• 15.02.2023, 22:00:02
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TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" vom 16. Februar 2023 von Anita Heubacher "Was woar mei Leistung?"

Innsbruck (OTS) - 

Heute ist Equal-Pay-Day und damit wird Frauen vor Augen geführt, dass sich für sie Leistung weniger lohnt. Beim Blick auf die Vermögensverteilung wird aber insgesamt klar, dass das Leistungsversprechen ins Wanken gerät.

Bis heute, also bis 16. Februar, arbeiten Frauen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen gratis. Das nennt sich Equal-Pay-Day. Er beschreibt die Differenz zwischen den Gehältern von Männern und Frauen in Vollzeit. Dort verdienen Frauen um 13 Prozent weniger als Männer. Letztes Jahr war der Equal-Pay-Day einen Tag früher. Das heißt, die Einkommensschere ist weiter auseinandergegangen, anstatt sich zu schließen. Der Equal-Pay-Day ist das Signal an Frauen, dass sich ihre Leistung noch weniger lohnt als für ihre männlichen Kollegen.
Der Vorstoß von Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher kam daher zur Unzeit. Der Aufschrei war entsprechend groß, weil Kocher laut darüber nachgedacht hat, dem, der weniger arbeitet, auch weniger Sozialleistungen zuzugestehen. In Österreich arbeiten vor allem Frauen zwar nicht weniger, aber sehr oft und viel zu lange in Teilzeit, also weniger Stunden in bezahlter Erwerbsarbeit. Zwei Drittel der Paare leben das klassische Rollenmodell. Er Vollzeit, sie Teilzeit, bei einem Viertel dieser Paare verdient gar nur er. Das war gesellschaftlich und politisch lange Jahre gewollt. Schließlich galt und gilt die Familie als das Fundament einer Gemeinschaft. Frauenpolitik wurde zu oft mit Familienpolitik verwechselt. Daher lässt sich häufig das Angebot an Kinderbetreuung nicht mit dem Erwerbsleben in Vollzeit vereinen. Die Werkzeuge, die die Abhängigkeit von Frauen von ihren Männern verringern würden, wie etwa das Pensionssplitting, wurden und werden nicht propagiert. Damit würde ihr Pensionskonto in den Jahren der Kindererziehung aufgefettet, seines weniger werden. Ganz so ernst meinte es die Politik damit nicht, denn das Pensionssplitting ist noch immer freiwillig. 
Martin Kocher ruderte gestern zurück. Er wolle lediglich mehr Menschen in Vollzeitbeschäftigung bringen. Dafür müsste sich Leistung für alle lohnen. Und das tut sie nur noch bedingt. Denn in der Regel ist selbst mit einem guten Einkommen das nicht mehr aufzuholen, was man beim Erben versäumt hat. Statt darüber nachzudenken, wie man Sozialleistungen kürzt, wäre es wohl eher angebracht, über die Besteuerung von Arbeit und Vermögen nachzudenken und hier umzuschichten. Was genau die Leistung beim Erben ist, hat der Arbeitsminister noch nie erklärt. Inzwischen mehren sich die Rufe von Wirtschaftsexperten, die „heilige Kuh“ Vermögen anzutasten, um die Steuertöpfe zu füllen. Dann könnte die Leistungsgesellschaft darüber nachdenken, ob sie nicht Betreuungsarbeit entlohnen will. Nämlich die, die Frauen bis dato zu Hause das ganze Jahr über gratis verrichten.   

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