• 09.11.2022, 16:22:04
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24. Journalistinnenkongress (3): „Wieviel Wahrheit ist den Menschen zumutbar?“

https://www.apa-fotoservice.at/galerie/30896 - der 24.
Österreichische Journalistinnenkongress im Haus der Industrie
Wien (OTS) - 

Erst jüngst stießen Fotos von Leichen aus Burtscha in der Ukraine eine neue Diskussion über den Umgang mit Bildern aus Kriegs- und Krisengebieten an. Doch nicht erst seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine müssen sich Journalist:innen der Frage stellen: Wie viel Wahrheit ist den Menschen überhaupt zumutbar? Dazu diskutierten beim 24. Österreichischen Journalistinnenkongress unter der Moderation von Martina Mader (Vorsitzende Frauennetzwerk Medien, Wiener Zeitung) vier Journalistinnen: Magdalena Punz (Puls4), Ursula Meissner (freie Kriegs-Fotojournalistin), Rosa Lyon (ORF) sowie Miriam Beller (ORF).  

Gerade in Krisenzeiten brauche es in der Berichterstattung reale Fotos sowie Geschichten betroffener Menschen, sind sich die Journalistinnen einig. „Im Krieg wird sehr viel gelogen, auf beiden Seiten. Es ist notwendig, vor Ort zu sein, um Bilder zu machen und zu sehen was wirklich passiert“, so Ursula Meissner. In einer globalisierten Welt seien alle Menschen von einem Krieg oder einer Krise betroffen, so Rosa Lyon. Auch Magdalena Punz pflichtete ihren Kolleginnen bei: „Als Journalistinnen sind wir der Wahrheit verpflichtet, darauf müssen sich die Zuseher auch verlassen können. Wahrheit ist den Menschen zumutbar, vor allem in Krisenzeiten.“ Wichtig sei dabei, nicht nur Schockbilder zu zeigen, sondern mit Opfern zu sprechen, ihnen Handlungsspielraum zu geben. 

„Krieg entmenschlicht die Opfer“

Nicht nur der Schutz der Leser:innen, sondern auch der Schutz der Interviewten vor Ort müsse für Journalist:innen an erster Stelle stehen. Um die Würde der Betroffenen zu wahren, sollte besonders sorgfältig gearbeitet werden: Denn „Krieg entmenschlicht die Opfer“, so Miriam Beller. Auch für die Journalistinnen ist es oft nicht einfach, mit dem Erlebten umzugehen. Es brauche Strategien, um das Gesehene und Gehörte zu verarbeiten. Wirklich vorbereiten könne man sich auf einen Einsatz in Krisengebieten aber nicht: „Es ist, wie wenn man noch nie Liebeskummer hatte, dann weiß man auch nicht, was Liebeskummer ist. Genauso ist es mit dem Krieg“, meint Meissner.

Gerade in Ländern mit starken patriarchalen gesellschaftlichen Strukturen passiere es Frauen auch häufig, unterschätzt zu werden, so Lyon. Darin kann allerdings auch ein Vorteil liegen: Frauen kommen dadurch manchmal näher als männliche Kollegen an das Geschehen heran, ihnen ist auch oftmals der Zugang zu anderen Frauen erleichtert – damit können auch jene mehr zu Wort kommen, die medial sowieso häufig unterrepräsentiert sind. 

Warum Frauen in der Berichterstattung weniger häufig vorkommen

Der Frage, wer in der Berichterstattung zu Wort kommt, widmete sich jüngst auch eine Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, die Co-Autor Andreas Riedl im Rahmen des Journalistinnenkongresses präsentierte. In nur 25 Prozent der Beiträge in der österreichischen politischen Berichterstattung wird die Meinung oder Einschätzung einer Frau dargelegt, während im Gegensatz dazu die Meinungen von Männern in 68 Prozent der Texte vorkommen.

Mit dem Ziel, die diesem Ungleichgewicht zugrundeliegenden Gründe und Einflussfaktoren zu rekonstruieren, unterzogen die Forscher:innen über 3.500 Nachrichtenbeiträge einer Inhaltsanalyse und führten zusätzlich mit einem Teil der Autor:innen Online-Befragungen und Tiefeninterviews durch. Die Forschenden berücksichtigten dabei drei Ebenen für die anschließende Analyse: Die journalistische Kultur (journalistische Rollen und das Berufsverständnis), die Ebene der Redaktionen sowie die individuelle Ebene der Journalist:innen. Die Gründe für die Unterrepräsentation von Frauen sind vielschichtig, doch gerade auf der individuellen Ebene zeigte sich der stärkste Effekt: 38 Prozent der Nachrichtenbeiträge, die von Frauen verfasst wurden, referenzieren Frauen, doch nur 24 Prozent der Texte von Männern erwähnen Frauen – ein eklatanter Unterschied.

Publikation

"'I Can't Just Pull a Woman Out of a Hat': A Mixed-Methods Study on Journalistic Drivers of Women's Representation in Political News", Andreas A. Riedl, Tobias Rohrbach, Christina Krakovsky, Journalism & Mass Communication Quarterly, 2022

Laura Kisser – YoungStar  

Weitere Bilder in der APA-Fotogalerie

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Journalistinnenkongress
Dr.a Ulrike Schöflinger
Presse, SM, YS & Medienpartner Management
Tel.: +43 664 454 77 74
presse@journalistinnenkongress.at
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