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TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: "Die Impfpflicht, eine Farce", von Michael Sprenger
Ausgabe vom Donnerstag, 10. März 2022
Utl.: Ausgabe vom Donnerstag, 10. März 2022 =
Innsbruck (OTS) - Die Regierung wähnte sich als Avantgarde. Sie
führte die Impfpflicht ein. Einen Monat nach deren Inkrafttreten, am
Tag mit den höchsten Infektionszahlen, legte sie das Gesetz auf Eis.
Eine Bundesregierung gibt sich ihrer Lächerlichkeit preis.
Mitte November 2021. Damals hieß der Bundeskanzler Alexander
Schallenberg, der Parteichef der Kanzlerpartei Sebastian Kurz und als
Gesundheitsminister war noch Wolfgang Mückstein im Amt. Man
vereinbarte einmal mehr ein Bund-Länder-Treffen. Die Landeshauptleute
von damals sind alle noch in ihrer Regierungsfunktion. Mehr oder
weniger. Schallenberg, er hatte Kurz im Ohr, und Mückstein trafen
sich also mit den Länderchefs am Achensee. Am 19. November wurde dort
verkündet, was zuvor von allen in Abrede gestellt wurde: Es wird ab
Februar eine Impfpflicht geben. Damit wurde kurz übertüncht, was
ebenfalls ausgeschlossen worden war, nämlich eine neuerliche
Lockdown-Verordnung. Die Landeshauptleute demonstrierten
Geschlossenheit. Lediglich der burgenländische Regierungschef Hans
Peter Doskozil rückte ein wenig ab. Mückstein und Schallenberg
entschuldigten sich Stunden später für Fehler in ihrem
Pandemie-Management. Sie entschuldigten sich für den neuerlichen
Lockdown. Und ja, alles wird besser, weil jetzt die Impfpflicht
kommt, die zuvor keiner wollte.
Doch wenn das bis zum Achensee Managementfehler waren, was kam
dann erst danach? Ein kurzer Abriss. Alle, außer die FPÖ-Spitze,
erklärten uns, warum die Impfpflicht notwendig, verhältnismäßig ist –
und selbstverständlich im Einklang mit der Verfassung steht.
Zeitgleich hörte man überall nur noch von Omikron. Delta war
passé. Was dies alles für die Impfpflicht bedeuten kann, soll, war
egal. Schließlich hat man sich auf die Impfpflicht verständigt. Kurze
Zeit fühlte man sich als Avantgarde.
Doch reicht eine Impfpflicht für die erhoffte Quote? Die
Sozialdemokraten verneinten dies. Sie forderten einen Impfanreiz.
Was die SPÖ wollte, gaben ihr ÖVP und Grüne nicht. Aber weil man die
SPÖ-Stimmen im Nationalrat wollte, versprach man eine Impflotterie.
Alles ist möglich. Die Idee Impflotterie wurde wenig später
geschreddert. Dafür einigte sich die Koalition trotz hoher
Infektionszahlen auf breite Öffnungsschritte. Expertenmeinungen, auf
die man fortan hören wollte, wurden ignoriert, der
Gesundheitsminister wirkte frustriert. Und als sein Nachfolger
Johannes Rauch noch keine 24 Stunden im Amt war, musste er
ausgerechnet am Tag mit dem höchsten Wert an Neuinfizierten seit
Pandemiebeginn das vorübergehende Aus der Impfpflicht verkünden.
Wer kann diese Farce noch verstehen? Will diese Koalition nicht
regieren oder kann sie es einfach nicht?
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