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TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" Ausgabe vom 14. September 2022, von Wolfgang Sablatnig: "Geld heilt nicht alle Wunden"

Innsbruck, Wien (OTS) - 

Die Personalnot bei den Auslandseinsätzen des Bundesheeres ist ein Zeichen dafür, dass sich bei der Truppe mehr angestaut hat als nur der Frust über veraltetes Gerät und desolate Kasernen.


Die Meldung über die Personalnot bei Auslandseinsätzen des Bundesheeres kam einigermaßen überraschend. Noch hält sich vielerorts das Klischee von den gut bezahlten Auslandseinsätzen. Die Missionen sind internationales Aushängeschild der Republik, auch wenn sie vor allem am Balkan schon lange nicht mehr mit dem traditionellen blauen Helm der UNO stattfinden, sondern unter dem Kommando von NATO und EU. Die Einsätze werden ins Treffen geführt, wenn vom Trittbrettfahren die Rede ist, also davon, dass sich Österreich mit der Neutralität aus seiner Verantwortung für die Sicherheitspolitik stehlen könnte. Als Gegenargument müssen die Auslandseinsätze herhalten. Sie sollen zeigen, dass Österreich auch als neutraler Staat die Solidarität hochhält.
   Entsprechend dieser Bedeutung waren die Auslandseinsätze seit jeher auch von der Finanznot der Truppe weniger betroffen. Verteidigungsminister und Bundespräsidenten buhlen um leutselige Bilder bei Truppenbesuchen im Ausland. Und trotzdem fehlen jetzt Soldatinnen und Soldaten. 
   Es ist dies keine Geschichte über das Kaputtsparen der Armee, sehr wohl aber eine über Geringschätzung. Bezeichnend ist ein Teil der Antwort aus dem Verteidigungsministerium: Wenn nunmehr wieder 100 Soldaten weniger als bisher in Wien eine Botschaft bewachen müssen, könnten sich wieder mehr für das Ausland melden. 
   Es bleibt abzuwarten, ob die Hoffnung aufgeht. Es ist aber jedenfalls ein Zeichen dafür, dass die Politik das Personalreservoir der Armee nicht unerschöpflich anzapfen kann. In der Pandemie kam die Truppe aber oft zum Einsatz. Zu oft?
   Als Reaktion auf den russischen Krieg in der Ukraine herrschte schnell Einigkeit darüber, dass das Bundesheer mehr Geld braucht. Noch sind die Pläne dafür nicht öffentlich präsentiert (Warum eigentlich nicht?). An der Budgeterhöhung dürfte dennoch nicht zu rütteln sein. 
   Das Bundesheer braucht das Geld. Die Personalnot macht aber deutlich, dass mehr gefordert ist. Das Problem beginnt im Inland. Die Zahl der Grundwehrdiener sinkt. Geburtenschwache Jahrgänge, mehr Untaugliche und eine ungebrochene Attraktivität des Zivildienstes machen der Armee seit Jahren zu schaffen. Ein Teil der Lösung können Prämien und höhere Entschädigungen sein. Es geht aber auch um Dienstpläne und bessere Planbarkeit für die Truppe. 
   Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) wird Antworten finden müssen. Sonst wird die akute Personalnot im Auslandseinsatz zu einem chronischen Problem.

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