• 29.04.2022, 10:55:30
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25 Jahre Gewaltschutz: Häusliche Gewalt als gesamtgesellschaftliches Problemfeld bekämpfen

Breiter Maßnahmenkatalog – laufende Anpassungen für mehr Opferschutz – Präventionsarbeit mit GefährderInnen – Waffenverbote und Stiller Notruf als neueste Maßnahmen

Wien (OTS) - 

Vor 25 Jahren wurde in dem als „Gewaltschutzgesetz“ bekannten Katalog an gesetzlichen Maßnahmen der Grundstein für die moderne Präventionsarbeit gegen Gewalt in der Privatsphäre gelegt. Mit diesem Bundesgesetz zum Schutz vor häuslicher Gewalt war Österreich Vorreiter in Europa. Es schützt alle Personen, die im familiären Bereich von Gewalt getroffen sind, unabhängig von Alter, Geschlecht, Familienstand und Beziehung zur gefährdenden Person.  

Häusliche Gewalt ist ein komplexes soziales Problem, in dem viele Player miteinander eng kooperieren: Exekutive, Gerichte, Kinder- und Jugendhilfe sowie Gewaltschutzzentren und andere Nicht-Regierungsorganisationen. „Um gegen Gewalt im privaten Bereich konsequent vorgehen zu können, braucht es eine enge Vernetzung zwischen Polizei und den Gewaltschutzeinrichtungen. Diese Zusammenarbeit ist ein international anerkanntes Vorzeigemodell. Ziel ist, den Opfern umfassenden und nachhaltigen Schutz zu ermöglichen“, so Innenminister Gerhard Karner. 

Zwtl.: Laufende Erneuerung  

Neben der Zusammenarbeit dieser Stellen ist auch eine ständige Evaluierung und Modernisierung des Gewaltschutzes wichtig. Aus diesem Grunde erfuhr der Schutz vor Gewalt in der Privatsphäre im Herbst 2021 seine jüngste Modernisierung: Mit knapp 25 Millionen Euro wurde hier größte Gewaltschutzpaket seit jeher geschnürt.  

Ein zentraler inhaltlicher Punkt war die institutionalisierte, opferschutzorientierte TäterInnen-Arbeit, als besondere Maßnahme zur Vorbeugung künftiger Gewalttaten. So müssen Gefährder und Gefährderinnen, gegen die ein Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen worden war, an einer mindestens sechsstündigen Gewaltpräventionsberatung in einer Beratungsstelle für Gewaltprävention teilnehmen. Die Kosten von voraussichtlich neun Millionen Euro pro Jahr übernimmt das Bundesministerium für Inneres.  

Außerdem wurde ein automatisches Waffenverbot für GefährderInnen bei Aussprache eines derartigen Betretungsverbotes eingeführt. Ein besonders effizientes und wichtiges Werkzeug beim Gewaltschutz sind die Fallkonferenzen zum vorbeugender Schutz von gefährdeten Personen. Es handelt sich hierbei um koordinierte Konferenzen mit Behörden und Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben vollziehen, wo besondere Einzelfälle (z.B. „High Risk“) analysiert werden.  

Ein weiteres Werkzeug für Opfer von häuslicher Gewalt ist der neu implementierte „Stille Notruf“. Diese als Handy-App entwickelte Lösung ist eines von vielen Mitteln, das potenzielle oder tatsächliche Opfer von Gewalt in der Privatsphäre schützen kann.  

Zwtl.: Breite Unterstützung bei zuständigen Stellen 

„Österreich hat mit dem Gewaltschutzgesetz international eine Vorreiterrolle im Gewaltschutz eingenommen. Heute wird so viel Geld wie noch nie in den Gewaltschutz investiert, alleine heuer fließt mehr als die Hälfte des Rekord-Frauenbudgets von 18,4 Millionen Euro in den Gewaltschutz. Trotzdem hört unsere Arbeit im Gewaltschutz nie auf, denn jeder Fall von Gewalt an Frauen und Mädchen ist einer zu viel. Jede Frau und jedes Kind soll ein Leben frei von Gewalt leben können. Daher werde ich auch in Zukunft mit allen Akteurinnen und Akteuren geeint gegen Gewalt an Frauen in Österreich vorgehen“, so Frauenministerin Susanne Raab.  

Justizministerin Alma Zadić: „Mit der Einführung des Gewaltschutzgesetzes vor 25 Jahren fand ein gesellschaftlicher Wandel statt. Zuvor waren Gewalttaten im familiären Umfeld individuelle Probleme der Frau – nicht der Täter war das Problem. Dass das heute nicht mehr vorstellbar ist, ist eine frauenpolitische Errungenschaft. Es gibt aber noch immer viel zu tun. Die zahlreichen Frauenmorde der vergangenen Jahre sind ein Auftrag an uns alle, weitere gesamtgesellschaftliche Veränderungen in Gang zu setzen, damit das Leben von Frauen und Mädchen in Österreich sicherer wird.“ 

Zwtl.: Jüngste Zahlen und Daten zum Gewaltschutz 

Zwischen 1997 und 2022 wurden seitens der Sicherheitsexekutive insgesamt ca. 161.650 Betretungs- und Annäherungsverbote nach den Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes ausgesprochen. Von 2020 bis dato werden ca. 28.750 derartige Maßnahmen gezählt, davon ca. 3.700 Personen allein 2022 (Zählweise seit 2020 anders, deshalb nicht mit Vorjahren vergleichbar und gesondert angeführt). Mehr als 90% der weggewiesenen Personen waren und sind männlich.  

Seit Mitte der 2000er Jahre ist eine tendenzielle Steigerung in den Statistiken zu erkennen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Maßnahme „Betretungsverbot“ an Akzeptanz dazugewonnen hatte. Der Rückschluss, dass es aufgrund der steigenden Zahlen auch ein „mehr an Gewalt“ gäbe, ist kriminalpolizeilich nicht valide. Es ist eher davon auszugehen, dass sich durch die zunehmende Akzeptanz das Dunkelfeld der nicht gemeldeten Vorfälle stetig verringert hatte.  

Seit November 2021 wurden bundesweit rund 4.000 GefährderInnen in den Beratungsstellen für Gewaltprävention beraten bzw. zu dem mehrstündigen Training verpflichtet.  

Zwtl.: Maßnahmen innerhalb der Polizei 

„Gewaltschutz gehört zu den zentralen Aufgaben der Polizei in Österreich. Seit 25 Jahren wird die Aus- und Fortbildung in diesem Bereich ständig weiterentwickelt und durch die enge Vernetzung mit den Gewaltschutzzentren professionalisiert“, sagt Gerhard Karner. 

Seitens des Innenministeriums werden alle Maßnahmen, Prozesse und Ausbildungen im diesem komplexen Bereich der häuslichen Gewalt laufend evaluiert, modernisiert und verbessert. Federführend ist hierbei das Bundeskriminalamt.  

Eine zentrale Maßnahme der vergangenen Jahre war und ist hierbei die Ausbildung von speziell ausgebildeten Präventionsbeamtinnen und -beamten, deren Zahl von 500 auch 800 erhöht wurde. Diese Polizistinnen und Polizisten haben eine Sonderausbildung und stehen bundesweit flächendeckend für den Phänomenbereich des Gewaltschutzes intern und extern als ExpertInnen zur Verfügung. Das Ziel ist es, in jeder Polizeiinspektion einen der eine dieser Profis stellen zu können.  

Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Schulung und Fortbildung des bestehenden Polizei-Corps im thematisch komplexen Feld des Gewaltschutzes. Diese Ausbildungen erfolgen in der Regel gemeinsam mit den Gewaltschutzzentren und der Interventionsstelle Wien.  

Nicht zuletzt erwähnenswert ist die Vorreiterrolle der LPD Wien bei der Implementierung des s.g. „GiP-Supports“ (Gewalt in der Privatsphäre). Es handelt sich hierbei um eine Hotline, bei der speziell geschulte und erfahrene Bedienstete die Ersteinschreiter bei einem einschlägigen Einsatz unterstützen, bspw. durch Gefährdungseinschätzungen (ODARA-Prognoseinstrument) oder Hilfe bei juristisch komplexen Amtshandlungen.   

Zwtl.: Ausblick 

„Es braucht einen Schulterschluss der gesamten Gesellschaft. Sie muss Frauen, die Opfer von Gewalt werden, noch mehr ermutigen, die Gewaltspirale zu durchbrechen und die Polizei zu rufen. Unser gemeinsames Ziel ist, Zivilcourage zu fördern, wenn Menschen Gewalt in Beziehungen erkennen oder wahrnehmen. Eine sensibilisierte Zivilgesellschaft ist der beste Garant für die Reduzierung von Gewalthandlungen“, so Gerhard Karner. 

Die Arbeit mit Opfern und gegen das Phänomen der häuslichen Gewalt ist in allen modernen Gesellschaften eine Herausforderung. Wie auch in anderen Ländern wurde auch in Österreich seit Längerem festgestellt, dass eine allein sicherheits- oder kriminalpolizeiliche Herangehensweise ein derart komplexes kriminalsoziologisches Problem nicht lösen kann, weshalb mittlerweile seit vielen Jahren eine enge Kooperation zwischen verschiedenen staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen besteht.  

Neben den oben angeführten internen polizeilichen Anpassungen und Modernisierungen gibt es auch gesellschaftlich gesehen Verbesserungspotenzial. Dies betrifft etwa die Stärkung der Zivilcourage (Erstatten von Anzeigen bei der Polizei bei verdächtigen Wahrnehmungen, bspw. in der Nachbarschaft), den weiteren Abbau von vorurteilsbehafteten Stigmata gegenüber Opfern von häuslicher Gewalt, aber auch den weiteren Ausbau der Akzeptanz und der Kenntnis der Gewaltschutzmaßnahmen, vor allem bei besonders gefährdeten Opfergruppen. 

Rückfragen & Kontakt

Bundesministerium für Inneres
Oberst Markus Haindl, BA MA
Pressesprecher des Bundesministers
+43 (0) 1-531 26 – 90 1021
markus.haindl@bmi.gv.at
www.bmi.gv.at

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