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Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 30. Dezember 2020. Von KARIN LEITNER. "Die Demaskierung des Norbert Hofer".
Innsbruck (OTS) - Der FPÖ-Obmann und die Seinen sind nervös. Die ÖVP
hat ihnen ihr Kernthema genommen. Nun versuchen sie, mit Widerstand
gegen Corona-bedingte Vorgaben zu punkten. Ein verantwortungsloses
Gehabe.
Es ist ein Brauch von alters her: Norbert Hofer gibt den
Verbindlichen, den Sanften – den Widerpart zu seinem Klubobmann
Herbert Kickl. Norbert Hofer ist nicht der Verbindliche, der Sanfte,
trotz Lächelns in der Öffentlichkeit. Das war etwa bei einer
TV-Konfrontation mit Alexander Van der Bellen vor der Hofburg-Wahl zu
sehen. Einmal mehr offenbarte sich das bei einem Interview in der
ZiB2. Moderator Martin Thür fragte den Blauen-Chef, wie es dessen
Partei mit den rechtsextremen Identitären hält, ob der
Vorstandsbeschluss aus dem Jahr 2018 noch aufrecht sei, dass keiner
von diesen für die Freiheitlichen aktiv sein dürfe.
Hofer, der ansonsten Kontrollierte, verlor ob der Fragen zur Causa in
der Live-Sendung die Contenance. „Eine nicht sehr intelligente
Frage“, attestierte er Thür, detto „beste Werbung für diese
Gruppierung“, einen „Sitzkreis“ mit den Identitären empfahl er dem
Fernsehmann. Und er befand: „Gut, dass ich mich vom GIS (der
ORF-Gebühr) abgemeldet habe“ – ob dessen, dass „der zwangsfinanzierte
ORF nichts Besseres weiß, als sich über eine Miniminiminigruppe
unterhalten zu wollen“. Auch wenn das Geschimpfe gegen den
staatlichen Rundfunk nicht neu ist: Demaskiert hat sich der Frontmann
einer Parlamentspartei mit diesem Aufritt. Nervosität statt
Souveränität hat Hofer demonstriert.
Das liegt wohl auch daran, dass er und seine Partei trotz der Fehler
der Regierung beim Management der Corona-Krise nicht an Terrain
gewinnen. Weil die ÖVP seit Langem den Anti-Ausländer- und
Anti-Flüchtlingskurs gekapert, vormalige FPÖ-Wähler zu sich gezogen
hat, wissen Hofer & Co nicht, womit sie bei ihrer Klientel punkten
sollen. Wie einst bei den Rauchern wegen des Gastro-Rauchverbots
trachten die Blauen nun, Bürger für sich zu begeistern, denen
Vorgaben in Sachen Corona missfallen. Abgeordnete ohne
Mund-Nasen-Schutz im Nationalrat, der Aufruf von FPÖ-Sozialsprecherin
Dagmar Belakowitsch, den Massenchecks fernzubleiben („Wenn Sie
Weihnachten in Ruhe feiern wollen, dann lassen Sie sich nicht
testen“), Agitation gegen das „Freitesten“, die Corona-Impfung,
Impfpflicht, obwohl es eine solche nicht geben wird – das ist das
Repertoire der Blauen. Harte Kritik von Oppositionellen am Tun der
Machthaber ist legitim. In einer Pandemie zu verantwortungslosem
Handeln zu animieren, ist es nicht. Zu viele reden die Gefahr des
Virus nach wie vor klein. Eine Partei darf diese Leute nicht groß
machen, um selbst wieder größer zu werden.
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