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TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: "I have a dream", von Karin Leitner
Ausgabe vom Donnerstag, 29. Dezember 2022
Viele Bürger haben viele Vorsätze für das kommende Jahr. Es gäbe auch viele Ansätze für die Parlamentsparteien, ihre Politik zu ändern. Daher eine Wunschliste an die türkis-grünen Koalitionäre und die Oppositionellen.
Zu den obligaten guten Vorsätzen für das neue Jahr ein Nachsatz: Lassen wir es auch jetzt damit – weil es zumeist nichts damit wird. Und so widmen wir uns Begehrlichkeiten – an die Politik, die hiesigen Parlamentsparteien.
Ad ÖVP: Die von Karl Nehammer geführte Kanzlertruppe beendet das unleidliche Kapitel rund um ihren vermeintlichen Superstar und tatsächlichen Blender Sebastian Kurz, arbeitet die unrühmliche Vergangenheit schonungslos auf. Der von Kurz propagierte „neue Stil“ bleibt nicht länger Floskel. Es gibt ihn. Freunderl- und anderweitige Misswirtschaft zugunsten der Partei sind passé. Zudem besinnt sich die ÖVP in Flüchtlingsfragen ihrer christlich-sozialen Wurzeln. Ihre gut bezahlten Oberen, in warmen Wohnstuben sitzend, versuchen nicht mehr, Stimmen-Kapital aus der Not vieler zu schlagen. Sie korrigieren – wenn schon nicht menschlich motiviert – die politisch kalkulierte Linie, weil sie merken, dass diese nicht ihr, sondern den Freiheitlichen Zuspruch bringt. Detto klären sie den mit Hybris behafteten Wolfgang Sobotka auf, dass er nicht Parteisoldat, sondern Nationalratspräsident – es geht um das zweithöchste Amt im Staate – ist.
Ad SPÖ: Die Vertreter der einstigen Regierungs- und jetzigen Oppositionspartei verschwenden ihre Energie nicht weiter in öffentlich ausgetragenen Streitereien, dahingehend, wer Spitzenkandidat bei der kommenden Nationalratswahl sein soll. Das vom burgenländischen SPÖ-Vorsitzenden und Landeshauptmann favorisierte Zwei-Personen-Stück „Doskozil versus Rendi-Wagner“ wird vom Spielplan genommen – wegen Anödung des Publikums. Die Roten konzentrieren sich endlich auf ihren Job: inhaltliche Arbeit, derer es in Zeiten wie diesen genügend gibt.
Ad FPÖ: Parteichef Herbert Kickl stellt sich vor, was er täte, wenn er in einem Kriegsgebiet lebte – um sein Leben und das der Seinen bangend –, und überdenkt die Asylpolitik seiner Partei. Weiters „entwurmt“ er sich von der Wissenschaftsfeindlichkeit und rechtsrechten Parteigängern.
Ad Grüne: Vizekanzler Werner Kogler und seine Getreuen sind sich bewusst, dass Duckmäusertum dem Koalitionspartner gegenüber um des Machterhalts willen schlecht ist – weil damit vormalig postulierte Werte keine mehr sind.
Ad NEOS: Die Pinken ändern ihre Sozialpolitik, weil ihnen gewahr ist, dass nicht alle wohlbestallt sind wie ihre Protagonisten. Und dass der „freie Markt“ propagandistisch gut klingt, für viele aber nicht gut ist.
Alle agieren nicht populistisch, sondern getreu ihren Grundsätzen. Naive Gedanken? Wohl ja. Man wird aber noch träumen dürfen.
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