Analyse "Wissenschaft als Missbrauchsgegenstand" vom 18. Februar 2022 von Karin Leitner
Innsbruck (OTS) - Von Karin Leitner
Es war ein Stilwechsel. Ein bewusster. Ob der Kritik, dass sich Kanzler Sebastian Kurz als Virologe geriere, betonte sein ÖVP-Nachnachfolger Karl Nehammer bei jeder Gelegenheit, dass die Regierung auf den Befund der Expertinnen und Experten hören werde. Es war eine Beteuerung.
Vergangenen Montag tat ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek kund, dass Volksschüler auf dem Sitzplatz keine Masken mehr tragen müssen. Ab 21. Februar gilt das für Kinder und Jugendliche aller Schultypen. Auf dem Rat von Fachleuten fußte diese Entscheidung nicht, es war eine politische. Kaum war sie publik, meldeten sich Kundige – nicht in Polascheks Sinne. Selbst drei der von den Koalitionären bestellten Mitglieder der Gecko-Kommission – Rotkreuz-Kommandant Gerry Foitik, der Simulationsexperte Niki Popper und der Virologe Andreas Bergthaler – monierten diese Lockerung. Das taten auch andere Fachleute, etwa der Virologe Florian Krammer und der Epidemiologe Gerald Gartlehner. Vorbehalte kommen auch jetzt, nach dem für 5. März verkündeten Aus für das Gros der Corona-Schutzmaßnahmen, etwa von Dorothee von Laer von der Uni Innsbruck. Bergthaler verhehlt seinen Unmut erneut nicht: Werde Expertise eingeholt, sollte kommuniziert werden, was empfohlen worden ist. Konstatierten Wissenschafter, es sei links abzubiegen, die Regierung biege aber rechts ab, sei das deren Verantwortung; transparent habe das zu sein. Selbst Katharina Reich, Leiterin der Gecko-Kommission, ist das Unbehagen anzusehen. Ja, das Sagen haben türkis-grüne Politiker. Diese haben aber auch andere Motive für ihr Handeln als Bergthaler und Co.: Was kommt gut an? Wie bieten wir Schwurblern von FPÖ und MFG Paroli, im Vorfeld von Gemeinderats- und Landtagswahlen? Auch insofern ist kurios, dass ÖVP-Ministerin Elisabeth Köstinger Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig via TV ausrichtet, „Expertenmeinungen zu folgen“. Sie und die Ihren tun das nicht. Und so ist zu fragen: Wie lange spielen Wissenschafter da noch mit?
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