Ab 23.05 Uhr in ORF 2
Utl.: Ab 23.05 Uhr in ORF 2 =
Wien (OTS) - Zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des
Holocaust am 27. Jänner 2022 (Details zum ORF-Programmschwerpunkt
unter presse.ORF.at) präsentiert der „dokFilm“ am Sonntag, dem 23.
Jänner, ab 23.05 Uhr in ORF 2 zwei spannende Kinodokumentarfilme, die
beide mit Mitteln des ORF im Rahmen des Film/Fernseh-Abkommens
hergestellt wurden. Den Auftakt macht die Produktion „Das Schweigen
der Alten“ – eine TV-Fassung des 2021 entstandenen Kinofilms
„Endphase“ von Hans Hochstöger. Der Filmemacher begibt sich darin auf
eine Reise in die dunkle Vergangenheit der benachbarten
niederösterreichischen Orte Hofamt Priel und Persenbeug, in denen er
selbst aufwuchs, und damit auf die Suche nach den Hintergründen eines
Massenmordes an 228 Jüdinnen und Juden wenige Tage vor Ende des
Zweiten Weltkriegs.
Anschließend gibt „Ein deutsches Leben“ (0.00 Uhr) von Christian
Krönes und Florian Weigensamer Einblicke in die Seele einer betont
unpolitischen Mitläuferin – der 2017 im Alter von 106 Jahren
verstorbenen ehemaligen Goebbels-Sekretärin Brunhilde Pomsel. 30
Stunden lang stand die während der Dreharbeiten 103-jährige
Berlinerin Rede und Antwort, trotz ihres Alters scharfsinnig, wach –
und völlig reuelos. Eine unter Millionen Menschen, die das NS-Regime
ermöglichte.
„Das Schweigen der Alten“ (23.05 Uhr)
Nur wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkriegs wurden in einem
kleinen Dorf in Niederösterreich 228 Kinder, Frauen und ältere Männer
ermordet. Bis heute wurde den Tätern weder der Prozess gemacht noch
wurde das Verbrechen je einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Mit
seinem Film „Das Schweigen der Alten“ unternimmt der Filmemacher Hans
Hochstöger eine gewagte Reise in die dunkle Vergangenheit der
benachbarten Orte Hofamt Priel und Persenbeug, in denen er selbst
aufwuchs. Gewagt, weil er damit an einem tabuisierten Verbrechen der
letzten Kriegstage rührt, das die örtliche Bevölkerung seit
Generationen zu verschweigen versucht. Das Massaker ist das einzige
Verbrechen vergleichbarer Größenordnung in Österreich, bei dem die
Täter nie gefunden wurden, und dies obwohl sie möglicherweise sogar
ihren Lebensabend in Niederösterreich verbrachten. Das Wissen um
örtliche Begebenheiten und die gezielte Auswahl der Erschießungsorte
ließ Gerüchte über die Involvierung lokaler Helfer der Tat bis heute
nicht verstummen.
Spät nachts, am 2. Mai 1945, brachten die Täter jüdische
Zwangsarbeiter/innen samt ihrer Familien, die in Barackenlagern der
Kraftwerksbaustelle in Persenbeug nächtigten, zu versteckten Gräben
nach Hofamt Priel. Dort wurden sie kaltblütig erschossen,
anschließend mit Benzin übergossen und teilweise verbrannt. Weil die
Täter die Rache der sich nähernden roten Armee fürchteten, wurden die
Überreste der Leichenberge rasch vor Kriegsende in einem
nahegelegenen Acker vergraben. Die örtliche Bevölkerung beschloss
kollektiv über die Tat zu schweigen, und so passierte es, dass die
Mörder der 228 Opfer bis zum heutigen Tag ungeschoren davonkamen.
Auch von staatlicher Seite wurde scheinbar nie ernsthaft versucht,
das Verbrechen aufzuarbeiten und die Täter ausfindig zu machen.
Anfang der 1960er Jahre entbrannte zwischen den Besitzern jenes
Grundstücks, auf dem die 218 Leichen vergraben waren, und den
Behörden ein Rechtsstreit. 1963 wurden die Ermittlungen zur Tat
schließlich eingestellt und der Akt „Hofamt Priel“ geschlossen. Im
darauffolgenden Jahr wurden, ungeachtet des Schutzes als
Kriegsgrabstätte, die Gebeine der Opfer exhumiert und auf den
jüdischen Friedhof in St. Pölten verfrachtet. Es war ein wiederholter
Versuch, einen Mantel des Schweigens über das Massaker zu breiten.
Erst 1993, nach jahrelangen Diskussionen mit Ortsbewohnern, wurde von
einem Holocaust-Überlebenden im Dorf ein kleiner Gedenkstein gesetzt.
Einen Wegweiser, der Besuchern das Auffinden des weit abgelegenen
Mahnmals erleichtert, gibt es bis heute nicht.
2015 begannen Filmemacher Hans Hochstöger und sein Bruder,
Politikwissenschafter Tobias Hochstöger, mit Recherchen und
Filmarbeiten zu der Gräueltat in ihrer Heimatregion. Auf der Suche
nach Erklärungen für das jahrzehntelange Schweigen trafen sie ihnen
gut bekannte Augenzeugen aus dem Dorf, reisten zu Überlebenden des
Massakers sowie Angehörigen der Opfer in Ungarn und Israel.
„Ein deutsches Leben“ (0.00 Uhr)
Brunhilde Pomsel wurde 1911 geboren, 2017 starb sie 106-jährig – die
Zeitzeugin fast eines ganzen Jahrhunderts kam einem der größten
Verbrecher der Geschichte so nah, wie kaum ein anderer Mensch. Von
1942 bis zum Mai 1945 arbeitete sie im Vorzimmer von Hitlers
Propagandaminister Joseph Goebbels als persönliche Sekretärin und
Stenotypistin. Noch in den letzten Kriegstagen 1945, als die
sowjetischen Truppen bereits in den Straßen Berlins standen, tippte
sie im Bunker Schriftsätze und wurde im innersten Kreis der
NS-Führung Zeugin des Untergangs.
Und doch offenbart – oder vielmehr behauptet – die alte Dame im
Dokumentarfilm „Ein deutsches Leben“ schockierende Wissenslücken.
„Nichts haben wir gewusst, das ist alles schön verschwiegen worden“,
ist der zentrale Satz der Produktion, die sich nicht als
Dokumentation über die Verbrechen des Nationalsozialismus versteht.
Vielmehr entlarvt sie die Verführung und die Bereitschaft, verführt
zu werden, die Eitelkeit und Korrumpierbarkeit, die Macht und ihre
Anziehungskraft, Naivität und Verstrickung – die Schuld und Sühne.
Der Film von Christian Krönes und Florian Weigensamer erzählt die
Geschichte einer jungen Frau, die unverhofft ins Zentrum des Bösen,
den inneren Kreis einer wahrlich finsteren Macht katapultiert wurde.
Mit ihren Geschichten führt die 103 Jahre alte Brunhilde Pomsel dem
Publikum vor Augen, wie schleichend eine gesellschaftliche Verführung
vonstattengehen kann und wie anfällig Individuen gegenüber diesen
Verführungen sind. „Ein deutsches Leben“ stellt den Interviewpassagen
Archivmaterial des Holocaust Memorial Museums und des Steven
Spielberg Film & Video Archives sowie Zitate von Goebbels gegenüber.
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