• 02.03.2023, 11:32:22
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Drogenbericht 2022: Risikoreicher Drogenkonsum in Österreich relativ stabil

Anstieg tödlicher Überdosierungen im Jahr 2021 eventuell Folge der COVID-19-Pandemie

Wien (OTS) - 

Der heute veröffentlichte „Epidemiologiebericht Sucht 2022“ behandelt den Konsum von Tabak, Alkohol und illegalen Drogen in Österreich. Das Ergebnis fasst Martin Busch, Leiter des Kompetenzzentrums Sucht an der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) im Zuge des heutigen Pressegesprächs zusammen: „Insgesamt ist im Bereich Tabak und Alkohol von einer sich verbessernden Situation auszugehen. Das tägliche Rauchen ist speziell bei Jugendlichen weiterhin rückläufig und der in Österreich pro Kopf konsumierte Alkohol geht im langfristigen Vergleich ebenfalls zurück. Auch im Bereich illegale Drogen deuten die meisten Indikatoren in Richtung stabile Situation. Allerdings könnte der deutliche Anstieg drogenbezogener Todesfälle im Jahr 2021 ein erstes Anzeichen einer Verschärfung der Drogensituation sein. Der Anstieg ist aber auch im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie zu sehen, die für die vulnerable Gruppe der Menschen mit Suchterkrankung eine besondere zusätzliche Belastung darstellte“, so Busch. 

Tabak‐ und verwandte Erzeugnisse: Jede/r fünfte raucht täglich – Tendenz abnehmend

Rauchen ist die am weitest verbreitete Sucht in Österreich. Etwa jede fünfte Person (21 Prozent) gibt an, täglich zu rauchen. Trotz eines Rückgangs des Zigarettenkonsums liegt Österreich noch über dem europäischen Durchschnitt. In den letzten Jahren ist insbesondere ein Konsumrückgang bei Jugendlichen zu verzeichnen: Bei den 15-Jährigen hat sich der Anteil der Raucher:innen seit 2003 mehr als halbiert (von 30 Prozent 2003 auf 12 Prozent 2019).

Tabakrauchen (inklusive Passivrauchen) ist in Österreich gemäß aktuellen Schätzungen für 16 Prozent aller Todesfälle verantwortlich. Frauen rauchen nach wie vor etwas seltener und im Durchschnitt weniger Zigaretten pro Tag als Männer, ihr Rauchverhalten hat sich jedoch jenem von Männern über die Jahrzehnte angeglichen.

Ein gutes Drittel der täglich Rauchenden (über eine halbe Million Österreicher:innen) hat vor Kurzem erfolglos versucht, mit dem Rauchen aufzuhören. „Hier liegt ein großes Potenzial zur Verbesserung der Situation, wenn diese Menschen adäquat unterstützt werden ihr selbst gesetztes Ziel zu erreichen“ so Busch

Produkte wie Shisha, E-Zigaretten oder sogenannte „neue“ Produkte wie Nikotinbeutel oder Tabak über Tabakerhitzer werden eher probiert oder gelegentlich als täglich konsumiert. Allerdings ändert sich die Situation insbesondere hinsichtlich „neuer“ Produkte ziemlich schnell, was fundierte Aussagen erst zeitverzögert möglich macht.  

Alkohol: 15 Prozent trinken in einem problematischen Ausmaß, Männer doppelt so häufig

Alkohol ist jene psychoaktive Substanz, mit der in Österreich die meisten Menschen Erfahrungen machen. Etwa 15 Prozent der Bevölkerung in Österreich trinken in einem gesundheitsgefährdenden Ausmaß, wobei ein solches Verhalten bei Männern doppelt so häufig feststellbar ist wie bei Frauen. Im Jahr 2020 wurden 1,4 Prozent aller Todesfälle explizit mit Alkoholkonsum in Verbindung gebracht. Die tatsächliche Zahl der Todesfälle, bei denen exzessiver Alkoholkonsum eine wesentliche Rolle gespielt hat, wird jedoch höher liegen.

Generell lassen sich aber sehr wohl positive Entwicklungen beobachten, so Busch: „Der pro Kopf in Österreich konsumierte Alkohol, alkoholassoziierte Erkrankungen und Todesfälle sind seit Jahren rückläufig. Auch bei den Jugendlichen zeigt sich insgesamt im Einklang mit der Entwicklung in vielen anderen EU‐Ländern ein Rückgang des Alkoholkonsums.“  

Illegale Drogen: Die meisten Indikatoren deuten in Richtung stabile Lage

Der risikoreiche Drogenkonsum wird in Österreich vom Opioidkonsum (z. B. Heroin) dominiert, zumeist als Mischkonsum in Verbindung mit anderen legalen und illegalen Substanzen. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass der weitaus größte Teil aller drogenspezifischen Behandlungen Menschen mit Opioidproblematik betreffen. Von Opioidabhängigkeit sind vorwiegend Männer (drei Viertel), Personen ab 25 Jahren (92%) und Menschen in Ballungszentren betroffen. Etwas weniger als die Hälfte der Abhängigen lebt in der Bundeshauptstadt Wien.

Schätzungen gehen davon aus, dass in Österreich 35.000 bis 40.000 Menschen einen risikoreichen Opioidkonsum aufweisen (Prävalenzschätzung). Insgesamt ist derzeit von einer stabilen Situation auszugehen „Die Daten aus dem Drogenmonitoring zeigen bei den unter 25-Jährigen weiterhin eine stagnierende Zahl an Einsteiger:innen und es fehlen derzeit auch Anzeichen einer signifikanten Verlagerung hin zu anderen Substanzen. Darüber hinaus sehen wir eine kontinuierliche Alterung der Personengruppe mit risikoreichem Opioidkonsum aufgrund der verbesserten therapeutischen Versorgung.“ so Suchtexperte Busch.

Etwas über die Häfte der Personen mit risikoreichem Opioidkonsum befinden sich in drogenspezifischer Behandlung, großteils in Opioidsubstitutionsbehandlung. Für Martin Busch ein Erfolg der österreichischen Suchthilfe: „Es ist in den letzten Jahrzenten gelungen, die Behandlungsrate von opioidabhängigen Personen massiv zu erhöhen. 2021 befanden sich 20.138 Personen in Opioidssubstitutionsbehandlung, die in Österreich in rund drei Viertel aller Fälle von Allgemeinmedizinerinnen und -medizinern durchgeführt wird. Dennoch ist es notwendig die Behandlungsquote noch weiter zu erhöhen.“ 

Drogenbezogene Todesfälle: Verschärfung der Drogensituation oder Folge der Pandemie?

Im Jahr 2021 waren insgesamt 235 drogenbezogene Todesfälle, also tödliche Überdosierungen zu verzeichnen, das bedeutet einen Anstieg gegenüber den Vorjahren (2020: 191, 2019: 196).

Der Anteil der Personen unter 25 Jahren war im letzten Jahrzehnt bei den drogenbezogenen Todesfällen niedrig und stieg in jüngster Vergangenheit wieder leicht an. In Zusammenschau mit der insgesamt angestiegenen Zahl der drogenbezogenen Todesfälle könnte das ein erstes Anzeichen für eine Verschärfung der Drogensituation sein, erläutert Busch. Er hält es aber auch für realistisch, dass es sich bei dieser Entwicklung um eine vorübergehende Folge der COVID-19-Pandemie handeln könnte beziehungsweise beides zutrifft: „Endgültig werden wir die Ursachen für den Anstieg erst in einigen Jahren beantworten können. Klar ist aber, dass suchtkranke Menschen in vielerlei Hinsicht eine sehr vulnerable Gruppe sind, deren Situation sich in der Pandemie großteils massiv verschlechtert hat. Die zusätzlichen Belastungen und Ängste dürften zu einer Erhöhung der psychiatrischen Komorbidität geführt haben. Das wurde uns von drogenspezifischen Einrichtungen auch bereits mitgeteilt“, so der GÖG-Experte.

Da über die Hälfte der an einer Überdosierung verstorbenen Menschen noch nie in Opioidsubstitutionsbehandlung war stellt die wichtigste Maßnahme zur Senkung der Zahl eine weitere Erhöhung der Behandlungsrate dar. Der Ausbau von Peer Naloxon Programmen (hier werden Betroffene und deren Angehörige in Erster Hilfe und der Verabreichung von Naloxon – einer Substanz, welche die Wirkung von Opiaten kurzfristig bis zum Eintreffen der Rettung aufhebt geschult) und Drug Checking sind weitere sinnvolle Maßnahmen. Wichtig ist es aber auch, die oben angesprochenen  psychosozialen Belastungen für die Gruppe der suchtkranken Menschen entsprechend abzufedern. 

COVID-19: Erhöhter Betreuungsbedarf in den nächsten Jahren

Im Bereich legale Süchte stehen keine Daten aus dem ambulanten Behandlungsbereich zur Verfügung, eine rezente Studie in der Gesamtbevölkerung gibt jedoch Einblicke in die Auswirkungen der Coronakrise auf den Tabak‐ und den Alkoholkonsum:

Pandemiebedingt dürfte es im Jahr 2020 zu keinen Änderungen beim Anteil der täglich Rauchenden gekommen sein. Bei Raucherinnen hat sich der Zigarettenkonsum während des ersten Lockdowns stressbedingt erhöht.

Die pandemiebedingten Einschränkungen haben insgesamt zu einem relevanten Rückgang des durchschnittlichen Pro‐Kopf‐Konsums von Alkohol in Österreich geführt. Es bestehen aber Indizien für einen Anstieg in Subgruppen: bei Frauen, bei Personen mit niedrigem Bildungsabschluss sowie bei jenen Personen, die ohnehin schon in erhöhtem Maße Alkohol getrunken haben. Die Zunahme des Alkoholkonsums während der Pandemie in diesen Subgruppen steht dabei vor allem in Zusammenhang mit Depressionen, fehlenden Sozialkontakten, existenzieller Unsicherheit und der zunehmenden Dauer der Pandemie.

Zudem kam es pandemiebedingt im Jahr 2020 zu einem deutlichen Rückgang der Behandlungen von Patientinnen und Patienten mit einer alkoholassoziierten Erkrankung im Krankenhaus. Daher ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren die Versorgung von Menschen mit alkoholassoziierten Problemen vor deutlichen Herausforderungen und einem erhöhten Betreuungsbedarf stehen wird.

Die mittel‐ bis langfristigen Auswirkungen der COVID‐19‐Pandemie auf Personen mit Drogenproblematik lassen sich derzeit noch nicht final abschätzen. Versäumte Chancen, eine Suchtbehandlung zu beginnen, und der Ausfall vieler suchtpräventiver Maßnahmen sind Faktoren, die eine Verschärfung der Situation im Bereich Drogensucht und eine gesteigerte Behandlungsnachfrage nach der Pandemie plausibel machen. Dazu Suchtexperte Busch: „Insgesamt zeigt sich, dass die bereits bestehenden Behandlungen in den meisten Fällen weitergeführt werden konnten. Personen wurden vermutlich aufgrund von COVID‐19 sogar länger in Behandlung gehalten. Der Rückgang der begonnenen Behandlungen, insbesondere der Erstbehandlungen im ambulanten Bereich, und bei der Opioid‐Substitutionsbehandlung gibt jedoch Grund zur Sorge. Hier wird sich der Behandlungsbedarf nach COVID-19 sicher erhöhen.“ 

Zusammenfassung und Ausblick

Insgesamt zeigt sich hinsichtlich der rezenten Entwicklung der Suchtsituation bezüglich illegaler Drogen, Tabak und Alkohol mit Ausnahme der drogenbezogenen Todesfälle ein relativ stabiles Bild.

Neben den Folgen, die die Corona-Krise und ihre Bewältigung mit sich bringt, gibt es darüber hinaus in vielen Bereichen Herausforderungen: Etwa Hepatitis C bei Opiatabhängigen, die alternde Generation suchtkranker Menschen, neue Produkte im Bereich Tabak‐ und verwandte Erzeugnisse, die steigende Bedeutung von Kokain und die Entwicklung von Maßnahmen zur Verhinderung tödlicher Überdosierungen.

Link zu den Drogenberichten 2022: https://goeg.at/drogenberichte_2022

Rückfragen & Kontakt

Gesundheit Österreich GmbH
Christoph Ertl
Kommunikation
+43 676 848 191 407
Christoph.Ertl@goeg.at
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