- 04.11.2020, 14:14:52
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- OTS0092
Bedingte Entlassung: Instrument mit doppelter Kontrolle: Begleitung durch die Justiz, Überwachung durch die Terrorismusbekämpfer
Gericht bei Entlassung nach 2/3 der Strafe an Gesetz gebunden – Rückfallquote bei bedingten Entlassungen deutlich geringer, als bei Entlassung nach gesamter Strafdauer
Utl.: Gericht bei Entlassung nach 2/3 der Strafe an Gesetz gebunden
– Rückfallquote bei bedingten Entlassungen deutlich geringer,
als bei Entlassung nach gesamter Strafdauer =
Wien (OTS) - Aufgrund der außergewöhnlichen Situation und vielfacher
Anfragen zur komplexen Thematik veröffentlicht das Bundesministerium
für Justiz eine Hintergrundinformation zu Urteilsstrafen und
bedingter Entlassung.
Haftentlassung nach 2/3 der Strafe teils gesetzlich vorgeschrieben
Die geltende Rechtslage gibt sinngemäß Folgendes vor: Nach
rechtskräftiger Verurteilung durch das Gericht müssen Täter*innen die
verhänge Strafe absitzen. Laut Gesetz ist die Justiz dazu
verpflichtet nach der Hälfte sowie nach 2/3 der verbüßten Haftstrafe
jeweils von amtswegen zu prüfen, ob eine bedingte Entlassung erfolgen
sollte.
Bei der Hälfteentlassung kann das Gericht dies untersagen, wenn aus
spezial-, und/oder generalpräventiven Gründen der weitere Vollzug der
Freiheitsstrafe erforderlich ist (§ 46 Abs 1 StGB).
Im vorliegenden Fall wurde eine Entlassung nach der Hälfte des
Strafvollzuges vom Gericht verwehrt.
Nach 2/3 der verbüßten Haftstrafe kann das Gericht eine bedingte
Entlassung aus generalpräventiven Gründen nicht mehr ablehnen (§ 46
Abs 2 StGB).
Bei lebenslangen Freiheitsstrafen ist die bedingte Entlassung nach
dem Vollzug von 15 Jahren möglich (§ 46 Abs 6 StGB).
Im Jugendgerichtsgesetz kann zur Vorbereitung einer bedingten
Entlassung eine Entlassungskonferenz durchgeführt werden. Dabei wird
gemeinsam mit dem sozialen Netz der Täter*innen (z.B. Familie,
Betreuer*innen, Lehrer*innen usw.) ein Plan erstellt, wie eine
regelmäßige Betreuung und laufende Kontrolle der Termine nach der
Haft stattfinden kann.
Diese wurde im konkreten Fall von der Bewährungshilfe des Vereins
Neustart organisiert und ordentlich durchgeführt.
Generell gilt: Grundsätzlich ist eine bedingte Entlassung erst bei
Freiheitsstrafen über 3 Monaten zulässig. (Ausnahme sind Jugendliche
[§ 17 JGG] und junge Erwachsene [§ 19 Abs 2 JGG].
Kein Akt der Begünstigung des Täters, sondern Mittel zur
Resozialisierung
Die jüngsten Zahlen zur bedingten Entlassung:
Im Jahr 2018 wurden 37 % der Insass*innen mit Strafurteil bedingt
entlassen,
44 % saßen die volle Strafe ab und wurden erst zum Strafende
entlassen (siehe auch Sicherheitsbericht SiB 2018, S 149).
Bei Freiheitsstrafen über 3 Monaten stellt die bedingte Entlassung
den Hauptanwendungsfall dar.
In mehr als der Hälfte aller Fälle (54,7% ) wird die bedingte
Entlassung vom Gericht an die Bedingung der begleitenden
Bewährungshilfe gekoppelt (SiB 2018, S 98).
Durch die bedingte Entlassung besteht die Möglichkeit weit über die
in der Verhandlung verhängte gesamte Urteilsstrafe hinaus auf den
Rechtsbrecher positiv einzuwirken, und damit der Begehung weiterer
strafbarer Handlungen bestmöglich vorzubeugen.
Dies mit einer Probezeit von bis 3 Jahren. Diese Zeit wurde im
vorliegenden Fall vom Gericht auch voll ausgeschöpft.
Die bedingte Entlassung ist kein Akt der Gnade oder der Begünstigung
der Justiz gegenüber den Rechtsbrecher*innen. Vielmehr hat dies der
Gesetzgeber im Gesetz als Mittel der Resozialisierung vorgesehen –
und zwar im Interesse der Allgemeinheit. Darum ist sie auch nicht auf
reines Ansuchen oder etwaige Zustimmung der Rechtsbrecher*innen
gebunden.
Die Drohung, den Strafrest verbüßen zu müssen, soll spezialpräventiv
auf Täter*innen einwirken und Hemmungen gegen neuerliche
Straffälligkeit schaffen; Weisungen und Bewährungshilfe können hier
zusätzlich Hilfe leisten. Die Aussicht auf vorzeitige Entlassung ist
für Insass*innen nicht nur ein starker Beweggrund, sich den
disziplinären Anforderungen des Vollzugs zu fügen, sie fördert auch
die Bereitschaft, an den Resozialisierungsbemühungen im Vollzug aktiv
mitzuwirken.
Hintergrund: Mit den Auflagen der Bewährungshilfe ist stets eine
Belastung für Rechtsbrecher*innen verbunden, die eine Änderung der
bisherigen Lebensführung und laufende Reflexion abverlangen.
Verminderte Rückfallsquote bei bedingter Entlassung
Während bei Täter*innen, die das volle Strafausmaß verbüßen müssen,
mehr als die Hälfte nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe wieder
rückfällig werden (54%), wenn keine Nachbetreuung stattfindet, werden
von Täter*innen, die bedingt entlassen und durch die Bewährungshilfe
weiter betreut und kontrolliert werden nur knapp mehr als ein Drittel
in der einen oder anderen Form irgendwann wieder rückfällig (38 %)
(Siehe auch gerichtliche Kriminalstatistik 2018).
Instrument mit doppelter Kontrolle: Begleitung durch die Justiz;
Überwachung durch die Terrorismusbekämpfer
Werden nach dem Terrorparagraphen verurteilte Straftäter*innen
bedingt entlassen, so wird dies von der Justiz parallel dem Landesamt
für Verfassungsschutz (LVT) bzw. Bundesamt für Verfassungsschutz und
Terrorismusbekämpfung gemeldet.
Sie können nach Enthaftung insbesondere durch folgende Maßnahmen
kontrolliert werden:
–> Betreuung durch die Bewährungshilfe im Auftrag der Justiz, um auf
die Entlassenen einwirken zu können.
–> Mögliche Überwachung durch LVT/BVT des Innenministeriums, um seine
Handlungen auch verfolgen und etwaigen Straftaten im Vorfeld
vorbeugen zu können.
Werden die Justizbehörden über ein entsprechend strafbares Verhalten
von bedingt Entlassenen informiert, wird unmittelbar ein Verfahren
eingeleitet und kann bei Vorliegen der Voraussetzungen
Untersuchungshaft verhängt werden.
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