Der Senat 3 befasste sich mit dem Beitrag „‘Shedding‘ nun bewiesen: Die COVID-19-mRNA-Impfstoffe sind ansteckend“, erschienen am 09.10.2022 auf „wochenblick.at“. Nach Ansicht des Senats verstößt das darin beigefügte Symbolbild gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex für die österreichische Presse (Gewissenhaftigkeit und Korrektheit).
Beim Beitrag handelt es sich um einen Gastkommentar eines Arztes, der u.a. das Buch „Raus aus dem Corona-Chaos“ veröffentlicht hat. Dem Arzt zufolge würden viele Ungeimpfte schon seit längerem befürchten, dass Corona-Geimpfte das Spike-Protein des SARS-CoV-2-Virus ausstoßen könnten. In den sozialen Medien gebe es etliche Gruppen und Kanäle, die Berichte von den vermeintlichen Opfern dieses „Impfstoff-Sheddings“ sammeln und Tipps geben würden, wie man sich vor Geimpften schützen könne. Dem Gastbeitrag ist eine Fotomontage beigefügt, in der eine Hand mit einer Spritze zu sehen ist; im Hintergrund sind Kinder mit schweren Fehlbildungen bzw. körperlichen Behinderungen auf einem Schwarzweißfoto abgebildet.
Eine Leserin wandte sich an den Presserat und kritisierte, dass der Beitrag mit einem alten Foto bebildert werde, auf dem in Wahrheit Contergan-geschädigte Kinder zu sehen seien. Nach Meinung der Leserin werde dadurch suggeriert, dass COVID-19-Impfungen bei Kindern u.a. den Verlust von Gliedmaßen zur Folge haben könnten; das sei wissenschaftlich nicht haltbar. Die Medieninhaberin nahm am Verfahren vor dem Presserat nicht teil.
Der Senat hält zunächst fest, dass Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten und Kommentaren oberste Verpflichtung von Journalistinnen und Journalisten sind. Diese Vorgabe des Punkt 2.1 des Ehrenkodex schließt u.a. mit ein, Bilder im erforderlichen Kontext zu veröffentlichen.
Gegen die Verwendung von Symbolfotos ist grundsätzlich nichts einzuwenden, sofern der symbolische Charakter offenkundig ist oder das Bild entsprechend gekennzeichnet wird. Eine medienethische Grenze kann jedoch dann überschritten sein, wenn ein Symbolfoto mit dem im Artikel geschilderten Sachverhalt nichts zu tun hat. Dieser Grundsatz gilt umso mehr, wenn es dem Medium offenbar gezielt darum geht, mit einem irreführenden Symbolbild negative Assoziationen bei den Leserinnen und Lesern hervorzurufen.
Der Senat stuft die vorliegende Fotomontage als manipulativ ein: Auf dem Schwarzweißfoto hinter einer Hand mit einer Spritze werden mehrere Kinder mit schweren Fehlbildungen gezeigt. Wie von der Leserin richtig angemerkt wird, handelt es sich bei den Abgebildeten um Contergan-geschädigte Kinder. Anfang der 1960er Jahre kamen in der Bundesrepublik Deutschland zahlreiche Babys mit verkürzten Armen und Beinen zur Welt, verursacht durch das Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan („Contergan-Skandal“). Das vorliegende Foto erweckt den irreführenden Eindruck, dass die aktuellen mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 bei Kindern Missbildungen von Gliedmaßen verursachen könnten.
In dieser Darstellung erkennt der Senat einen Verstoß gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex: Journalistinnen und Journalisten müssen auch Bildmaterial gewissenhaft und korrekt aufbereiten. Erschwerend kommt hinzu, dass gerade beim emotional aufgeladenen Thema „Impfen“ und „COVID-19“ ein erhöhtes Maß an Sorgfalt erforderlich ist; auf dieses Prinzip wurde die Medieninhaberin bereits in zahlreichen Entscheidungen der Senate des Presserats hingewiesen. Zudem stuft der Senat speziell das Thema Impfungen von Kindern als besonders sensibel ein.
Im Ergebnis hält es der Senat für angemessen, wegen der Bildveröffentlichung einen schwerwiegenden Verstoß gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex festzustellen. Somit ist es nicht weiter erforderlich, den Gastbeitrag zum Thema „Shedding“ aus inhaltlicher Sicht näher zu prüfen.
SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER LESERIN
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
Im vorliegenden Fall führte der Senat 3 des Presserats aufgrund einer Mitteilung einer Leserin ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin von „wochenblick.at“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.
Die Medieninhaberin von „wochenblick.at“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats nicht anerkannt.
Rückfragen & Kontakt
Wolfgang Unterhuber, Sprecher des Senats 3, Tel.: 05 9030-22760
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