• 29.07.2021, 22:00:01
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Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 30. Juli 2021. Von KARIN LEITNER. "Wann ist es vorbei mit Packelei?".

Innsbruck (OTS) - Laut Gesetz bestimmen die Aufsichtsräte des ORF den
Generaldirektor des großen Medienunternehmens. Wer es wird, ist im
Vorfeld ausgedealt. Eine österreichische Unart, mit der endlich
Schluss sein sollte.

Die Antwort auf die Frage, wer der jeweilige Favorit für den
ORF-Generaldirektorenposten ist, war erwartbar. Sowohl ÖVP-Kanzler
Sebastian Kurz als auch Grünen-Vizekanzler Werner Kogler sagten, sie
äußerten sich nicht dazu, das sei Sache des Stiftungsrates, des
obers­ten Aufsichtsratsgremiums des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Formal stimmt das. Gesetzlich geregelt ist, dass dessen 35 Mitglieder
alle fünf Jahre per Wahl fixieren, wer fortan das größte und
wichtigste Medienunternehmen des Landes lenkt.
Tatsächlich bestimmen das Politiker, zuvorderst jene der
Regierungsparteien – in schlechter österreichischer Manier.
Einen für sie Genehmen wollen sie an der Spitze des ORF,
Berichterstattung in ihrem Sinne. Und so wird im Vorfeld der
Abstimmung – nunmehr am 10. August – gemauschelt, konspiriert und
gedealt.
Zumeist wird gespielt, was Regierungs­chefs und Landeshauptleute
wünschen, aber nicht immer. Der damalige ÖVP-Kanzler Wolfgang
Schüssel wollte 2006 Monika Lindner erneut als Generaldirektorin. Die
unter Anleitung der Roten gebildete „Regenbogenkoalition“ zeigte dem
Taktiker die Grenzen auf. Der SPÖ-nahe Alexander Wrabetz, er
kandidiert wieder, wurde mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ, BZÖ und Grünen
gewählt. Sogar zwei ÖVP-affine Stiftungsräte entschieden sich gegen
ÖVP-Kandidatin Lindner.
Jetzt ist die Lage eine andere. Die Türkisen und Türkis-Nahen haben
die Mehrheit im Stiftungsrat. Und sie haben einen, den sie im ORF
ganz oben wollen: Vizefinanzdirektor Roland Weißmann. Er hat dazu
beigetragen, als Parteikandidat punziert zu sein. Weißmann und Kurz’
Medienbeauftragter Gerald Fleischmann waren Anfang Juli bei einer –
erhofft geheimen – Zusammenkunft der ÖVP-Aufsichtsräte. Votieren die
drei Grünen-Stiftungsräte für Weißmann, damit dieser nicht als
„Parteisoldat“ dasteht und die Koalition nicht weiter belastet wird?
Bekommen sie im Gegenzug Posten in den Führungsbereichen darunter?
Allein diese Debatte zeigt, dass es falsch läuft.
Den von Kurz propagierten „neuen Stil“ sollte es endlich geben. So
auch bei der Postenvergabe im ORF. Wie vor 2006 sollte wieder geheim
über den Boss abgestimmt werden, damit ohne Rechtfertigungsdruck
gegenüber Parteisekretariaten, wenn die Vorgaben nicht erfüllt
werden.
Jener – es mag eine naive Vorstellung sein – sollte gewinnen, der die
besten Referenzen und die besten Konzepte für das Unternehmen und
dessen Konsumenten hat. Es wäre eine späte Lehre aus der ÖBAG-Causa
rund um Thomas Schmid.

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