Wortlaut der Ansprache
Utl.: Wortlaut der Ansprache =
Wien (OTS) -
Liebe Österreicherinnen und Österreicher
und alle Menschen, die hier leben.
Nun ist er also da: Der erste Tag des Neuen Jahres. Zweitausend und
einundzwanzig. Dieser erste Tag hat stets einen eigenen Charakter.
Das alte Jahr ist vorüber und das neue hat noch nicht richtig
begonnen. Eine gewisse Ruhe ist für gewöhnlich fühlbar an diesem
ersten Tag des Jahres. Und heuer, inmitten eines weiteren Lockdowns,
ist diese Stille noch ein wenig tiefer.
Ein neues Jahr liegt vor uns. Wir spüren noch die Last des alten, die
Last der Pandemie. Aber viele von uns spüren trotz allem eine
hoffnungsfrohe Erwartung, wie sie nur am Beginn von etwas Neuem
stehen kann, wenn alle Möglichkeiten offen und alle Träume noch
frisch sind.
Dieses Jahr wird besser. Schon beginnen die Impfungen. Für die
Zukunft scheint wieder alles möglich. Aber diese kurze Zeit der
Stille, bevor das Jahr so richtig losgeht: Nutzen wir sie zum
Reflektieren, zum Nachdenken. Das ist wichtig. Denn wenn wir die
Pandemie überwunden haben, und wir werden sie überwinden, wollen wir
dann wirklich exakt in jene Welt zurückkehren, die wir davor hatten?
Jetzt ist die Zeit, in der wir träumen sollten, wie wir unsere Welt
verbessern können. Jetzt ist die Zeit, in der wir weiter blicken
müssen. Für uns, für unsere Kinder, unsere Enkelkinder. Ohne Scheu,
auch völlig neu zu denken. Ohne Angst, zu groß zu denken. Wir sind zu
unerhörten Leistungen fähig, wenn es darauf ankommt. Das hat doch das
letzte Jahr bewiesen. Wenn die Forscherinnen und Forscher, wenn wir
Menschen es hinbekommen, innerhalb von kürzester Zeit eine Impfung
gegen das Corona-Virus zu entwickeln, was können wir noch alles
erreichen?
Manche Gewohnheiten, die wir kaum mehr hinterfragt haben, waren
durchaus problematisch. Wir müssen uns entscheiden, ob wir wirklich
zu ihnen zurückkehren wollen. Oder ob wir den Einschnitt von 2020 als
Nachdenkpause nützen und unsere Welt neu und besser bauen als die
alte. Ich möchte Sie dazu ermuntern.
Wie wäre es zum Beispiel, wenn wir uns angewöhnen, eine florierende
Wirtschaft und eine blühende Natur nicht als Gegensätze zu sehen,
sondern als Ziele, die sich gegenseitig bedingen? Es gibt so viele
neue, klimaorientierte und nachhaltige Technologien, die zum Motor
eines neuen Aufschwunges werden können. Sehen wir die
Herausforderungen als Chance, etwas Neues, viel Besseres,
Angemesseneres für Mensch und Natur zu schaffen: Das wünsche ich mir
für Österreich. Das wünsche ich mir für Europa.
Das gilt auch für unser Zusammenleben. Wie wäre es, wenn wir den
Trend zur Unversöhnlichkeit und Aggression brechen, den Trend sich in
die eigene virtuelle Blase zurückzuziehen und andere Meinungen
erbittert zu bekämpfen. Wie wäre es, wenn es damit jetzt vorbei wäre?
Und wir unseren Frieden schließen mit der Erkenntnis, dass wir nur
durch Gegensätze wachsen und lernen können? Und dass unsere
Gesellschaft durch gegenseitigen Respekt nur stärker wird?
Dass ein Posting niemals ein persönliches Gespräch, dass ein „Like“
niemals ein echtes Lächeln ersetzen kann? Dass wir uns nicht auf die
Schwächen, sondern unsere gemeinsamen Stärken konzentrieren? Wie wäre
es, wenn wir unser wunderschönes Österreich und die liberale
Demokratie wieder mehr schätzen würden? Und die Europäische Union,
diese weltweit einzigartige Errungenschaft? Wenn wir gemeinsam mit
unseren Europäischen Freunden ernsthaft beginnen würden, auch eine
global positiv gestaltende Kraft zu werden? Das geht, glauben Sie
mir.
Und wie wäre es, wenn wir den schreienden Gegensatz zwischen
wohlbehütet und auf der Flucht oder zwischen Arm und Reich abmildern
würden? Und auch das geht, glauben Sie mir.
Meine Damen und Herren,
irgendwann in den nächsten Monaten wird sich langsam das Gefühl
einstellen, dass die Pandemie vorbei ist oder zumindest unter
Kontrolle. Lassen Sie uns dann das Jahr 2020 nicht so schnell wie
möglich vergessen und zur Tagesordnung übergehen. Erinnern wir uns
dann an diese Zeit zwischen den Jahren. Und an das Gefühl, wie offen
und gestaltbar unsere Zukunft ist, wenn wir das wollen. Und zwar
nicht nur am Neujahrstag, sondern an jedem neuen Tag. Lassen Sie uns
diese Pause nützen und gemeinsam träumen: Welche Zukunft wollen wir
sehen? Dann haben wir den ersten Schritt in eine bessere Welt schon
getan. Und lassen Sie uns dann den Mut fassen und unsere Träume
gemeinsam verwirklichen.
Liebe Österreicherinnen und Österreicher
und alle Menschen, die hier leben!
Ich wünsche Ihnen und allen, die Sie lieben, ein wunderbares Jahr
2021. Ich wünsche Ihnen Glück und – natürlich – Gesundheit. Und den
Mut zum Träumen.
Möge es für uns alle ein gutes Jahr werden.
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