- 07.05.2021, 10:35:01
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Spitalsärzte klagen über „massive Arbeitsüberlastungen“
Mehr als 1000 Betroffene kurz vor Burnout – Gingold: „Entlastungen müssen raschest in die Wege geleitet werden“
Utl.: Mehr als 1000 Betroffene kurz vor Burnout – Gingold:
„Entlastungen müssen raschest in die Wege geleitet werden“ =
Wien (OTS) - Das gesamte medizinische Fachpersonal ist durch die
Pandemie seit Monaten massiv belastet – sowohl körperlich als auch
psychisch. Im Hinblick darauf, dass diese großen Belastungen und
deren Folgen die Pandemie überdauern werden, hat die Kurie
angestellte Ärzte der Ärztekammer für Wien in einer Umfrage eruiert,
wie prekär die Situation tatsächlich ist. In Kooperation mit dem
Markt- und Meinungsforschungsinstitut Pitters Trendexpert wurden im
April 2021 alle angestellten Ärztinnen und Ärzte in Wien befragt.
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Mittels der Umfrage wollte die Ärztekammer erfahren, wie die
Ärzteschaft den aktuellen Arbeitstag während der Pandemie erlebt, wie
die Belastungen konkret die tägliche Arbeit beeinflussen und welche
Lösungen in Zukunft die Arbeit erleichtern können.
Von der Ärztekammer beauftragt wurde die unabhängige
Beratungsfirma Pitters Trendexpert. Insgesamt konnten 8.200
angestellte Kolleginnen und Kollegen in Wien telefonisch
beziehungsweise elektronisch und anonym teilnehmen. Die
Beteiligungsquote betrug 21,5 Prozent, das entspricht 1.765 Ärztinnen
und Ärzten.
„Die Stichprobe ist repräsentativ und besitzt mit der aufgezeigten
Rücklaufquote eine hohe Validität“, erklärt Harald Pitters,
Geschäftsführer von Pitters Trendexpert, der auch betont: „Umfragen
dieser Art, die eine Teilnahmequote von etwa 25 Prozent aufweisen,
sind höchst aussagekräftig.“
Arbeitsalltag offenbart „katastrophale Zustände“
Im Rahmen des Arbeitsalltags wurde abgefragt, wie sich die
Ärztinnen und Ärzte sowohl körperlich als auch psychisch fühlen. Die
Ergebnisse sind dramatisch: Mehr als die Hälfte (53 Prozent) fühlen
sich oft oder sehr oft emotional erschöpft, fast ident hoch (52
Prozent) ist die Zahl bei körperlicher Erschöpfung.
Mehr als ein Viertel (29 Prozent) fühlt sich oft oder sehr oft im
Job alleingelassen, knapp ein Viertel (23 Prozent) fühlt sich
geschwächt oder anfällig, selbst krank zu werden. Mehr als die Hälfte
hat schon einmal daran gedacht, an einem Burnout zu leiden, 14
Prozent empfinden dies sogar als oft oder sehr oft.
„Bei 8.200 Ärztinnen und Ärzten sind das mehr als 1.000
Betroffene, die sich kurz vor einem Burnout sehen“, erklärt Gerald
Gingold, Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellte Ärzte der
Ärztekammer für Wien. „Die Umfrage hat uns katastrophale Zustände
offenbart, wir sind um die Gesundheit unserer Kolleginnen und
Kollegen sehr besorgt.“ Es dürfe nicht sein, dass mehr als die Hälfte
des Gesundheitspersonals sich sowohl körperlich als auch psychisch
„am Ende“ sieht.
Mehr als die Hälfte (54 Prozent) hat auch zumindest einmal darüber
nachgedacht, psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, 31
Prozent haben eine solche bereits in Anspruch genommen. Gingold:
„Fast ein Drittel unserer Spitalsärztinnen und -ärzte sehen also
aufgrund der enormen Überbelastung die Notwendigkeit, selbst zum Arzt
oder zur Ärztin zu gehen – das ist ein weiteres Warnsignal.“
Ebenso gefährdet sehen die Spitalsärztinnen und -ärzte ihre
Kolleginnen und Kollegen in den anderen Gesundheitsberufen im Spital.
86 Prozent sind der Ansicht, dass die weiteren medizinischen
Berufsgruppen ebenfalls emotional erschöpft sind, 83 Prozent
attestieren diesen auch eine körperliche Überbelastung.
Kündigungswelle mit „verheerenden Folgen“
Die Konsequenzen dieses Arbeitsalltags und der prekären
Arbeitsbedingungen sind für viele Befragten ebenfalls eindeutig: Mehr
als die Hälfte (52 Prozent) haben schon über einen Jobwechsel
beziehungsweise eine Kündigung kürzlich nachgedacht, knapp ein
Fünftel der Befragten (18 beziehungsweise 15 Prozent) denken darüber
oft oder sehr oft nach. Auch hier schlägt Gingold Alarm: „Mehr als
1.500 Ärztinnen und Ärzte denken allein in Wien darüber nach,
aufgrund der derzeitigen Arbeitsüberlastungen das Handtuch zu
werfen.“
Eine Kündigungswelle im Bereich der Spitalsärzteschaft aufgrund
der enormen psychischen und körperlichen Überbelastungen wäre laut
Gingold „verheerend“. „Ich fordere die Arbeitgeber auf, bereits jetzt
zu beginnen, für Entlastungen zu sorgen“, so Gingold. Für ihn ist
„noch nicht absehbar, wann die Pandemie endet“, und deswegen müsse
man „bereits jetzt die seit Jahren bekannten Probleme an der Wurzel
packen“, bevor sich die Situation noch weiter verschlimmere. (ast)
(Forts.)
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