- 19.01.2023, 14:33:22
- /
- OTS0149
Antikorruptionsbegehren im Parlament: „durchwachsene“ Bilanz
Einige Fortschritte „anerkennenswert“, aber noch viele „große offene Baustellen“ – Volksbegehren berichtet am Nachmittag dem Bundespräsidenten
Anlässlich der parlamentarischen Behandlung des Rechtsstaat & Anti-Korruptionsvolksbegehrens fand heutig Vormittag ein öffentliches Expertenhearing im Justizausschuss des Nationalrats statt. An dem rund vierstündigen Hearing nahmen u. a. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, Justizministerin Alma Zadić, Proponentinnen und Proponenten des Antikorruptionsbegehrens, Abgeordnete aller im Nationalrat vertretenen Parteien sowie (von allen Parlamentsklubs nominierte) Fachleute teil und tauschten ihre Positionen zu den politischen Notwendigkeiten moderner Korruptionsbekämpfung und damit den Forderungen des Volksbegehrens aus. Bis zum 21. Februar 2023 muss der Justizausschuss seinen diesbezüglichen Bericht dem Plenum des Nationalrats vorgelegt haben.
Martin Kreutner, einer der Proponenten und Zustellungsbevollmächtigter des Rechtsstaat & Anti-Korruptionsvolksbegehrens, zog nach dem Termin eine erste „durchwachsene“ Bilanz: „Die Stellungnahmen der Parteien haben uns den Eindruck vermittelt, dass die dringliche Notwendigkeit umfassender Reformen nach `Ibiza´ noch nicht bei allen Fraktionen vollinhaltlich angekommen ist. Jedenfalls sind allgemeine Wortspenden und Ankündigungen noch keine harte und ehrliche Währung. Darum werden wir beharrlich dranbleiben, bis die berechtigten Anliegen der Bevölkerung umgesetzt werden
“, so Kreutner. Als erfahrenes Personenkomitee in Sachen Transparenz und Antikorruption sei man gewohnt, „dicke Bretter zu bohren“.
Beginn eines Aufholprozesses zum Erreichen internationaler Standards
Das im Juni 2021 gestartete Volksbegehren verwies darauf, dass seither durchaus „einige erfreuliche Entwicklungen, die auch anerkennenswert sind“ zu verzeichnen seien. Als Beispiele dafür wurden u. a. diverse Verschärfungen in der Novelle des Parteiengesetzes, einige der Ansätze im neuen Medientransparenzgesetz sowie die (nach mehrfacher Aufforderung der OECD) endlich im Verbandsverantwortlichkeitsgesetz („Unternehmensstrafrecht“) verankerten höheren Strafen genannt. Auch die zuletzt vorgestellten Entwürfe zur Verschärfung des Korruptionsstrafrecht wurden grundsätzlich begrüßt: „Dass Mandatskauf und Kandidatenbestechung künftig strafbar sein sollen, ist ein nicht unwesentlicher Fortschritt. Positiv ist auch, dass für diese Novelle acht Wochen für die Begutachtung vorgesehen sind. Diese Zeit gilt es allerdings zu nutzen, um die Stellungnahmen dazu angemessen zu berücksichtigen, damit die noch vorhandenen Schwachstellen geschlossen werden
“, so Heinz Mayer, ehemaliger Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und Mitproponent des Volksbegehrens.
Auf diesen ersten Fortschritten dürfe sich aber „niemand im Land selbstzufrieden ausruhen“, schließlich habe erst der jüngste GRECO-Bericht des Europarats (siehe: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230116_OTS0043/antikorruptionsbegehren-mahnt-hoeheres-tempo-bei-reformen-ein) erneut deutlich gezeigt, dass es sich dabei nur um den „Beginn eines Aufholprozesses“ zum Erreichen internationaler Standards handeln könne. Zudem gehe es nicht nur um die Sanierung eines bereits eingetretenen „politischen Wasserschadens“ (Zitat Bundespräsident Van der Bellen), sondern darum, „durch eine generelle Verbesserung und Stärkung der Bausubstanz, Schäden und Fehlentwicklungen in der Zukunft zu vermeiden“, so auch Heide Schmidt, Mitproponentin des Volksbegehrens.
Als offene Baustellen in diesem Zusammenhang wurden das längst überfällige Informationsfreiheitsgesetz, die Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz v. a. durch die Schaffung einer Bundesstaatsanwaltschaft mit Kollegialcharakter, eine Modernisierung des Bundesarchivgesetzes in Hinsicht auf „Schreddern & Co.“ sowie Reformen für transparente, objektive Postenvergaben und Beschaffungsprozesse im öffentlichen Sektor angeführt. „Anlässlich des heutigen Justizausschusses appellieren wir an alle im Parlament vertretenen Parteien sowie die Bundesregierung, diese wichtigen und bitter nötigen Reformen mit Nachdruck zu verfolgen und noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen
“, betonte auch Michael Ikrath, Mitproponent und ehem. Abgeordneter zum Nationalrat.
Bericht an den Bundespräsidenten
Erneut mahnte das Rechtsstaat & Anti-Korruptionsvolksbegehrens ein höheres Tempo bei der Verwirklichung der von der Regierung angekündigten Reformen ein. „Alle Parteien sollten sich bewusst sein, dass greifbare Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung nicht nur von der überwiegenden Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger, sondern auch von einer breiten Allianz zivilgesellschaftlicher Organisationen unterstützt werden (siehe dazu: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20211207_OTS0144/antikorruptionsbegehren-breite-allianz-gegen-machtmissbrauch-bild). Nicht zuletzt die Aufdeckung zahlreicher Fälle von Machtmissbrauch sowie die breite mediale Berichterstattung über bestehende Missstände machen es unmöglich, den dringenden Reformbedarf zu ignorieren“, betonte abschließend Martin Kreutner.
Starkes Interesse an der angesprochenen „Generalsanierung des politischen Schadens“ zeigt auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der die Proponentinnen und Proponenten des Antikorruptionsbegehren im Anschluss an den heutigen Justizausschuss, um 15:00 Uhr, empfangen wird, um sich aus erster Hand berichten zu lassen.
Rückfragen & Kontakt
Jan Hofmann, The Skills Group
E: hofmann@skills.at
M: +43 664 88236197
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | SKI