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TIROLER TAGESZEITUNG, Kommentar: "Ein Bundespräsident sollte jetzt nicht schweigen", Ausgabe vom 2. März 2021 von Karin Leitner.
Innsbruck (OTS) - Als moralische Instanz gilt ein Staatsoberhaupt in
 Demokratien wie Österreich. Die Tagespolitik soll und muss ein
 Bundespräsident nicht kommentieren. Nun geht es aber um viel mehr als
 das Gezänk von Polit-Konkurrenten. Eine Partei, auch noch jene, die
 den Kanzler stellt, attackiert Justizbehörden verbal. Seit Tagen –
 und vehement. Weil gegen Gesinnungsfreunde ermittelt wird, diese als
 Beschuldigte geführt werden. Finanzminister Gernot Blümel in der
 Causa Novomatic, Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter in der
 Heumarkt-Angelegenheit. In Verfahren hat sich Alexander Van der
 Bellen nicht einzumischen, auch, da die Unschuldsvermutung gilt. Zu
 dem, was sich rundherum abspielt, darf der Mann an der Spitze der
 Republik aber nicht länger nichts sagen. Zu Recht fordern der
 Innsbrucker Oberlandesgerichtspräsident Klaus Schröder und
 Richtervereinigungspräsidentin Sabine Matejka ein Statement Van der
 Bellens. Die TT hat in der Hofburg dahingehend immer wieder
 angefragt. Bis dato ist nichts gekommen. 
 Das ist schlecht. Das Staatsoberhaupt ist „Hüter der Verfassung“.
 Diese ist nicht nur elegant, wie Van der Bellen 2019 ob des
 Ibiza-Skandals befand. In der ist auch Gewaltenteilung
 festgeschrieben. Eine der „Gewalten“ ist die Justiz. Deren Vertreter
 sind ebenfalls nicht unfehlbar. Parteipolitisch motiviert eine
 Korruptions- und Wirtschaftsstaatsanwaltschaft „zerschlagen“, die
 Pressefreiheit beschneiden zu wollen, ist aber ein No-Go. Ein solches
 sollte es auch für den Bundespräsidenten sein. Dass er im Hintergrund
 „Gespräche führt“, reicht nicht. Er sollte sich coram publico äußern.
 Saure Wiesen gelte es trockenzulegen, sagte Rudolf Kirchschläger,
 einstiger Hofburg-Mann, gemünzt auf Korruption. Derlei sollte nun von
 Van der Bellen kommen. Erweitert um die Aussage, dass die
 Trockenleger druckfrei zu arbeiten haben. Einen „Schweigekanzler“ gab
 es in diesem Land, einen „Schweigepräsidenten“ sollte es just jetzt
 nicht geben.
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