya’i sambhaba. Das ist jetzt Bengalisch für: Es muss möglich sein, sie zu kontrollieren.

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