- 21.02.2022, 22:00:32
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Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 22. Februar 2022. Von SERDAR SAHIN. "Mehr Fairness in greifbarer Nähe".
Innsbruck (OTS) - Der türkis-grüne Vorschlag für ein neues
Parteiengesetz könnte tatsächlich mehr Transparenz in die
Parteikassen bringen. Die Verhandlungen mit der Opposition werden
zeigen, was von dem Plan noch übrig bleibt.
Transparenz. Ein Begriff, der leider zu einer Worthülse verkommen ist
– zu inflationär wurde das Wort in der Vergangenheit verwendet, zu
oft wurde sie uns von Parteivertretern aller Couleur versprochen.
Natürlich tun sie das: „Transparenz“ klingt gut. Was im Verborgenen
ist, wird entlarvt, Schatten weicht Licht. Doch so wirklich
offenbaren wollten sich die Parteien nicht, stets musste etwas Übles
passieren, dass sie einknickten – und der Bevölkerung mehr
Transparenz zugestanden. Von der vollmundigen Ankündigung blieb aber
zu oft nur noch wenig über. Laxe Strafen ließen manche Parteien die
lückenhaften Gesetze umgehen. Statt eines großes Betrages wurde dann
halt gestückelt gespendet, in anderen Fällen floss das Geld vorerst
verschleiert über die Bande. Eine Obergrenze für Wahlkampfkosten
schien für einige Parteien bloß auf dem Papier zu bestehen. Die
Realität wurde gebogen, wie es gerade passte. Anders kann man frühere
Malversationen schwer erklären.
Nun könnte es tatsächlich so etwas wie Transparenz in den
Parteifinanzen geben – fast drei Jahre nachdem das berüchtigte
Ibiza-Video veröffentlicht wurde. Die Grünen wedeln schon lange mit
einem Plan in der Hand herum, die ÖVP scheint jetzt unter ihrem
dritten Kanzler Karl Nehammer so weit zu sein. Eigentlich ist es
recht simpel. Was bei juristischen Personen funktioniert, sollte auch
bei Parlamentsparteien funktionieren: unabhängige Prüfer, die
ordentlichen Einblick in die Bücher haben, und strenge Strafen bei
Vergehen. So sieht auch der Plan der Koalitionäre für ein neues
Parteiengesetz aus. Der Rechnungshof erhält echte Prüfkompetenz. Wer
schwindelt, wird deutlich härter bestraft. Mehr Fairness ist damit in
greifbarer Nähe – „gläserne Parteikassen“, wie es Grüne nennen.
Eigentlich überfällig, vor dieser politischen Konstellation war das
aber offenbar unmöglich – sonst gäbe es das entsprechende Gesetz
bereits.
Bevor das Ganze wahr wird, müssen noch einige Hürden überwunden
werden. Für Teile ihrer Reform benötigen ÖVP und Grüne eine
Zweidrittelmehrheit im Nationalrat – also entweder die Stimmen der
SPÖ oder die der FPÖ. Zu verhandeln und sich auf etwas zu einigen,
ist essenziell für eine Demokratie. Dennoch birgt sich darin auch die
Gefahr, dass der Gesetzesvorschlag an wichtigen Stellen aufgeweicht
oder verwässert wird, weil Kompromisse eingegangen werden müssen.
Möglich ist aber auch, dass sich alle auf noch strengere
Transparenzregeln einigen. Ein kühner Gedanke, nicht wahr? Man wird
aber wohl noch hoffen dürfen.
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