Die Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel fordert gesetzliche Garantie der Erholungs- & Bedenkzeit für Opfer von Menschenhandel in Österreich
Anlässlich des EU-Tages gegen Menschenhandel am 18. Oktober fordert die Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel, eine Kooperation zahlreicher Expert:innen zur Prävention von Menschenhandel und Unterstützung von Betroffenen, die gesetzliche Implementierung der Erholungs- & Bedenkzeit für alle Betroffenen von Menschenhandel.
Ein Grund, warum viele Betroffene davor zurückschrecken, gegen Täter:innen auszusagen, ist, dass sie nicht abschätzen können, welche Folgen ihre Aussage nach sich ziehen kann. Manche fürchten den Verlust jeglicher Arbeitsmöglichkeit oder die Abschiebung. Anderen wurde von den Täter:innen mit Vergeltungsmaßnahmen gedroht.
Aus diesem Grund sieht die Europaratskonvention zur Bekämpfung von Menschenhandel, die Österreich ratifiziert hat, eine verpflichtende Erholungs- & Bedenkzeit für Opfer von Menschenhandel vor, während der diese keinesfalls abgeschoben werden dürfen, sondern sicher untergebracht, medizinisch und psychosozial betreut und umfassend über ihre Rechte und die möglichen Konsequenzen einer Aussage informiert werden müssen.
Die Erholungs- & Bedenkzeit soll gemeinsam mit den genannten unterstützenden Maßnahmen den Opfern ermöglichen, eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, welche rechtlichen Schritte sie setzen und wie sie mit Behörden zusammenarbeiten wollen.
Leider ist die Erholungs- & Bedenkzeit trotz Aufforderung durch das GRETA – Komitee des Europarates in den Jahren 2015 und 2020 und durch österreichische Expert:innen noch immer nicht gesetzlich verankert, sondern lediglich in einem internen Erlass des BMI geregelt und mit 30 Tagen für zahlreiche Opfer viel zu kurz bemessen.
Ein Rechtsanspruch auf eine ausreichend lange - mindestens dreimonatige - Erholungs- & Bedenkzeit ist aber Voraussetzung dafür, dass die Betroffenen eine sichere Perspektive haben und dadurch auch die für eine Mitwirkung am Strafverfahren notwendige psychische Stabilität wiedererlangen können.
Eine gesetzliche Regelung der Erholungs- & Bedenkzeit würde auch für Polizei, Justiz und weitere staatliche Akteur:innen Rechtssicherheit schaffen. Sie müssten in der ersten Ermittlungsphase grundsätzlich von einer Einvernahme des Opfers absehen und sich stattdessen auf die Befragung unbeteiligter Zeug:innen oder die Suche nach Sachbeweisen konzentrieren. Das könnte die Chance auf eine Anklage bzw. Verurteilung letztendlich sogar erhöhen, da selbst umfangreiche Aussagen eines Opfers ohne zusätzliche Beweise in der Praxis häufig nicht für eine Anklage ausreichen. Des Weiteren dürften Betroffene in dieser Phase nicht abgeschoben werden, auch wenn die Ausbeutung nicht in Österreich stattgefunden hat.
Mit der gesetzlichen Verankerung der Erholungs- und Bedenkzeit würde Österreich – das z.B. mit der bedingungslosen Unterstützung durch Opferhilfeeinrichtungen für Betroffene von Menschenhandel sehr hohe Standards erfüllt – einen weiteren sehr wichtigen Schritt im Kampf gegen Menschenhandel setzen.
Rückfragen & Kontakt
Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel www.gegenmenschenhandel.at
Koordinatorin: Ass.-Prof.in Mag.a Dr.in Katharina Beclin, katharina.beclin@univie.ac.at, +43 1 4377 34624
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