TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel", vom 30. April 2022, von Peter Nindler:"Zwei Schritte zurück in Südtirol"
Innsbruck (OTS) - LH Kompatscher hat den Machtkampf in der Südtiroler Volkspartei vorerst gewonnen, doch er ist alles andere als gefestigt. Denn die Sammelpartei katapultiert Südtirol politisch zurück, schwächt willkürlich die Stabilität und damit die Autonomie.
Womöglich haben wir nördlich des Brenners die politischen Verhältnisse in Südtirol zu lange verklärt. Da gab es 25 Jahre lang einen kernigen und leutseligen Landeshauptmann Luis Durnwalder, der den Spagat zwischen Bozen, Rom, Innsbruck und Wien zur Absicherung der Autonomie zwar mit einem landesfürstlichen Gehabe, aber gekonnt geschafft hat. Das religiöse Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, besuchte mehrmals Südtirol und trug dazu bei, dass es als Freiluftlabor für die Lösung von Minderheitenfragen bewundert wird. Und die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel entspannt sich im Sommer am liebsten im Vinschgau. Quasi ein Ritterschlag. Hinter der zweifelsohne notwendigen Stabilität Südtirols als Garant für die Rechte der deutsch- und ladinischsprachigen Minderheit in Italien etablierte sich jedoch zusehends ein System der Pfründe, Machtverfilzungen und (wirtschaftlichen) Eigeninteressen. Die Südtiroler Volkspartei (SVP), die sich nach wie vor Sammelpartei nennt, real- und gesellschaftspolitisch allerdings keine mehr ist, war bestimmender Teil davon: die politische Speerspitze nach außen und der unentbehrliche Kitt nach innen.
Mit den affärenbehafteten Verschleißerscheinungen des jahrzehntelangen „Systems Durnwalder“ sollte die neue junge Garde um Landeshauptmann Arno Kompatscher aufräumen. Wo Durnwalder als Instinktpolitiker handelte, agierte sein Nachfolger abwägend, als politischer Manager und keinesfalls herrschaftlich. Kompatscher war trotzdem nie ein Politiker türkisen Zuschnitts wie in der jäh zu Ende gegangenen Ära Kurz in Österreich. Das „Edelweiß“ (SVP) hat er freilich zu selten mitgenommen, die Bevölkerung hingegen schon.
Die Entfremdung führte deshalb zu einer Politik der zwei Geschwindigkeiten: Die von Arno Kompatscher verkörperte politische Moderne in Südtirol trifft auf das Selbstverständnis von zu vielen Parteigranden, dass die SVP wie zu Durnwalders Zeiten im Land weiterhin den Zentralschlüssel für alle sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Belange in der Hand hält. Darum geht es auch im augenblicklichen Konflikt mit ungewissem Ausgang. Vor allem für Kompatscher.
Ohne Rückhalt der Partei steht der Landeshauptmann auf verlorenem Posten, seinem Widersacher Thomas Widmann ist es bereits gelungen, die SVP zu spalten. Obwohl der Durnwalder-Vertraute endgültig aus der Landesregierung hinauskomplimentiert wurde, gibt es nur Verlierer. Nicht nur in der SVP.
So leidet genauso die Stabilität des Landes unter dem Machtkampf der „Freunde im Edelweiß“. Das ist politisch brandgefährlich, weil die Autonomie keine Schwächen verträgt.
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