• 13.12.2022, 08:50:02
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„Nichtberücksichtigung von Wissenschaft gleichheitswidrig“

Verfassungsjurist Heinz Mayer zum Entwurf der Novelle der Medienförderung: „Erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken“.

Wien (OTS) - 

Der Entwurf zur Novelle der Medienförderung trägt in seiner derzeitigen Version weder dem Forschungsstandort Österreich noch dem geplanten Abbau von Wissenschaftsfeindlichkeit Rechnung. Anders als Berichte über „Politik, Wirtschaft Gesellschaft, Kultur, Sport“ zählen in dem Entwurf Berichte über Wissenschaft nicht zu den „Universalkriterien“ für Medienförderung.

Laut dem Verfassungsjuristen Heinz Mayer ist diese Vorgangsweise gleichheitswidrig. In einem Schreiben, das dem Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist:innen vorliegt, fasst Mayer zusammen, dass „die Nichtberücksichtigung des Bereichs ,Wissenschaft‘ im §4 Abs 1 Z 1 unsachlich ist und damit erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen muss“. Dies gelte „insbesondere für ein Gesetz, das zum Ziel hat, ,qualitätsvollen Journalismus‘ zu fördern. Wissenschaftsjournalismus ist ein zentraler Bestandteil eines qualitätsvollen Journalismus, dies gilt gerade in einer Zeit, in der Österreich mit vielfältigen erheblichen Krisen konfrontiert ist und in der große Teile der Bevölkerung wissenschaftsskeptisch sind.“

Zwar könne kein Zweifel bestehen, dass die im Entwurf genannten Bereiche „für den öffentlichen Diskurs und die Meinungsbildung“ wichtig seien, „ebenso unbestreitbar ist aber auch, dass die Informationen über wissenschaftliche Ergebnisse und Forschungsprozesse von zumindest gleichrangiger Bedeutung sind“, erläutert Mayer.

Derzeit werden wissenschaftliche Inhalte in heimischen Medien von zahlenmäßig kleinen redaktionellen Teams in die Öffentlichkeit gebracht. In der Wissenschaftsberichterstattung ist die Zahl der freien Journalist:innen im Vergleich zu anderen Ressorts besonders hoch und jene der angestellten Redakteur:innen niedrig, wie eine Studie des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist:innen zur Lage des Berufsstandes zeigt.

Ausdünnung des Wissenschaftsjournalismus

Zugleich liegt Österreich in der Eurobarometer-Umfrage zum wahrgenommenen Stellenwert von Wissenschaft auf zweitletzter Position in der EU. Bei gleichbleibendem niedrigem Personalstand oder, schlechter noch, einer weiteren Ausdünnung des Wissenschaftsjournalismus in heimischen Medien droht sich die Lage zu verschlimmern, da dann noch weniger evidenzbasierte Information die Öffentlichkeit erreichen würde. Zudem könnte die Gruppe der „Wissenschaftsskeptiker“ den Akt der Bundesregierung als Bestätigung ihrer forschungsfeindlichen Haltung interpretieren.

Unter „Allgemeine Fördervoraussetzungen“ müsste daher stehen, dass ein Medium „seinem Inhalt nach vorwiegend der Information und Meinungsbildung über die Bereiche Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Wissenschaft sowie Sport dienen“ muss.

Die Unterlassung der Anführung von Wissenschaft unter „Universalkriterium“ ist letztlich auch ein Affront gegenüber allen führenden Wissenschaftsorganisationen des Landes, die die Initiative des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist:innen für eine Medienförderung für Wissenschaftsjournalismus begrüßen und diese unterstützen. Zu ihnen zählen: Österreichische Universitätenkonferenz (uniko), Österreichische Fachhochschulkonferenz (FHK), Österreichische Konferenz der Privatuniversitäten (ÖPUG), Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Wissenschaftsfonds (FWF), Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFT), Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds (WWTF), Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG), Institute of Science and Technology Austria (ISTA ) und Complexity Science Hub (CSH) Vienna, die den Entwurf in der Begutachtung beeinspruchen.

Breite Unterstützung

Für den Präsidenten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Heinz Faßmann, weisen die Gesetzespläne der Bundesregierung zur Neuordnung der Medienförderung ohne die Aufnahme ausgewiesener Wissenschaftsberichterstattung in die Förderkriterien eine gravierende Lücke auf. Dass dieses Kriterium in den Entwürfen fehlt, sei „nicht einsichtig“ und „sollte verändert werden“, sagte Faßmann zuletzt der Tageszeitung „Die Presse“. Angesichts der hierzulande stark ausgeprägten Wissenschaftsskepsis brauche es konkrete Maßnahmen. Den „Übersetzungsprozess“ dazu, wie Wissenschaft funktioniert, „können nur Medien leisten, deshalb setzen wir uns dafür ein“.

Befragt nach der Ursache für die extreme Wissenschaftsskepsis in Österreich gab auch Nobelpreisträger Anton Zeilinger, in der ZiB2 anlässlich seines Physik-Nobelpreises befragt, eine ganz einfache Begründung: „Es gibt viel zu wenig Berichterstattung über Forschung und Wissenschaft in unserem Land, weil es zu wenig Wissenschaftsjournalisten gibt.“

Konkret sieht dieses Zuwenig so aus, dass neben dem ORF und der Austria Presse Agentur Berichte aus der Welt der Wissenschaft nur in drei Tagesmedien und einem Wochenmagazin einen fixen Platz im Medium haben: Standard, Presse, Wiener Zeitung und Profil.

Alle anderen Medien schreiben zwar ebenfalls gelegentlich über Wissenschaft, jedoch nicht auf einer eigenen Seite, in einer eigenen Rubrik oder mit einem eigenen Internet-Channel. Selten gibt es ein eigenes Ressort für Wissen.

Einer zukunftsgewandten Republik steht es gut an, an diesem bedauerlichen Zustand etwas Entscheidendes zu verbessern, indem sie das Wort „Wissenschaft“ den Universalkriterien für Medienförderung hinzufügt und/oder den Berufsstand mit einer Journalismus-Förderung nach dem Vorbild der vorhandenen Förderung für Auslandskorrespondent:innen bedenkt.

Der Vorstand des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist:innen:

Eva Stanzl (Vorsitzende) Martin Kugler, Veronika Schmidt (Stellvertreter) Verena Ahne (Kassierin), Oliver Lehmann, Alice Senarclens de Grancy, Tanja Traxler, Peter Illetschko

Rückfragen & Kontakt

Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist:innen
Presseclub Concordia
Bankgasse 8
1010 Wien
office@wissenschaftsjournalisten.at

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