• 10.01.2022, 22:00:32
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Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 11. Jänner 2022. Von MICHAEL SPRENGER. "Kickl, schrill und laut".

Innsbruck (OTS) - FPÖ-Obmann Herbert Kickl will die Impfgegner-Partei
MFG in Schach halten und weiß, dass die FPÖ nach der nächsten
Nationalratswahl in der Opposition bleibt. Beides nützt er dazu, um
seine Politik weiter zu radikalisieren.

Die Rolle des Sympathieträgers nahm Herbert Kickl nie ein – wollte er
auch nicht. Für SPÖ, Grüne und NEOS war er immerzu ein Brandstifter,
der mit seiner Politik einen rechten und autoritären Kurs verfolgt
hatte. Trotzdem, so kann er heute zu sich sagen, ist er in einer von
Sebastian Kurz geführten rechtskonservativen Regierung zum
Innenminister angelobt worden. Auch damals war Kickl keiner, der für
sich Kreide als Nahrungsmittel akzeptiert hätte. Ganz im Gegenteil.
Kickl verfolgte als Minister eine bewusst harte, provokante und
letzten Endes mehr als nur rechtspopulistische Politik. Bis zum
Erscheinen des Ibiza-Videos – mit dem Kickl nichts zu tun hatte –
sorgte dies in der Kanzlerpartei für kein Problem. Doch dann wurde
alles anders. Zwischen ÖVP und Kickl herrscht heute Hass.
Bei der Nationalratswahl verlor die FPÖ kräftig, stürzte aber nicht
ab ins Bodenlose und landete bei 16,2 Prozent. Dann kam die Pandemie.
Kickl erkannte früh, welche Möglichkeit dies für eine neu-rechte
Hegemonie bedeuten kann. Er nahm den Linken die Begriffe Freiheit und
Überwachung aus der Hand, spielte sich zum Verteidiger der Demokratie
auf und entblödete sich nicht, Österreich als Diktatur darzustellen.
Und weil er dafür Applaus erhält, schreit er der Menge noch gleich
zu: „Wir sind das Volk!“ Welch eine Geschichtsvergessenheit.
Nachdem Kickl Norbert Hofer im Frühsommer ins Abseits geschoben
hatte, radikalisierte er seine Politik. Seine Rundumschläge werden
härter, die Regierungsparteien nennt er Falotten. Er attackiert und
verhöhnt den Bundespräsidenten.
In aktuellen Umfragen liegt die FPÖ jetzt zwischen 20 und 22 Prozent.
Hat also Kickl alles richtig gemacht? Ja, wenn für den Parteiobmann
ein Umfrageplus das Maß aller Dinge ist. Aber was macht er mit dieser
Zunahme? Kickl weiß, so intelligent ist er, nach der nächsten
Nationalratswahl wird die FPÖ jedenfalls auf der Oppositionsbank
sitzen bleiben. Mögen auch einzelne FPÖler Kritik an seinem
pandemischen Tiefflug nehmen, Kickl wird nicht ruhiger werden,
sondern viel lauter und schriller. Er muss zuvorderst die
Impfgegner-Partei MFG in Schach halten. Vor allem aber will er
mittelfristig die FPÖ wieder auf über 25 Prozent bringen – denn ab
dieser Stärke, so denkt Kickl, wird die ÖVP wieder schwach werden. So
war es schon bei Wolfgang Schüssel und so war es auch bei Kurz. Und
wie damals könnten sich wieder mediale Begleiter finden, die den
Glanz des Neuen herbeischreiben. Und Kickl? Ein Sympathieträger war
er eigentlich nie. Aber das war einmal schon egal.

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