- 10.10.2021, 08:00:02
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ORF zum 75. Geburtstag von Elfriede Jelinek: Neues Porträt, „Kinder der Toten“ und „Die Klavierspielerin“
Am 18. und 19. Oktober in ORF 2
Utl.: Am 18. und 19. Oktober in ORF 2 =
Wien (OTS) - Mit einem neuen Porträt und zwei Filmen würdigt der ORF
Schriftstellerin Elfriede Jelinek zum 75. Geburtstag am 20. Oktober.
So zeigt ORF 2 am Montag, dem 18. Oktober 2021, um 23.30 Uhr Susanna
Schwarzers filmischen Versuch einer Annäherung an den Kosmos der
österreichischen Literaturnobelpreisträgerin und kompromisslosen
Künstlerin, die zeit ihres Lebens gnadenlos polarisiert und sich seit
der Nobelpreisverleihung 2004 vollständig aus der Öffentlichkeit
zurückgezogen hat. Anschließend an „Elfriede Jelinek – Ein Porträt“
steht die TV-Premiere der vom ORF im Rahmen des
Film/Fernseh-Abkommens kofinanzierten Kinoproduktion „Die Kinder der
Toten“, basierend auf Jelineks gleichnamigem Roman, auf dem Programm.
Am Dienstag, dem 19. Oktober, bringt ORF 2 ein Dacapo der vielfach
preisgekrönten Jelinek-Verfilmung „Die Klavierspielerin“ (0.05 Uhr)
von Michael Haneke mit Isabelle Huppert in der Titelrolle.
„Elfriede Jelinek – Ein Porträt“ (18. Oktober, 23.30 Uhr, ORF 2)
Elfriede Jelinek ist die erste österreichische Schriftstellerin, die
mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde. Eine kompromisslose
Künstlerin, die zeit ihres Lebens provoziert und polarisiert, die
gnadenlos radikal über Sexualität, Gewalt, Massenkultur und den
verdrängten Faschismus in Österreich schreibt. Für
Literaturkritikerin Sigrid Löffler ist sie die „kälteste und
erbarmungsloseste Moralistin, die Österreich je gegen sich
aufgebracht hat“.
Geboren am 20. Oktober 1946 in der Steiermark wird sie von der
„dämonischen Mutter“ zum Wunderkind gedrillt. Mit drei Jahren lernt
sie Ballett, mit sieben Geige, mit acht Klavier, mit dreizehn Orgel,
nach der Matura bricht sie zusammen und beginnt zu schreiben. Für sie
eine Art Überlebensstrategie. Ihr erster Gedichtband „Lisas Schatten“
erscheint 1967, ihr erster Roman „wir sind lockvögel, baby“ 1970, das
erste Theaterstück „Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen
hatte oder Stützen der Gesellschaft“ wird 1979 uraufgeführt.
Bis heute kommentiert Elfriede Jelinek literarisch die Missstände
unserer Gesellschaft, sie mahnt, mischt sich ein und das mit einer
einzigartigen Sprache, mit der sie jongliert, wie kaum eine andere.
In ihren Texten verknüpft sie scheinbar spielerisch Sprichwörter,
Werbeslogans und aktuelle Schlagzeilen, verwendet Umgangssprache und
komponiert Wortbilder und neue Wortkreationen. „Die Kassandra der
zeitgenössischen Literatur“, wie sie genannt wird, hat die
Übertreibung perfektioniert, mit Zorn und Leidenschaft fordert sie
die Welt heraus.
2004 verwies die Königlich Schwedische Akademie in Stockholm in ihrer
Begründung auf den „musikalischen Fluss von Stimmen und Gegenstimmen
in ihren Dramen und Romanen“. Nach dem Nobelpreis hat sich Elfriede
Jelinek fast vollständig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Anlässlich ihres 75. Geburtstag sprechen in Susanne Schwarzers
Porträt u. a. Claus Peymann, Frank Castorf und Marlene Streeruwitz
über die Ausnahmeliteratin.
„Die Kinder der Toten“ (18. Oktober, 23.50 Uhr; ORF 2)
Österreichische Weltliteratur trifft amerikanische B-Movies – so
ließe sich die Metamorphose von Elfriede Jelineks monumentalem Roman
„Die Kinder der Toten“ in einen Super-8-Stummfilm mit Blasmusik
beschreiben. Diese meisterhafte Transformation zwischen Heimat- und
Horrorfilm ist dem Regie-Duo Kelly Copper und Pavol Liska vom Nature
Theatre of Oklahoma und dem Produzenten Ulrich Seidl gelungen. An
Originalschauplätzen in der Oststeiermark, rund um die Kindheitsorte
der Nobelpreisträgerin, lassen sie Gespenster der Vergangenheit
auferstehen.
Der groteske Inhalt: Eine Busfahrt mit Touristen aus der Pension
Alpenrose endet tödlich. Doch die Verunglückten geistern als Untote
weiter durch Wald und Flur. Sie treffen auf syrische Flüchtlinge,
eine Poeten-Familie, die „supersensibel für menschliches Leid“ ist.
Sie begegnen einem depressiven Förster, der von seinen toten Söhnen
verfolgt wird, die schon vor Jahren Selbstmord begangen haben. Karin,
eine Sekretärin, sieht sich plötzlich mit einer Doppelgängerin
konfrontiert, die sie liebt, während sie ihre Übermutter in den
Wahnsinn treibt. Im „CINEMA 666“, das die Witwe eines
Nationalsozialisten gegründet hat, trauert das Publikum der
Vergangenheit mitsamt seinen Insignien nach. Die untote Gesellschaft
kehrt zurück in die Pension Alpenrose und lässt bei Forelle blau und
mit von Palatschinken maskierten Gesichtern ihre Geschmacklosigkeiten
hochleben.
Elfriede Jelinek hat „Die Kinder der Toten“ als ihr wichtigstes Werk
bezeichnet. Die bizarren Handlungsstränge galten als nahezu
unverfilmbar. Die Filmemacher Copper und Liska konnten die
Romanvorlage mangels Deutschkenntnissen nicht einmal lesen, sondern
ließen sich die Szenen erzählen. Als Projekt des „steirischen herbst“
2017 bannten sie mit hundert einheimischen Laienschauspieler/innen
und den örtlichen Einsatzkräften das 666 Seiten umfassende Konvolut
auf 666 Super-8-Filmspulen – eine bei der Berlinale 2019 mit dem
FIPRESCI-Kritikerpreis ausgezeichnete Groteske, die nach der
(Un-)Möglichkeit einer angemessenen Aufarbeitung angehäufter Schuld
fragt: surreal, urkomisch, witzig und bitterböse.
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