• 23.04.2021, 18:02:09
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TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" vom 23. April 2021 von Karin Leitner "Schwierige Mission des Dr. Mückstein"

Innsbruck (OTS) - Der praktische Arzt aus Wien hat ein Amt mit vielen
Fallstricken übernommen. Trotz Mangels an politischer Erfahrung und
routinierter Gegenüber sollte sich der Grünen-Quereinsteiger
Eigenständigkeit erlauben.

Mutig sei, das Amt des Gesundheitsministers zu übernehmen – in Zeiten
einer Pandemie. Das hat der Kanzler bei der Präsentation Wolfgang
Mücksteins im Nationalrat befunden. Das ist es. Auch ob des
Regierungsgegenübers. Die ÖVP hat ihn schon kurz nach seiner
Nominierung gelehrt, wer das Sagen hat, wenn es um gute Nachrichten
geht. Sebas­tian Kurz verkündete „Öffnungsschritte“ für Mitte Mai –
in der Gastronomie, dem Tourismus, bei Kultur und Sport. Mückstein
war in die Entscheidungen nicht eingebunden. Er muss sie seit seiner
Angelobung aber kommentieren. Dass sie ihm als Arzt ob der
Corona-Lage missfallen, war bei seinen ersten öffentlichen Auftritten
nicht zu übersehen. Bei diesen zu hören war auch etwas, das bei einem
eigenständigen Typen wie ihm – charakterisiert durch die Sneaker –
erstaunt: Polit-Sprech wie von jenen, die schon lange in diesem
Metier zugange sind. Mückstein hat, abgesehen von der Tätigkeit in
der Ärztekammer, keine Erfahrungen mit der Politik. Das macht es
schwer für ihn. Inhaltlich ist er für vieles verantwortlich:
Gesundheit, Soziales, Konsumenten- und Tierschutz. So groß die
Begehrlichkeiten aus all diesen Bereichen schon jetzt an ihn sind, so
klein ist sein Spielraum bei diesen Belangen. Mit Routiniers wie den
Landeshauptleuten, Sozialversicherungsvertretern, Lobbyisten und dem
Koalitionspartner hat es Mückstein nun zu tun. Läuft es etwa beim
Impfen fortan gut, wird das Kurz als seinen Erfolg verbuchen, hapert
es, wird das eine Fehlleistung Mücksteins sein. Es wird auch an ihm
liegen, ob er nur Beifahrer oder Chauffeur ist – und inwieweit ihn
seine Parteifreunde, die Grünen, unterstützen. „Wenn es um
Menschenleben geht, mache ich keine Kompromisse“, lässt er wissen.
Die vollmundige Ansage eines Quereinsteigers, der alsbald an den
Machtgegebenheiten scheitern wird? Nicht zwingend. Mückstein könnte
in der Koalition selbstbewusst auftreten: Er hat, im Gegensatz zu
Kollegen, Expertise in dem Ressort, das er führt. Er ist kein
Apparatschik, er ist ein Mann, der die Not von Menschen aus der
Praxis kennt, also glaubwürdig. Und sollte er, alleingelassen, wie
sich sein Vorgänger Rudolf Anschober fühlte, von seinem Posten
weichen, hätte nicht nur er Erklärungsbedarf. Den hätten auch
Vizekanzler Werner Kogler und Regierungschef Kurz. Dass der Vierte
aus der Riege vor der Zeit weichen muss – wie ÖVP-Arbeitsministerin
Christine Aschbacher – oder weicht – wie die Grünen Ulrike Lunacek
und Anschober –, wäre keine Ehrbekundung für beide. Dass der zweite
Gesundheitsminister abdankt, würde nicht nur als seine Schwäche
gesehen, sondern auch als fragwürdiger Umgang mit ihm.

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