• 23.03.2023, 12:40:03
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Digitaler Kinderschutz muss Kinderrechte wahren

Österreich (OTS) - 

Der Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren schließt sich der österreichischen Regierung an, die den Entwurf der EU-Verordnung zur Vorbeugung und Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch nicht unterstützt. 

Die Österreichischen Kinderschutzzentren begrüßen das Ziel der EU, Kindesmissbrauch vorzubeugen und zu bekämpfen. Im Entwurf der EU-Kommission sind wichtige Maßnahmen verankert, u.a. eine Pflicht zur Bewertung und Minderung von Risiken, klare Meldepflichten, wirksame Entfernung von Medien mit Missbrauchsdarstellungen, eine nachhaltige Stärkung der Ermittlungsbehörden sowie die Unterstützung der betroffenen Personen.

Diese Schwerpunkte adressieren zwar aktuelle Probleme, enthalten neben notwendigen und sinnvollen Maßnahmen, jedoch auch Vorschläge, die weder hilfreich noch realistisch sind, sondern an entscheidenden Punkten zu weit gehen bzw. dem Kinderschutz nur geringfügig dienen.

Die Initiative sendet ein deutliches Signal an alle Staaten der EU, stärker gegen sexualisierte Gewalt an Kindern vorzugehen, und macht deutlich, dass diese Verbrechen auch digital bekämpft werden müssen. Das Scannen von öffentlichen Plattformen ist sehr zu begrüßen, da hier der Großteil der Missbrauchsdarstellungen geteilt wird. Hedwig Wölfl, Vorstandsmitglied des Bundesverbrandes und Leiterin der Kinderschutzorganisation „die möwe“ fordert die EU auf: „Große Plattformen müssen in die Pflicht genommen werden, ihre digitalen Dienste davor zu schützen, für die Verbreitung von Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder genutzt zu werden. Weil Betroffene oft noch Jahre nach den Vorfällen unter der Weiterverbreitung von Bildern und Videos der erlittenen Missbrauchshandlungen leiden, ist es wichtig und sinnvoll, automatisiert nach bekannten Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern zu suchen und diese zu löschen.“ Dies basierte bis dato auf Freiwilligkeit. Mit einer Verlängerung der Ausnahme von der ePrivacy Regulierung sowie der strengen Durchsetzung des Digital Services Act, unter voller Nutzung der darin enthaltenen Schutzmechanismen kann die EU verstärken, dass diese CSA Bilder rasch gefunden, gemeldet und gelöscht werden.

Ein anlassloses Scannen von jeglicher verschlüsselter sowie unverschlüsselter privater Kommunikation (zB über Messengerdienste, private Cloudspeicher oder e-mail), eine sog. „Chatkontrolle“ geht aus Sicht der Kinderschutzzentren jedoch zu weit und ist zudem zu unspezifisch:

Für die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen spielen Messengerdienste, im Vergleich zu File-Sharing Plattformen nur eine untergeordnete Rolle“, erläutert Petra Sansone, Geschäftsführerin der Tiroler Kinder und Jugend GmbH und Vorstandsmitglied. In Abwägung des Rechts auf Privatsphäre und Datenschutz und des Kinderschutzes erachten wir ein anlassloses Scannen und Überwachen jeglicher privater Kommunikation als nicht verhältnismäßig.“, so die Expertin weiter.

Das anlasslose „Scannen“ würde tief in die Grundrechte der Kinder und Jugendlichen eingreifen. Ihr Aufwachsen in einem Umfeld, in dem freie Meinungsäußerung und vertrauliche Kommunikation selbstverständlich sind, beruht auf wesentlichen Pfeilern von Demokratie, Partizipation und den Kinderrechten und dieser Schutzraum darf durch überschießende Überwachung jeglichen digitalen Austausches nicht aufgebrochen werden. Eine damit einhergehende Altersverifikation - mit Ausweis oder biometrischen Daten - würde Jugendliche selbst so wie die Ermittlungsbehörden nicht zuletzt aufgrund der national unterschiedlichen Altersgrenzen in Jugendschutzgesetzen stark unter Druck bringen. Es könnte zum anderen dazu führen, dass große Anbieter an hochsensible Daten von Kindern gelangen und diese für immer eindeutig identifizieren könnten.

Weiter muss befürchtet werden, dass Jugendliche zB wegen einvernehmlichen Sextings oder Erwachsene zB wegen Weiterleitens von Bildern zum Zweck medizinischer Diagnostik und Behandlung möglicherweise zu Unrecht kriminalisiert werden.

Zudem droht eine große Zunahme an Falschmeldungen, sprich eine Meldung von harmlosem Material, welche die Behörden trotzdem auswerten müssten, wodurch alleine aufgrund der riesigen Datenmenge wichtige Ressourcen zur Verfolgung von Sexualstraftätern verloren gehen. Insgesamt steht also dieser Entwurf zur Entdeckung von Missbrauchsdarstellungen auch aus Kinderschutzsicht in keinem Verhältnis zu den Risiken, die durch den Tabubruchs einer Aufhebung unseres Grundrechts auf private Kommunikation entstehen.

Auch zur Prävention von Cybergrooming, welches seit Jahren stark im Steigen ist, dienen die Maßnahmen kaum, da der Großteil der Kontaktanbahnungen auch hier nicht über verschlüsselte Messengerdienste stattfindet, sondern in freien online-Räumen wie etwa Online-Spielen o.ä.

„Das Engagement der EU, Kinder auch digital zu schützen, begrüßen wir sehr. Ich sehe hier auch keinen grundsätzlichen Widerspruch zwischen Kinderschutz und Datenschutz, wenn das Scannen gezielt und treffsicher auf den richtigen öffentlichen Plattformen erfolgt, wie es Frankreich während der Pandemie auf Initiative einer Kinderschutzorganisation (L‘Enfant Bleu) durch die Erreichbarkeit eines hilfreichen Undercover Avatars im Spiel Fortnite erfolgreich vorgezeigt hat.“, meint Thomas Graf, Leiter Kidsnest Waldviertel und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Österreichischer Kinderschutzzentren. „Solche Maßnahmen sind kindgerecht, helfen dort wo im digitalen Raum Unsicherheit entsteht und Kinder Hilfe brauchen. Wir setzen uns für Präventionsmaßnahmen ein, die treffsicher sind: digitale Aufklärung und Bewusstseinsbildung im Alltag der medialen Kommunikation in einer (Bild)Sprache, die Kinder verstehen“, sagt der Psychologe und verweist auf Forderungen des Bundesverbandes für altersgerechten Kinderschutz direkt im – auch digitalen – Lebensraum von Kindern und Jugendlichen. 

Was fordern wir als österreichische Kinderschutzzentren:

  • Ausbau von Präventionsangeboten gegen sexuellen Missbrauch im Netz, beginnend mit dem Kindergartenalter 

  • Konsequentes und rasches Löschen gefundener CSA Daten

  • Die Erforschung des Dunkelfeldes der sexuellen/sexualisierten Gewalt (sozialer Nahbereich) ist dringend erforderlich, um Prävention und Intervention zu verbessern

  • bessere Ausbildung und koordinierter Wissenstransfer für digitale Ermittlungen und personelle Aufstockung der Ermittlungsbehörden

  • Medienkompetenzförderung (z.B. um Kinder angemessen und altersgerecht bei der Internetnutzung zu begleiten, über Risiken bei der Veröffentlichung von Daten informieren), medien- und sexualpädagogische Aufklärung für Kinder, Eltern und Lehrer*innen (wie es auch die UNESCO mit ihrem Beschluss zur Media-Literacy „Think critically, Click Wisely“ fordert)

  • Etablierung von Schutzkonzepten im digitalen Raum

  • niedrigschwellige Melde-, Abhilfe- und Beschwerdemechanismen auf Seiten, die v.a. und regelmäßig von minderjährigen Kindern und Jugendlichen benutzt und besucht werden

  • Ausspielen von Warnmeldungen beim Versand und Empfang sexualisierten Bildmaterials (wie z.B. umgesetzt durch das „Communication Safety Feature“ in iMessage von Apple)

  • Einbinden von Kinderschutzthemen mit digitaler Komponente in die Ausbildung für alle Berufsgruppen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten

  • Cybergrooming als immer größer werdenden Schwerpunkt ebenso mit in die Präventionskampagnen einbeziehen

  • Niederschwellige Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche – auf Social Media Plattformen, in Online-Games sowie weiteren Plattformen, wo sich Kinder und Jugendliche bewegen

Rückfragen & Kontakt

DIE ÖSTERREICHISCHEN KINDERSCHUTZZENTREN
Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren

Mag.a Hedwig Wölfl
Stv. Vorsitzende
Tel: +43 1 532 14 14-713
Mobil +43 699 19680049

Mag. Thomas Graf
Vorstandsmitglied
Mobil: +43 664 3869570

www.oe-kinderschutzzentren.at
info@oe-kinderschutzzentren.at

Der direkte Weg zu allen österreichischen Kinderschutzzentren
www.kinder-schuetzen.at

Plattform Kinderschutzkonzepte
www.schutzkonzepte.at

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