Innsbruck (OTS) - Vom Abstellgleis auf die Überholspur? Der deutsche
Verkehrsminister Andreas Scheuer wird heute die Auswahltrasse für den
umstrittenen Brenner-Nordzulauf verkünden. Die Verlagerungspolitik
ist damit aber noch lange nicht auf Schiene.
Mit der ihm typischen Eloquenz wird der deutsche Verkehrsminister
Andreas Scheuer CSU) wohl auch heute zu Mittag virtuell vor die
Presse treten. Und aus zuletzt vier möglichen Trassenvarianten für
den „Brennerbasistunnel-Nordzulauf“ (hoffentlich) jene verkünden, die
Bund und Deutsche Bahn in Bayern zwischen Grafing und Kiefersfelden
neu aus dem Boden stampfen wollen. Nein – müssen. Denn das ist
zwischen Österreich und Deutschland bereits seit 2012 paktiert. Doch
mit dem „müssen“ ist es in Deutschland beim Verkehr bekanntermaßen
nicht weit her. Und auf EU-Ebene noch weit weniger. Wer sich nur aufs
Verlegen von Schienen konzentriert und weniger darum, wie der
alpenquerende Güterverkehr von der Straße auf diese neue
Infrastruktur gelockt (oder auch gezwungen) werden kann, darf sich
nicht wundern, wenn der BBT in Zukunft mehr Potenzial als Pilzzucht-
stollen entwickeln wird denn als Herzstück europäischer
Verlagerungspolitik.
Das, was Tirol und Österreich heute von Scheuer erwarten, ist nichts
anderes als ein verkehrspolitischer Offenbarungseid. Räumt
Deutschland der Planung und dem Bau des BBT-Nordzulaufs endlich jene
Priorität ein, wie sie zuletzt auch im „Berliner 10-Punkte-Programm“
2019 festgehalten wurde? Wenn ja, wird Scheuer seine bayerischen
Parteikollegen von Ministerpräsident Markus Söder abwärts zur Brust
nehmen und auf die Zulauftrasse einschwören müssen. Denn von München
blies bislang ein ganz anderer Marsch über die Landesgrenzen. So
stellte Scheuers blauweiße Amtskollegin, Kerstin Schreyer, unlängst
den Zulaufbau ganz generell in Frage. Die Bestandsstrecke, so die
argumentative Unterfütterung, weise noch genügend Kapazitäten auf.
Das wiederum bläst die Muskeln jener Bürgerinitiativen auf, die sich
seit Anbeginn gegen den viergleisigen Ausbau wehren: der
Flächenverbrauch sei zu hoch, Tunnellösungen nicht fixiert. Scheuer
muss also nicht nur seine bayerische Mutterpartei auf Linie bringen,
sondern auch der Bevölkerung entgegenkommen. Ein spätösterlicher
Eiertanz.
Auf EU-Ebene zeigt Deutschland sein wahres Verkehrs-Gesicht: Da wird
ein Positionspapier zum Schienengüterverkehr im Verkehrsministerrat
ausgebremst und mit einer verwässerten EU-Wegekostenrichtlinie
versucht, die Potenziale der Schiene kleinzuhalten. Derart
unterminieren Scheuer und Co. eine europäische Verlagerungspolitik,
dass es für Tirol auch schon egal ist, ob Scheuer heute die
Inbetriebnahme des BBT-Nordzulaufs nun für 2040 oder 2050 verkünden
wird.
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