- 04.12.2020, 12:11:19
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- OTS0112
Kinderrechtliche Kritik an Lockerungsverordnung
kijas äußern Bedenken zu durchgehender Verpflichtung eines Mund-Nasen-Schutzes für Schüler*innen und den Auswirkungen der Reisebeschränkungen auf das Kontaktrecht für Kinder
Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs begrüßen bei den von der Bundesregierung für 7.12. 2020 angekündigten Lockerungen, dass ein Großteil der Schüler*innen wieder an die Schulen zurückkehren dürfen sowie die begleitenden Maßnahmen, die zu einer Reduktion der gleichzeitig an der Schule anwesenden Personen führen sollen.
In ihrer heutigen Stellungnahme (nachzulesen unter www.kija.at) haben die Kinder- und Jugendanwält*innen sich zu folgenden Aspekten aus kinderrechtlicher Sicht kritisch geäußert und um Nachbesserung ersucht:
Durchgehende Mund-Nasen-Schutz-Pflicht:
Die ausnahmslose Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes für Schüler*innen ab 10 Jahren bis zu acht Stunden stellt eine massive (gesundheitliche) Belastung dar. Wie die Erfahrungen der letzten Monate zeigten, führte dies dazu, dass Schüler*innen nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt wurden, zu wenig tranken und über Kreislaufprobleme und Kopfschmerzen klagten. In etlichen Fällen war es den Schüler*innen selbst dann nicht gestattet, diesen für kurze Zeit abzunehmen. Lernen besteht aus Kommunikation und Interaktion und Mimik, Sprechen ist Bestandteil des dialogischen Lernens. Eine durchgehende Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ist unzumutbar und bildet aus kinderrechtlicher Sicht nicht das gelindeste Mittel, um die Ausbreitung des Virus zu minimieren. Nachdem bei allen Maßnahmen der Gesetzgebung und Verwaltung das Kindeswohl gemäß Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern vorrangig zu berücksichtigen ist, ersuchen wir dringend um andere Lösungen, wie beispielsweise fix zugeteilte Sitzplätze oder Ausnahmeregelungen für Pausen im Freien, um Schüler*innen unter Einhaltung des nötigen Abstandes auch Erholungsphasen zum „Durchatmen“ zu ermöglichen.
Zeitnahe Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts auch für die Sekundarstufe II
Die Beibehaltung des Fernunterrichts für die Sekundarstufe II, mit Ausnahme der Maturaklassen, ist aufgrund der Eigenständigkeit der Schüler*innen in diesem Alter nachvollziehbar. Nichtsdestotrotz ist darauf hinzuweisen, dass – neben allen Schwierigkeiten des Fernunterrichts - gerade auch bei dieser Altersgruppe das Bedürfnis nach Gemeinschaft mit Gleichaltrigen und ihren Peer-Groups von enormer Wichtigkeit. Die Jugendlichen befinden sich in einer bedeutenden Entwicklungsphase, welche die Abnabelung von den Eltern und die Entwicklung hin zu kritischen und selbstbewussten Erwachsenen beinhaltet. Durch die seit Monaten vorherrschende Isolation durch den bereits wochenlangen Fernunterricht und die fehlenden sozialen Kontakte besteht die Gefahr einer Zunahme von psychischen Erkrankungen, Suchtmittelkonsum, Abhängigkeit von Computerspielen und digitalen Medien, verstärkt durch fehlende Außenkontrollen und außerfamiliäre Ansprechpersonen.
Es wird daher eine möglichst zeitnahe Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts und die Schaffung einer zeitlichen Perspektive für die Sekundarstufe II dringend empfohlen.
Reisebeschränkungen:
Die von der Bundesregierung geplanten Einschränkungen für Grenzübertritte und Einreisen haben massive Auswirkungen auf die Wahrnehmung familiärer Kontakte. Damit wird die grenzüberschreitende Wahrnehmung familiärer Kontakte neuerlich und vor allem in der Weihnachtszeit praktisch unmöglich. Das in vielen Fällen familiengerichtlich geregelte Kontaktrecht von Kindern (=Besuchsrecht) getrennter bzw. geschiedener Eltern wird massiv erschwert und ausgehebelt. Die Bundesregierung würde damit in das verfassungsrechtlich abgesicherte Recht von Kindern auf regelmäßige, persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen gem. Art. 2 Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern eingreifen. Aus Sicht der Kinder- und Jugendanwaltschaften ist dieser Eingriff in die Grundrechte von Kindern weder angemessen noch verhältnismäßig. Es wird dringend empfohlen Alternativen wie Teststationen an den Grenzen bzw. Ausnahmeregelungen - ähnliche Ausnahmen für Familien wie im Frühjahr – vorzusehen.
Rückfragen & Kontakt
Mag.a iur. Denise Schiffrer-Barac
Kinder- und Jugendanwältin des Landes Steiermark
Tel 0676 8666 4892
denise.schiffrer-barac@stmk.gv.at
Dr. Andrea Holz-Dahrenstaedt
Kinder- und Jugendanwältin des Landes Salzburg
Tel. 0664/8284242
kija@salzburg.gv.at
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