• 07.04.2021, 22:00:01
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TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: "„Österreichische Lösung“ ist schlecht", von Karin Leitner

Ausgabe vom Donnerstag, 8. April 2021

Utl.: Ausgabe vom Donnerstag, 8. April 2021 =

Innsbruck (OTS) - Die ÖVP hofft mit der Verkündigung, Thomas Schmid
werde den ÖBAG-Vertrag 2022 nicht verlängern, auf einen
Befreiungsschlag in der Causa. Er ist es nicht. Dass Schmid noch fast
ein Jahr auf dem Posten bleibt, ist ein Affront.

Neuer Stil“ und „Mut zur Veränderung“ – mit diesen Slogans ist
Sebastian Kurz angetreten. Gepflogenheiten großkoalitionärer Natur
wie Postenschacher und Proporz würden unter der „neuen Volkspartei“
passé sein. Viele Wähler glaubten ihm. Sie wurden getäuscht. Wider
das Versprechen wurde gehandelt. Und das in großem Stil. Nicht nur
auf das eine oder andere Pöstchen wurden Parteigänger gesetzt – nicht
wegen deren Qualifikation, sondern weil sie zur türkisen „Familie“
gehören. Wie dreist das vonstattengegangen ist, belegen publik
gewordene Chat-Protokolle. Thomas Schmid, vormaliger
ÖVP-Pressesprecher, der zum Generalsekretär im Finanzressort
avancierte, hat mit Hilfe der Seinen den Job in der ÖBAG für sich
zurechtgeschnitzt, die Aufsichtsräte ausgesucht.
Es geht nicht um einen Pimperlverein. Die Holding verwaltet
Anteile des Staates an wichtigen börsenotierten Firmen wie OMV,
Telekom Austria, Post und Verbund. Es geht um ein Vermögen von 26
Milliarden; das sind fast 3000 Euro pro Einwohner. Ein Unsittenbild
zeigt sich ob dessen, wie Schmid zum Alleinvorstand geworden ist.
Nicht schön- und kleinreden können die Türkisen derlei Kommunikation.
Sie ist belegt. Weil nicht gelingt, davon abzulenken, wurde
verkündet, dass Schmid den Vertrag, der bis März 2022 gilt, nicht
verlängern wird. Ein Befreiungsschlag für die Türkisen? Das ist er
nicht. Es ist eine „österreichische Lösung“ alten Stils. Schmid ist
fortan eine „Lame Duck“ – mit einem 400.000-Euro-Salär. Guten Leuten
mit großer Verantwortung, so auch Politikern, sollte ihr Einkommen
nicht geneidet werden. Schmid, der auch anderweitig – weil
Beschuldigter – kein Renommee für die ÖBAG ist, diese noch ein Jahr
führen zu lassen, ist ein Affront für alle „Leistungsträger“, von
denen die ÖVP stetig spricht; erst recht all jenen gegenüber, die
Corona-bedingt den Arbeitsplatz verloren haben. Und dass Kurz, zur
Sache befragt, auf die Zuständigkeit des Aufsichtsrats verweist, ist
Kindesweglegung des Familienoberhaupts. Auch wenn die Steuerzahler ob
Schmids Ablöse kurzerhand nicht entlastet wären, weil er als
„Spaziergänger“ ebenfalls zu zahlen ist – polit-hygienisch ist sie
geboten. Wenn die Volkspartei schon das nicht auf dem Radar hat,
sollte sie an das Image der Partei denken. Sie sollte nun den „Mut
zur Veränderung“ haben. Und zwei Profis an der ÖBAG-Spitze
platzieren. „Vier-Augen-Prinzip“ ist geboten, weiteres
Family-Business inakzeptabel.

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