Die EU-Chatkontrolle verfehlt ihr Ziel und gefährdet auch die, die sie schützen will.
Die kollektive Kritik an der von der EU-Kommission geplanten Chatkontrolle wird von allen Seiten lauter. Epicenter.works startet heute gemeinsam mit der internationalen Organisation European Digital Rights (EDRi) die Kampagne „stopscanningme.eu“ und veröffentlicht eine umfassende Analyse in einem Positionspapier.
Letzten Montag, 10.10.2022, erntete die EU-Kommissarin Ylva Johansson massive Kritik für einen neuen Gesetzesentwurf – sowohl von der Zivilgesellschaft als auch von EU-Abgeordneten. Der Vorschlag verfolgt zwar das noble Ziel des Schutzes unserer Kinder vor sexuellem Missbrauch, verfehlt dieses aber auf ganzer Linie und führt sogar noch viele zusätzliche Probleme ein.
Anstatt das komplexe gesellschaftliche Problem an der Wurzel zu packen, soll ein fehleranfälliger Mechanismus die gesamte digitale Kommunikation überwachen und auf verdächtiges Material untersuchen. Dieses soll dann an das neu zu gründenden „EU-Centre on Child Sexual Abuse (EUCSA)“ gesendet werden, das auch eng mit der datenhungrigen EU-Polizeibehörde Europol zusammenarbeiten würde. Diese Kontrolle ist technisch nur durch das Umgehen von Verschlüsselung möglich, einem zentralen Prinzip, das Grundrechte wie Privatsphäre oder Redefreiheit im digitalen Raum gewährleistet.
Niemand könnte sich mehr auf die Vertraulichkeit seiner oder ihrer Kommunikation verlassen. Auch Journalist:innen, Ärzt:innen, Rechtsanwält:innen, Whistleblower:innen, Psycholog:innen oder Menschenrechtsaktivist:innen, Oppositionelle und gesellschaftliche Minderheiten wären besonders stark von diesen Maßnahmen gefährdet.
Der Vorschlag verstößt also nicht nur auf mehreren Ebenen gegen EU-Recht, sondern gefährdet allen voran auch diejenigen, die er eigentlich schützen soll. Denn das Aufheben der vertraulichen Kommunikation bedeutet auch, dass z.B. keine anonyme Onlineberatung mehr für Opfer von sexuellem Missbrauch möglich wäre, weil auch hier die Kontrolle anschlagen würden. Auch der vertrauliche Austausch mit dem Kinderarzt, die Fotos vom letzten Badeausflug oder einvernehmliches Sexting unter Jugendlichen würde mit hoher Wahrscheinlichkeit als verdächtig eingestuft und müsste händisch von Menschen aussortiert werden.
Viel sinnvoller wäre es, in Bewusstseinsbildung, Aufklärung, Prävention und Hilfsangebote zu investieren. All das ist nicht nur weitaus besser auf das zugrundeliegende Problem des Kindesmissbrauchs zugeschnitten, sondern ist auch ganz ohne grobe Grundrechtsverletzungen möglich. Denn wir alle brauchen in unserer demokratischen Gesellschaft unbedingt einen sicheren und vertraulichen Rückzugs- und Kommunikationsraum.
Eine kompakte Analyse des aktuellen Themas findet sich in epicenter.works’ neuestem Blogpost.
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