- 09.10.2022, 22:00:33
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Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 10. Oktober 2022. Von ALOIS VAHRNER. "Ein glatter Sieg und klarer Auftrag".
Alexander Van der Bellen hat die gestrige Bundespräsidenten-Wahl letztlich klar gewonnen – so blieb es ihm erspart, als erster Amtsinhaber in eine Stichwahl zu müssen. Aber auch seine zweite Periode wird wohl sehr herausfordernd.
Vor sechs Jahren hatte es Van der Bellen, der beim ersten Wahlgang knapp vor Irmgard Griss lag, als Zweiter nur knapp in die Stichwahl gegen den zunächst vorne liegenden FPÖ-Mann Norbert Hofer geschafft. Bei der ersten Stichwahl siegte der frühere Grünen-Chef mit 50,3 zu 49,7 Prozent hauchdünn, die Wahl wurde aber vom Verfassungsgerichtshof wegen Verstößen gegen das Wahlgesetz bei der Handhabung der Briefwahlstimmen sowie wegen der zu frühen Veröffentlichung von ersten Ergebnissen am Wahltag aufgehoben. Bei der Wiederholung siegte Van der Bellen dann mit 53,8 Prozent.
Gestern war die Wiederwahl des im Kaunertal aufgewachsenen früheren Wirtschaftsprofessors zwar vorprogrammiert, weil sich neben den Grünen auch der Großteil von SPÖ, ÖVP und NEOS (die allesamt auf eine(n) KandidatIn verzichtet hatten) mehr oder minder klar für seine Wiederwahl einsetzte. Trotzdem gab es mit sechs Gegenkandidaten so viele wie noch nie, zudem sorgte sich Van der Bellens Team mangels echter Spannung um die Höhe der Wahlbeteiligung.
Mit laut Prognose voraussichtlich gut 56 Prozent Wähleranteil ist Van der Bellen klar gewählt, wenngleich ihn auch diesmal etwa 44 Prozent an den Urnen nicht gewählt haben. An das Votum bei der Wiederwahl von Rudolf Kirchschläger (fast 80 Prozent), Heinz Fischer (über 79 Prozent) oder auch Thomas Klestil (über 63 Prozent) kam Van der Bellen nicht heran, er lag aber immerhin knapp höher als einst Theodor Schärf (über 55 Prozent) sowie Franz Jonas (knapp 53 Prozent).
Der Wahlkrimi 2016, bei dem er über drei Runden gehen musste, war letztlich nur der Aufgalopp für überaus turbulente erste sechs Jahre, in denen Van der Bellen sehr häufig politisches Geschick beweisen musste – und dies meist auch mit viel Ruhe, Gelassenheit, Humor und den richtigen Worten im Sinne des Landes getan hat: vom Ibiza-Skandal mit dem Auseinanderfliegen der türkis-blauen Koalition, der Abwahl von Sebastian Kurz, diversen Chat- und anderen Skandalen, dem von den Grünen als Koalitionspartner der ÖVP miterzwungenen Kurz-Rücktritt bis zur Rekordzahl von 67 Angelobungen von KanzlerInnen, MinisterInnen und StaatssekretärInnen. Besonders herausfordernd waren die – noch immer nicht überstandene – Corona-Pandemie mit weitreichenden Eingriffen in Freiheitsrechte und die Wirtschaft, die dadurch mitausgelösten Risse in der Gesellschaft sowie der Ukraine-Krieg und die Teuerungslawine, die Fragen um die Zukunft des Wohlstands auch in Österreich aufwirft.
Van der Bellen, der im Jänner 79 Jahre alt wird, muss sich weiter auf extrem herausfordernde Jahre als Staatsoberhaupt einstellen.
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