- 28.05.2022, 12:23:23
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AK: Der Arbeitskräftemangel ist durch schwierige Arbeitsbedingungen hausgemacht
Sozialbereichsleiterin Silvia Hruška-Frank fordert Qualifizierungsgeld und 70% Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld
Utl.: Sozialbereichsleiterin Silvia Hruška-Frank fordert
Qualifizierungsgeld und 70% Nettoersatzrate beim
Arbeitslosengeld =
Wien (OTS) - In Österreich liegt die Arbeitslosenquote nach
nationaler Berechnung bei aktuell 7,3 Prozent. „Damit ist
offensichtlich, dass der Arbeitsmarkt keineswegs leergefegt ist und
einer der Hebel zur Deckung des Bedarfs an gut ausgebildeten
Arbeitnehmer:innen in der Qualifizierung von Arbeitssuchenden liegt“,
sagt AK Sozialbereichsleiterin Silvia Hruška-Frank. „Mit der Klage
über einen sogenannten „Fachkräftemangel“ werden von manchen
Arbeitgebern und ihren Vertretungen jedoch sehr oft andere Ziele
verfolgt, wie etwa das Festhalten an relativ schlechten Lohn- und
Arbeitsbedingungen oder mehr Arbeitsmigration in
Niedriglohnbereichen.“
Unterstützung für Betriebe, statt Daumenschraube für Arbeitslose
„Die Wirtschaftskammer sollte sich besser dafür einsetzen, dass den
Betrieben tatsächlich geholfen wird, statt auf die Arbeitslosen zu
zeigen und bei ihnen die Daumenschraube durch eine Verschlechterung
des Arbeitslosengeldes anzusetzen. Die Arbeitslosenunterstützung ist
schon jetzt so niedrig, dass sie viele Menschen an die Armutsgrenze
führt“, kritisiert Hruška-Frank. Aus der derzeitigen (Nicht-)Nutzung
der Qualifizierungsförderung für Beschäftigte seitens der Betriebe
geht hervor, dass sie sich vielfach zu wenig um eine nachhaltige
Sicherung des Bedarfs an qualifizierten Arbeitnehmer:innen bemühen.
Bei vielen KMUs ist das Bewusstsein für die Weiterbildung der
Mitarbeiter*innen kaum vorhanden, gleichzeitig haben sie aber auch
wenig Spielraum und Ressourcen für eine strategische Personalplanung.
Zwar gibt es mit der Impulsberatung für Betriebe dafür ein
Förderangebot seitens des AMS, dennoch ist in diesem Bereich eine
stärkere Unterstützung vor allem für KMUs vonnöten.
Massiver Investitionsrückstau bei der betrieblichen Weiterbildung
Österreichs Unternehmen investieren immer weniger in die
Weiterbildung ihrer Beschäftigten. Ihr Anteil an der Finanzierung der
Weiterbildung ging von 2009 bis 2018 von 41 auf 31 Prozent zurück.
Der Anteil der Arbeitnehmer:innen an den Weiterbildungsausgaben stieg
dagegen von 29 auf 42 Prozent. Und auch im internationalen Vergleich
schneiden die Unternehmen in Österreich schlecht ab. Im Vergleich von
fünf Ländern liegen sie mit ihren Ausgaben für Weiterbildung nur auf
Platz vier. Das zeigt jetzt eine Studie des Instituts für Höhere
Studien.
Unbewusste Diskriminierung selbstkritisch hinterfragen
Viel Potenzial liegt zudem in einer Änderung des
Rekrutierungsverhaltens der Betriebe. Die Anforderungen an die
beruflichen Kenntnisse der Arbeitnehmer:innen sind oftmals zu hoch
angesetzt, weil viele Unternehmen auf ein „Nice to have“ fokussieren
und ihnen damit oft unklar ist, welche Kompetenzen tatsächlich
gebraucht werden. Dazu kommt vielfach ein mangelndes Bewusstsein für
Inklusion: Wenn Personen zwar über Ausbildungsabschlüsse, aber
vielleicht noch über wenig fachspezifische Berufserfahrung verfügen,
haben sie es schwer am Arbeitsmarkt. Betriebe fordern also viel,
geben umgekehrt aber wenig, so Hruška-Frank: „Es reicht ja oft schon,
eine Frau zu sein, oder einen anderen als einen deutschen Namen zu
haben, um für ein Vorstellungsgespräch gar nicht erst eingeladen zu
werden. Verstärkt wird dies, wenn längere Arbeitslosigkeit,
gesundheitliche Beeinträchtigungen oder höheres Alter hinzukommen.
Viele Betriebe sind immer noch zurückhaltend, diesen Zielgruppen
Chancen zu ermöglichen.“ Dabei gibt es mit der
Eingliederungsbeihilfe, einem Lohnkostenzuschuss für Arbeitgeber bei
der Einstellung bestimmter arbeitsloser Personengruppen, auch hier
Förderungen seitens des AMS. Finanzielle Anreize über öffentliche
Förderungen allein scheinen jedoch zu wenig, so sind beispielsweise
Personen über 50 mit gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen bei
der Inanspruchnahme von Förderungen durch die Betriebe weiterhin
unterrepräsentiert.
„Es gibt keine schlechte Arbeit, aber schlechte Löhne und
Arbeitsbedingungen“, so Hruška-Frank
„Man sollte damit aufhören, den Menschen zu unterstellen, dass sie
nicht arbeiten wollen. Die meisten Menschen arbeiten gerne – wenn die
Rahmenbedingungen stimmen“, so die AK-Sozialbereichsleiterin. Ziel
muss sein, mittel- und längerfristig den Arbeitnehmer:innen
hochwertige Beschäftigung mit entsprechenden Lohn- und
Arbeitsbedingungen zu ermöglichen und den Bedarf einer
hochentwickelten Volkswirtschaft nach gut ausgebildeten
Arbeitnehmer:innen zu decken.
Die AK hat dazu ein Modell entwickelt, das Arbeitnehmer:innen besser
bei Weiterbildung unterstützt: Alle ArbeitnehmerInnen über 25 Jahren
sollen das Recht auf monatlich 1.220 Euro netto für insgesamt drei
Jahre Aus- und Weiterbildung im Lauf von 15 Jahren bekommen. Bezahlt
werden soll das Qualifizierungsgeld aus dem Finanzierungstopf der
Bundesregierung. Damit wird der Anteil der öffentlichen Hand an der
Finanzierung der Weiterbildung deutlich erhöht. Insbesondere Menschen
mit niedrigen und mittleren Qualifikationen sollen davon profitieren
können.
Schon lange fordert die AK ein Recht der ArbeitnehmerInnen auf eine
Woche Weiterbildung pro Jahr in der bezahlten Arbeitszeit. Damit
würde Österreich endlich die Resolution der internationalen
Arbeitsorganisation ILO aus dem Jahr 1974 für eine bezahlte
Bildungsfreistellung umsetzen mit fast 50 Jahren Verspätung.
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